Von einem der wegging, um sich einen Namen zu machen

Interview mit Frank-Jürgen Weise anlässlich seines 65. Geburtstags am 8. Oktober 2016

Wenn wir in den zurückliegenden zweieinhalb Jahrzehnten in unserem Heft Persönlichkeiten porträtiert oder interviewt haben, dann handelte es sich fast ausschließlich um Menschen, die als Kunst- und Kulturschaffende unser Leben bereichert und Radebeul seinen unverwechselbaren Charakter als Herz und Sinne anregende Stadt verliehen haben. Oft genug waren diese Personen schon lange Bürger unserer Stadt gewesene, weshalb wir vom Redaktionskollegium – und auch unsere Leserschaft – sie bereits mehr oder weniger gut kannten. Wir hatten sie schon bei Ausstellungen gesehen, in Konzerten und Theatervorführungen erlebt, ihren Reden und Auftritten zu Festen gelauscht, ihre Texte gelesen. Es gibt aber auch die seltenen Momente, wo man ganz unverhofft auf Menschen trifft, deren Biografie zwar mit Radebeul verbunden ist, die aber unsere Stadt schon vor langer Zeit verlassen hatten, weshalb sich heute keiner mehr so recht an sie erinnert bzw. sie mit Radebeul in Verbindung bringt. Mir ist es vor einigen Monaten so mit Frank-Jürgen Weise gegangen. Frank-Jürgen Weise? Vielleicht denken Sie jetzt: „Den Namen habe ich schon einmal gehört.“ Tatsächlich gehört Frank-Jürgen Weise als Vorsitzender des Vorstandes der Bundesagentur für Arbeit und als Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu den hochrangigsten Verwaltungsmanagern unseres Landes. Vor kurzem erst, am 8. Oktober, beging Weise seinen 65. Geburtstag, denn er wurde 1951 geboren, und zwar in Radebeul. Das war für mich Anlass, mich um einen Interviewtermin mit Herrn Weise zu bemühen. Dankenswerter Weise nahm er sich Zeit, meine Fragen zu beantworten, wobei mich natürlich vor allem seine Erinnerungen an die Radebeuler Kinderjahre und seine noch bestehenden Bindungen an unsere Stadt interessierten.  

Frank-Jürgen Weise Foto: Bundesagentur für Arbeit

Frank-Jürgen Weise
Foto: Bundesagentur für Arbeit


Wo genau haben Sie in Radebeul gewohnt? Wir wohnten im Hausbergweg in Radebeul.

Woher stammt Ihre Familie, wann ist sie nach Radebeul gezogen und warum ist sie dann in die Bundesrepublik umgezogen? Mehrere Generationen von Urgroßeltern, Großeltern und Eltern sowohl von Vater als auch Mutter stammen aus dem Raum Dresden, Radebeul, Zitzschewig, Naundorf und Coswig. Meine Eltern hatte nach dem Krieg Sorge, dass es bei einer Besatzung durch die Sowjetunion bleibt, dass der Druck gegen die selbstbestimmte Lebensweise der Menschen in der DDR größer wird. So kam es zur Entscheidung, Radebeul zu verlassen.

Wo haben Ihre Eltern gearbeitet? Haben Sie Geschwister, die mit Ihnen in Radebeul aufgewachsen sind? Wenn ja, wo gingen Sie zur Schule? Mein Vater war Wirtschaftsprüfer und später Direktor in einer Fabrik für Kunststoffe. Meine Mutter hat uns drei Kinder, meine zwei älteren Schwestern und mich, erzogen.

Wie haben Sie Ihre ersten Lebensjahre in Radebeul verbracht? Die Schwestern waren schon in der Grundschule, ich war noch vor der Schule in der Kinderkrippe. Ich habe sehr schöne Erinnerung vor allem an die Natur, ein wenig auch an Freunde im Nachbarhaus im gleichen Alter.

Was ist Ihnen aus dieser Zeit besonders in Erinnerung geblieben? Ich habe in der Familie eine schöne, behütete Kindheit gehabt. Ich erinnere mich vor allem an Ausflüge, sowohl in die Natur in der Umgebung Radebeuls, aber auch Ausflüge an die Ostsee. Ich erinnere mich an die Tischlerwerkstatt meines Großvaters mütterlicherseits. An Freunde kann ich mich wegen der jungen Jahre leider nur vage, aber sehr positiv erinnern.

Sind Sie in den letzten Jahren besuchsweise nach Radebeul zurückgekommen? Wenn ja: Welchen Eindruck haben Sie von der Stadt gewonnen? Wenn nein: Planen Sie einen Besuch nach Eintritt in den Ruhestand? In der Zeit der DDR konnte ich als späterer Offizier der Bundeswehr in West-Deutschland nicht nach Radebeul fahren. Nach der Wende war ich mehrmals in Radebeul und Dresden. Ich war Mitglied im Aufsichtsrat der Robotron-Werke in Chemnitz und konnte helfen, Firmenteile zu erhalten und Leiterplattenfertigung für die Firma VDO zu produzieren. Die Technologie war sehr fortgeschritten. Beeindruckt war ich auch von den Fähigkeiten der Menschen. Das waren gute Erfahrungen. Ich habe später auch Professor Biedenkopf besucht, meinen Vorgänger als Vorsitzender des Kuratoriums der Hertie School of Governance. Ich war auch dienstlich zu Veranstaltungen mit der Bundesagentur für Arbeit in Dresden, und dann habe ich oft in Radebeul übernachtet. Und ich habe als Vorsitzender der Europäischen Arbeitsmarkt Services der 28 EU Länder Vertreter der Länder nach Meißen in unser Bildungszentrum und zu Besuchen in Dresden und Radebeul eingeladen. Radebeul ist eine sehr schöne Stadt, der ich sehr verbunden bin. Im Ruhestand werde ich sicher nach Radebeul und Dresden fahren, aber eher in Bayern wohnen bleiben.

Vielen Dank für das Interview und alles Gute für die Zeit des Unruhestandes!

Nach Abschluss der Schulzeit in Schweinfurt/Franken begann Frank-Jürgen Weise 1971 seine Karriere bei der Bundeswehr, wo er neben seiner Offiziersausbildung auch ein Studium der Betriebswirtschaftslehre abschloss. Während seiner 12 Jahre als Soldat bekleidete Weise zahlreiche Funktionen, u.a. als Kompaniechef und Jugendoffizier. Daran schlossen sich Stationen in der Wirtschaft an, bevor er 2002 in den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit berufen wurde, dessen Vorsitz er im Februar 2004 übernahm. Nach eigenen Aussagen wird er voraussichtlich zum 1. April 2017 dieses Amt niederlegen und an seinen Nachfolger Detlef Scheele übergeben. Im September 2015 kam Weise der Bitte der Bundesregierung nach und übernahm außerdem ehrenamtlich die Leitung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Darüber hinaus ist Weise mit zahlreichen weiteren Ämtern und Funktionen in Wirtschaft und Öffentlichkeit betraut (u.a. Vorsitzender des Vorstands der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, Frankfurt/Main und Senator der Deutschen Nationalstiftung, Hamburg). Frank-Jürgen Weise ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Frank-Jürgen Weise hat mich ausdrücklich bitten lassen, ihm Exemplare der Dezember-„Vorschau“ nach Nürnberg in die Zentrale der Bundesagentur zu schicken. Dem komme ich natürlich gern nach – vielleicht gewinnen wir so einen neuen Abonnenten?

Bertram Kazmirowski
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Quellen:
Wikipedia-Artikel zu Frank-Jürgen Weise (https://de.wikipedia.org)
Internetauftritt der Bundesagentur für Arbeit (https://www.arbeitsagentur.de)

 

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