EISKELLER IN MORITZBURG

Eiskeller in Nähe von Schloss Moritzburg

Eiskeller in Nähe von Schloss Moritzburg    Foto:  D. Lohse

Einer oder mehrere? – da ist unsere Sprache offenbar variabel! Keller gehört im Deutschen wie u.a. auch Teller, Gebäude zu einer Wortgruppe, die keine unterschiedliche Schreibweise für Singular und Plural kennt. Nach meinen Recherchen vor Ort müssen wir, um auf die Überschrift zurück zu kommen, von Plural, also von mehreren Eiskellern ausgehen, die hier einmal gebaut und über eine Zeit lang betrieben wurden. Eiskeller ist ein Relikt aus einer anderen Zeit, Sinn und Nutzen für heutige Menschen kaum noch zu erkennen. Sie sind, sofern überhaupt noch erhalten, meist in Vergessenheit geraten, anders genutzt und es erscheint mir erforderlich, am Beispiel von Moritzburg einmal zu erläutern, wozu man früher solche Eiskeller brauchte.
Am Anfang meiner Beschäftigung mit diesem Thema war schon klar, dass es einen großen, dem Moritzburger Schloss zugeordneten Eiskeller gibt, aber welche anderen Eiskeller hat oder hatte Eisenberg, wie Moritzburg ursprünglich hieß, noch?
Also fragen wir erst mal nach dem Sinn von Eiskellern und wann sie wichtig waren? Sie dienten in Zeiten vor der Erfindung von elektrischem Strom, genauer gesagt, vor der Erfindung elektrisch betriebener Kühlschränke, also im 17., 18. und auch 19. Jahrhundert, als relativ sicherer Aufbewahrungsort von natürlich erzeugten Eisplatten oder Eisstangen für ein knappes Jahr. In diesen Eiskellern selbst wurden demzufolge keine leicht verderblichen Nahrungsmittel wie Fleisch oder Fisch gelagert, sondern nur Eis. In den frühen Morgenstunden, wenn die Luft von der Nacht her noch kühl war, wurde dann jeweils eine benötigte Portion Eis vom Eiskeller in die jeweilige Küche geholt und damit hier in einem Eisschrank für die Kühlung von verderblichen Waren gesorgt. In den meisten Fällen waren Eiskeller an einem anderen Standort als das Gebäude mit der Küche. Der Aufwand, einen Eiskeller zu bauen und zu betreiben, dürfte sich nur für größere Einrichtungen wie Schlösser, Klöster, Guts- oder Gasthöfe gelohnt haben, bei kleineren Bauernhöfen werden wir solche kaum finden. In den späten 40er und 50er Jahren, also in meiner Kindheit, erinnere ich mich noch gut daran, dass der „Eismann“ in regelmäßigen Abständen mit seinem Auto durch Radebeuls Straßen fuhr, an bekannten Stellen hielt und durch lautes Betätigen einer Handglocke die Hausfrauen aufmerksam machte, dass es Eis für die Eisschränke zu kaufen gab. Auch meine Großmutter besaß noch solch einen Eisschrank.
Wie müssen wir uns einen Eiskeller nun lagemäßig und baulich vorstellen? Seine Lage sollte schon mal ein kühles Umgebungsklima haben, also ein abgetrennter Keller unter einem Wohnhaus oder einer Scheune, freistehend im Schatten eines größeren Gebäudes (das ist zumeist die Nordseite) oder auch im Schatten von größeren Bäumen. Die Lage eines Eiskellers wird möglichst in der Nähe eines sauberen, stehenden Gewässers (Teiche gibt es ja in Moritzburg genug) und auch der zugehörigen Küche sein, um unnötig weite Transportwege zu vermeiden. Und der Eiskeller sollte eine geeignete Zufahrt für Pferdefuhrwerke bzw. –schlitten haben. Baulich finden wir verschiedene Möglichkeiten für einen Eiskeller: in einem bestehenden Hügel eingegraben oder bei Fels ausgehöhlt, in flachem Gelände aufgemauert und hernach mit Erdreich überdeckt (künstlicher Hügel), als gemauertes Gebäude in einen Hang zum Teil eingegraben, man könnte von Halbkeller sprechen. Der Eiskeller ist in der Regel dickwandig und fensterlos, der Eingang erfolgt von der Nordseite, meist über ein doppeltes Türsystem (Wärme- bzw. Kälteschleuse). Ist der Eiskeller ein Zubehör von Schlössern, finden wir auch gestalterisch, entsprechend der herrschenden Baustile geschmückte Eingänge, was aber im Moritzburger Fall nicht zutrifft, er ist eher schlicht und zweckmäßig. Fußböden von Eiskellern bestehen häufig aus einem Natursteinbelag, hier sind es die bekannten einelligen Sandsteinplatten, und sie haben ein Gerinne für mögliches Schmelzwasser. Manche Eiskeller sind gegenüber dem Vorraum noch mal abgesenkt oder haben einen hohen Luftraum. Nach den Gesetzen der Physik steigt bekanntlich warme Luft nach oben und kalte bleibt unten, wo das Eis liegt. Hinzu kamen innere Isolierschichten aus Stroh, Schilf oder Torf (letzteres in Moritzburg nicht vorhanden), die bei der Eiseinlagerung erneuert wurden.
Die „Eisernte“, also das Lösen von Teilen der Eisdecke eines Moritzburger Teiches, war auch schwieriger als wir uns das heute vorstellen. In den meisten Teichen wird von alters her Fischwirtschaft (Karpfen) betrieben. Mindestens seit dem 18. Jahrhundert werden im Herbst zum Fischfang die Teiche abgelassen und füllen sich durch Niederschläge (man spricht von Himmelsteichen) und geringen Zulauf. Es musste also im November und Dezember viel regnen oder schneien, damit die Teiche im Januar bzw. Februar (entsprechende Kälte vorausgesetzt) genug Wasser/ Eis hatten zum „Ernten“. Trotz dieser Unwägbarkeiten ist keine Nachricht überliefert, dass einmal die „Eisernte“ ausgefallen wäre. Die Tätigkeit des Eislösens ist schwere Arbeit – Männer brachen oder sägten das Eis in Blöcke, hoben diese auf die Eisfläche und bugsierten sie ans Ufer und ohne Verzug weiter in den Eiskeller.
In der Moritzburg-Literatur fand ich einen Hinweis, dass in historischer Zeit der Versuch gemacht wurde, in einem Teil des Hohburgtunnels – eine Investruine aus Augusts Zeiten (1729) – Eis zu lagern, was sich aber gar nicht bewährt hatte.
Der wichtigste Moritzburger Eiskeller befindet sich etwa 200m nordwestlich vom Schloss im sogenannten „Eiskellerhügel“. Für eine kühle Umgebung sorgt an dieser Stelle ein alter Baumbestand, vorwiegend Laubbäume. Es ist schade, dass er kürzlich vom Schlossensemble abgetrennt und der Forstverwaltung übergeben wurde. Wenn die Schlossküche im Sockelgeschoss für Besucher erschlossen werden wird, könnte man auf den früheren funktionellen Zusammenhang mit dem Eiskeller hinweisen und ihn in spezielle Führungen einbeziehen.
In einer baumbestandenen Böschung zwischen Fasanenschlösschen und Marcolini-Vorwerk gibt es mehrere Keller, von denen sicherlich mindestens einer ein Eiskeller war. Hier bot sich der Großteich als Eislieferant an. Klarheit könnte, wie auch in anderen Fällen, durch eine offizielle Begehung und Untersuchung geschaffen werden.
Im Grundstück des Rüdenhofs (heute Käthe-Kollwitz-Museum) befindet sich auch ein ehem. Eiskeller, dessen Eingang von der Meißner Straße aus gut zu sehen ist. Das Eis kam sicherlich aus dem Schlossteich, der nur etwa 20m entfernt ist. In jüngerer Zeit, d.h., als kein Eis mehr gelagert wurde, seien hier Kartoffeln bevorratet worden.

Eiskeller in Nähe von Schloss Moritzburg

Eiskeller in Nähe von Schloss Moritzburg Foto: D. Lohse

Noch bis in die 50er Jahre des 20. Jh. wurde ein Eiskeller unter dem Hauptgebäude von „Adams Gasthof“ betrieben, der für die Gaststättenküche nötig war. Ganz nahe im Grundstück wurde die Marche zu einem Teich angestaut, von dem das Eis geholt wurde.
An der Kötzschenbrodaer Straße finden wir ein kleines freistehendes, knapp zur Hälfte eingegrabenes Gebäude, was funktionell zur alten Försterei gegenüber gehörte und früher auch ein Eiskeller war, auch wenn der Volksmund hier wohl irrtümlich vom „Wildbretkeller“ spricht. Es steht im Schatten des bäuerlichen Wohnhauses Kötzschenbrodaer Straße 1 und an der Gebäude- und Dachform ist zu sehen, dass der Keller offensichtlich einen Vorraum hat.
Etwas weiter südlich im Ort befindet sich das alte Brauhaus, dem auch ein Eiskeller unter dem Gebäude zugeordnet war. Auch hier existiert noch ein Teich, der von der Marche gespeist wird, und der früher auch Eis lieferte.
Ich kann nicht garantieren, dass diese Aufzählung von Eiskellern in Moritzburg vollständig ist – es könnte noch eine Dunkelziffer geben. Ein Keller mitten im Wald, nein hier muss man schon von Kellerruine sprechen, ca. 200m westlich von der Wildfütterung sowie ein noch existierender Keller im Gelände der Wildfütterung waren, bzw. sind immer als Rübenkeller genutzt worden, haben also nichts mit dem Thema Eiskeller zu tun.Ob einer der von mir aufgezählten Eiskeller unter Denkmalschutz steht, weiß ich nicht, es wäre aber sinnvoll einen oder mehrere der Keller im Sinne eines technischen Denkmals zu schützen, ehe sie ganz in Vergessenheit geraten und verschwinden.
Nicht unerwähnt möchte ich die Tatsache lassen, dass während meiner Recherche die Zeitschrift „MONUMENTE“ der Deutschen Stiftung Denkmalschutz im Oktoberheft 2014 unter dem Titel „Ewiges Eis“ einen guten Überblick über Eiskeller in Deutschland brachte, ohne jedoch auf Moritzburg einzugehen.

Ich möchte mich bei zwei Moritzburgern, Frau Burk und Herrn Dr. Timmler sowie Herrn und Frau Roßberg aus Zitzschewig herzlich bedanken, die mich zu dem Thema anregten und mir freundlicherweise Auskünfte gaben.

Dietrich Lohse

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Ein Kommentar

  1. Wichert, Ingrid
    Veröffentlicht am Mi, 4. Mrz. 2015 um 05:54 | Permanenter Link

    Ich lese mit sehr viel Freude jedes Monatsheft und habe dadurch vieles über unsere Umgebung
    gelernt. Vielen Dank für Ihre Bemühungen.
    Ihre Ingrid Wichert

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