Was uns Häusernamen sagen können (Teil 1)

Auf ausgedehnten Spaziergängen habe ich mich im Januar gezielt auf die Suche nach Namensauf- und -inschriften an Radebeuler Häusern gemacht. Diese sicher nicht vollständige Sammlung hat über 60 solcher auf Fassaden von Villen und anderen Häusern befindlichen Namen ergeben. Im Folgenden will ich versuchen, sie in Gruppen einzuteilen und einige Hintergründe zu beleuchten, um anschließend eine Auswahl in Wort und Bild vorzustellen.

Doch grenzen wir zunächst einmal das Thema ein. Es geht hier nicht um im Volksmund verwurzelte Namen (z. B. Haus Breitig), sondern um solche, die sozusagen »schwarz auf weiß« an den Fassaden zu sehen sind bzw. waren. Ausgeklammert bleiben sollen hier Schriften und Werbung mit kommerziellem Hintergrund wie Gaststättennamen etc. Auch reine Schmuckformen, Wappen, Sonnenuhren, Monogramme oder Jahreszahlen und Grüße über Hauseingängen (»Salve«) lassen wir heute außen vor und wenden uns nun »Villa Marie und Co.« zu.

Villa Marie (Foto D. Lohse)

So ein Villenname war und ist kein Muss, das Haus funktioniert auch ohne Namen. Bei Kulturdenkmalen kann der Erhalt einer Fassadeninschrift dann ein Thema sein, wenn der alte Name den heutigen Eigentümern zufällig nicht gefällt. Etwa die Hälfte der betrachteten Häuser sind Denkmale. In Radebeul finden wir solche Namen schwerpunktmäßig an Villen und Wohnhäusern zwischen 1870 und 1915, dann kommt eine längere Zeitspanne fast ohne Namen. Erst nach 1990 scheint wieder ein Gefühl dafür aufgekommen zu sein – man pflegt vorhandene Villennamen und man findet auch hin und wieder neue.

Wo »Villa Soundso« draufsteht, haben wir es streng genommen nicht immer mit einer echten Villa (aufwändiges Einfamilienhaus, meist mit offenem Treppenhaus) zu tun. Die Bezeichnung Villa in Häusernamen begegnet uns oft auch bei Mietvillen (diese haben zwei oder mehr Wohnungen und ein geschlossenes Treppenhaus) und anderen Wohnhäusern.

Villennamen gibt es quer durch das Alphabet von Amely (Paradiesstr. 9a) bis Zucca (Obere Bergstr. 11), wobei natürlich Vornamen und da weibliche (über 90 %) dominieren. Mancher seinerzeit weit verbreitete Vorname (z. B. Marie, Elisabeth, Martha, Clara) fand bzw. findet sich gleich an mehreren Radebeuler Villen, andere wirken heute geradezu exotisch (z. B. Villa Sarolta, Schildenstr. 2). Männliche Vornamen (z. B. Villa Elias, L.-Richter-Allee 15) sind in Radebeul und wohl auch andernorts sehr selten. Meist wollten die Bauherren mit dem Villennamen ihre Ehefrau und manchmal auch die Tochter ehren.

Bei Häusernamen erkennen wir aber auch noch eine andere, Wünsche, Sehnsüchte und Erinnerungen zum Ausdruck bringende Gruppe, hier seien stellvertretend »Heimattreue« (Lößnitzgrundstr. 16) oder »Sorgenfrei« (Augustusweg 48) genannt. Die dritte Gruppe bilden Häusernamen mit geografischen Bezügen, also Länder-, Völker- oder Städtenamen – Villa Sancerre (Rennerbergstr. 11), Villa Bohemia (Dr.-Rud.-Friedrichs-Str. 13) –, die eventuell Rückschlüsse auf die Herkunft des Bauherrn zulassen. Mitunter fließen auch religiöse Inhalte in diese Namen ein wie bei »SOLI DEO GLORIA« (Hauptstr. 41). Gelegentlich lassen uns Bauherren mit der Verwendung von lateinischen Texten wissen, dass sie zum Bildungsbürgertum gehören wollen. Manchmal war der Häusername für mich mit längerem Rätselraten verbunden, aber jetzt weiß ich, was uns der italienische Name »Villa Fenice« (H.-Zille-Str. 57) sagen will, nämlich nichts anderes als Phönix!

Villa Falkenstein (Foto D. Lohse)

Natürlich sind die hier betrachteten Namen fast immer auf der Schauseite der Häuser, also der Straßenseite, angebracht. Ein geeigneter Platz findet sich meist in der Höhe zwischen Erd- und Obergeschoss, oft mittig zur Fassade oder auch an Giebeln oder Türmen, dann auch höher platziert. Der richtige Platz, eine gut proportionierte Schriftgröße und die passende Schrifttype sind insgesamt wichtig für eine gute Gestaltung und Erkennbarkeit.

Bei den Fassadenschriften kamen verschiedene Materialien, Farben und Techniken zum Einsatz – aufgesetzte Metallbuchstaben, auf Putz gemalte Schriften, erhabene Stucktexte, im Putz vertiefte Schriften (Sgraffito) oder auch montierte Schrifttafeln. Unter den verschiedenen Schrifttypen kann die Antiqua mit ihren Spielarten als der Klassiker bezeichnet werden. Daneben finden wir auch gotisierende, groteske und gefällige Jugendstilschriften in unserer Stadt. Leider treffen wir vereinzelt auch auf verkomplizierte Schriften oder solche mit zu geringem farblichem Kontrast, die dann kaum lesbar sind. Bei schlecht platzierten oder handwerklich verstümperten Häusernamen (Hauptstr. 41) wünschte man sich, sie wären nicht angebracht worden oder es gäbe eine Chance, sie noch zu verbessern.

Auf eine kleine Besonderheit sei noch hingewiesen, nämlich den eigentlich überflüssigen Punkt hinter einigen der gesammelten Namen, wie bei »Villa Marie.« Möglicherweise wollte man dadurch der Schriftzeile zusätzlich Gewicht verleihen. Da der Name an der Fassade meist der letzte Akt des Baugeschehens war, kann es aber auch sein, dass man nach den entbehrungsreichen Monaten sprichwörtlich jetzt erst »mal einen Punkt machen« wollte.

Verglichen mit anderen Villengebieten in Dresden wie z. B. Wilder Mann, Klotzsche oder Blasewitz haben Ober- und Niederlößnitz einen beachtlichen Bestand solcher Schriften, im Einzelfalle durchaus auch von vergleichbarer Qualität. Für Spaziergänge lohnen sich etwa die Ludwig-Richter-Allee, die Obere Berg- und die Clara-Zetkin-Straße mit je vier sowie die Moritzburger und die Paradiesstraße mit je drei derartigen Namensschriften.

Bei meinen Recherchen konnte ich stellvertretend für eine sicher viel größere Zahl in Radebeul ehemals vorhanden gewesener Häusernamen auch folgende heute fehlende Namen feststellen: »Villa Agnes« (Lößnitzgrundstr. 2), »Villa Augusta« (Bodelschwinghstr. 2) und »Villa Columbia« (Mohrenstr. 14). Ob diese Namen eine Auferstehung haben, wäre nicht auszuschließen, ist aber z. Z. nicht abzusehen. (Fortsetzung folgt.)

Dietrich Lohse

[V&R 3/2010, S. 2-4]

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