Karl Kröner zum 125. Geburtstag

Gedenkausstellung in der Radebeuler Stadtgalerie

In der Niederlößnitz, wo sich die Paradiesstraße am Fuße der sonnigen Weinhänge zu einem romantischen Weg verengt, befindet sich der Grundhof. Betritt man das Grundstück durch die kleine hölzerne Eingangspforte, bietet sich der Anblick eines weitläufigen Areals, das in glücklicher Symbiose Natur und Architektur aufs Paradiesischste vereint. An diesem idyllischen Ort wohnte von 1914 bis zu seinem Tode im Jahre 1972 der Maler Karl Kröner. In der Kunstheftreihe „Maler und Werk“ schreibt Angelo Walther: „…es ist kaum vorstellbar, dass seine Kunst von einem anderen Punkte aus den gleichen Weg genommen hätte.“

Karl Kröner und Paul Wilhelm mit Gattin Hugo Erfurths und deren Tochter

Turmhaus im Grundhof, vor dem Dachstuhlbrand

Doch wie so viele Künstler, die sich hier ansiedelten, war auch Kröner nicht in die Lößnitz hineingeboren, sondern hineingewachsen. Als sechstes Kind eines Kaufmanns erblickte er am 7. April 1887 im erzgebirgischen Zschopau das Licht der Welt. Die sächsische Industriestadt bot ihm nur wenige Möglichkeiten. So erlernte er den Beruf eines Textilmusterzeichners, bildete sich von 1904 bis 1908 an der Dresdner Kunstgewerbeschule weiter und arbeitete anschließend zwei Jahre in Chemnitz im erlernten Beruf. Ab 1910 nahm er an der Kunstakademie in Dresden ein Studium auf, welches er als Meisterschüler bei Eugen Bracht (1842-1921) und Gotthardt Kuehl (1850-1915) beendete. Der Kunsthistoriker Fritz Löffler schreibt „Der noble Bracht stand ihm näher als Kuehl, denn die Kompositionsweise in den Landschaften Brachts war seinem Temperament gemäßer als der in Formfragen sorglosere Impressionismus Kuehls.“ In Dresden lernte Karl Kröner den aus Greiz stammenden Paul Wilhelm (1886-1965) kennen. Als Studenten reisten beide an die holländische Küste nach Katwijk, zwar jeder für sich allein, doch wieder von dort zurück, unterhielten sich die Freunde nächtelang. Vier Jahrzehnte später erinnert sich Karl Kröner 1948 in seiner Ansprache zur Eröffnung einer Paul-Wilhelm-Ausstellung an jene Jahre ihrer Jugend: „Uns erschütterte alles, was mit Kunst zusammenhing – wir lasen bis tief in die Nacht – wir schliefen lang – umso besessener malten wir dann und schliefen nicht, vergaßen zu essen. Wir waren immer in Spannung: Leben gleich Kunst!“

Karl Kröner: Turmhaus im Grundhof mit Pavillon, 1920

Nach einer kurzen impressionistischen Phase gelangte Kröner schon bald zu einem festeren Bildaufbau. Besondere Anregung empfing er 1912 durch die auf der Kölner Sonderbundausstellung gezeigten Werke von Cézanne und den „neuesten Modernen“. Reisen nach Italien und Südfrankreich sollten ihn in seinen gewonnenen Erkenntnissen bestärken. Auch seine spätere Wahlheimat, die Lößnitz, bot für den Künstler zu allen Jahreszeiten eine Fülle darstellenswerter Motive. Dabei ging es ihm nicht um die topographisch genaue Abbildung der Landschaft, sondern um formgebundene Natur, die für ihn formgebend wurde. Bestand in den Anfangsjahren zwischen Kröner und Wilhelm noch große künstlerische Übereinstimmung, verfolgte später jeder seinen eigenen Weg.

Karl Kröner: Hochsommertag in Seußlitz, 1946

Das Karl Kröner schließlich in der Lößnitz sesshaft wurde, verdankte er dem traurigen Umstand, dass der Maler Wilhelm Claus (1882-1914) während einer Studienreise plötzlich in Paris verstarb und Kröner sein Atelier im Turmhaus des Grundhofes übernehmen konnte. Doch schon wenige Monate später brach der erste Weltkrieg aus und Kröner musste an die Front. Als er 1920 aus französischer Gefangenschaft heimkehrte, ist nichts mehr wie es vorher war. In seinen Erinnerungen äußert er sich hierüber jedoch sehr aufgeschlossen “Mit der Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse brach auch eine neue künstlerische Freiheit auf: Kokoschka – Nolde – Munch waren die neuen Leitsterne.“ Welchen Einfluss diese Kunstströmungen auf Kröners Schaffen hatten, lässt sich heute nur noch schwer herausfinden, da ein Brand im Dachgeschoss des Turmhauses 1944 einen Großteil seines Frühwerkes vernichtete.

Karl Kröner: Blühende Kastanien am Weinberg, 1959

Unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges engagierte sich Kröner aktiv für die Neuorganisation des Kulturlebens in Dresden und Radebeul. Er stellte sich nicht in die „Abwarte-Ecke“ und trug in einem Kreis von Gleichgesinnten zur Förderung von Kunst und Künstlern bei. Bereits im Juli 1945 konnte in Radebeul im „Haus der Kunst“ (heute Dr.-Rudolf-Friedrichs-Straße 25) eine erste Kunstausstellung eröffnet werden, an der sich 22 Künstler der Lößnitz beteiligten. Auch wirkte Kröner, der als ein exzellenter Ausstellungsgestalter galt, 1946 in der Jury der Ersten Allgemeinen Deutschen Kunstausstellung in Dresden mit.

Karl Kröner verstand es, sich sowohl in Bildern als auch in Worten auszudrücken. Er galt als fleißiger Briefeschreiber und korrespondierte u.a. mit Kurt Schwitters (1887-1948), Otto Dix (1891-1969), Karl Schmidt-Rottluff (1884-1976), Hans Jüchser (1894-1977) und Herrmann Glöckner (1889-1987). In seinem Nachlass befinden sich Manuskripte, in denen er sich über Künstler, Kunst, Kultur und Landschaft äußert. Auch im Kulturspiegel „Die Vorschau“, dem Vorläufer des kulturellen Monatsheftes „Vorschau und Rückblick“, wurden Beiträge von ihm veröffentlicht. Trotz aller Strenge hatte Kröner eine herzliche Ausstrahlung. Bei „Pünktlichkeitsverstößen“ konnte er jedoch sehr intolerant sein. Er galt als gesellig, belesen und musikinteressiert. Die Wohnung des Junggesellen wirkte nahezu museal. Jeder Gegenstand hatte seinen bestimmten Platz. Ein von Kröner selbstgepflanzter Apfelbaum, ein selbstbemalter Bauernschrank und ein selbstentworfener Küchenschrank haben sich bis heute erhalten. Als Kröner 1972 für seine Ausstellung im Köpenicker Pädagogenklub einen jungen Künstler als Pendant benennen durfte, fiel seine Wahl auf den Radebeuler Maler und Grafiker Gunter Herrmann. Was für den einen zum hoffnungsvollen Anfang werden sollte, war für den anderen die unwiederbringlich letzte Ausstellung. Noch im gleichen Jahr, am 3. Oktober, verstarb Karl Kröner. Gunter Herrmann konnte Wohnung und Atelier übernehmen. So ist es diesem glücklichen Umstand wohl auch zu verdanken, dass der krönersche Geist bis heute in den Räumen des ehemaligen Turmhauses zu spüren ist.

Karl Kröner und Gunter Herrmann Foto: Christiane Herrmann

Die Gedenkausstellung in der Radebeuler Stadtgalerie anlässlich des 125. Geburtstages von Karl Kröner bietet einen kleinen Ausschnitt seines künstlerischen Schaffens. Gezeigt werden Werke aus dem Bestand der Städtischen Kunstsammlung Radebeul sowie Leihgaben der Städtischen Sammlungen Freital, der Städtischen Galerie Dresden, des Staatsbetriebes Sachsenforst und des Sächsischen Weinbaumuseums Hoflößnitz. Vor allem den privaten Leihgebern ist es zu danken, dass neben Bekanntem auch Überraschendes geboten werden kann. Die zeitliche Distanz verdeutlicht den künstlerischen Stellenwert.

Die räumliche Begrenztheit der Galerie erforderte eine Schwerpunktsetzung. So dominieren Motive vom Grundhof und der näheren Umgebung. Ergänzt wird die Präsentation durch Werke verschiedener Schaffensabschnitte. Der zeitliche Bogen ist von 1912 bis 1970 gespannt. Zu sehen sind sehr frühe Arbeiten wie das Gemälde „Dünen von Katwijk“ (1912), die Kohlezeichnung „Sedan“ (1917), das bisher völlig unbekannte Pastell „Gärtnerei“ (1918) sowie das auf Wesentliches konzentrierte Gemälde „Lilie“ (1926). Die kleinformatigen Kaltnadelradierungen aus den 20er Jahren kontrastieren von pittoresker Verspieltheit bis zu reduzierter Strenge. Gezeigt werden einige Italien-Aquarelle aus den 20er und 50er Jahren. Besonders hervorhebenswert ist das kleine expressive Gemälde „Grundhof im Sommer“ (1930?) mit einem für Kröner ungewohnt pastosem Farbauftrag. Eine Allegorie auf Natur und Kultur, Schönheit und Vergänglichkeit stellt das Stillleben „Barocke Dinge“ (1948) dar. Der Vergleich zwischen den Gemälden „Grundhof im ersten Grün“ (1940), „Hochsommertag in Seußlitz“ (1946), „Blühende Kastanien am Weinberg“ (1959), „Gärtnerei am Weinberg im Mai“ (1962) und „Grundhof im April“ (1970) macht deutlich, dass sich Kröners Handschrift auch in späteren Jahren durchaus mehreren Wandlungen unterzogen hat. Bildnisse und Akte sind nur in geringer Zahl entstanden. Beispielgebend sind drei dieser figürlichen Darstellungen ausgestellt. Aktuelle Ereignisse spiegeln sich in Kröners Schaffen kaum wieder. Zu den Ausnahmen gehören die Gemälde „Dresden in Trümmern“ (1946/47) und „Wiederaufbau des Zwingers“ (1950), welche unter dem Eindruck der Zerstörung Dresdens entstanden sind.

Karl Kröner galt bereits „seit langem als einer der Klassiker der jüngeren Dresdner Malerei“, als die Städtische Kunstsammlung Karl-Marx-Stadt 1968 einen ersten umfassenden Überblick von Kröners Schaffen zeigte. Danach wurde es wieder still um ihn. Nur gelegentlich fanden in großen Abständen kleinere Einzelausstellungen oder Ausstellungsbeteiligungen statt. „Da Karl Kröner den Museen der DDR aber wichtige Teile seines Bildschaffens hinterließ, steht zu hoffen, dass eher oder später sein nicht nur für Dresden wichtiges Schaffen in einer umfassenden Ausstellung seine Würdigung erfährt.“ Das schrieb Fritz Löffler vor 25 Jahren zu Kröners 100. Geburtstag. Doch bis jetzt existieren weder von Wilhelm noch von Kröner Kataloge, die das Lebenswerk beider Künstler in vollem Umfang nachvollziehbar werden lassen. Je mehr Zeit vergeht, desto unwahrscheinlicher wird es, dass die weit verstreuten in Privatbesitz befindlichen Werke für Reproduktionszwecke zur Verfügung stehen. Die großen Kunstinstitutionen haben sich bisher zurückgehalten, den kleinen Einrichtungen fehlt es hierfür an Personal und Geld. Der Stadt Radebeul vermachte Karl Kröner zahlreiche Gemälde als Ausdruck seiner Verbundenheit. Radebeul wiederum benannte 1998 eine Straße nach ihm.

Zum letzten Kapitel in der Biografie des Malers Karl Kröner schreibt der Schriftsteller Dieter Hoffmann „Im Tode verabschiedete sich Kröner von seiner geliebten Lößnitz und ließ sich in Loschwitz beerdigen; auf dem Künstlerfriedhof war eine Grabstelle neben der von Hegenbarth frei.“

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2 Kommentare

  1. Hörnig
    Veröffentlicht am Di, 13. Dez. 2016 um 23:15 | Permanenter Link

    Ich bin 1989 ausgereist und habe noch ein Bild von diesen Maler ! Ich würde dies gern verkaufen !
    Leben die Kinder noch ?
    Freundliche Grüße Ch. Hörnig

  2. Konrad Oeser
    Veröffentlicht am Mo, 27. Feb. 2017 um 17:45 | Permanenter Link

    Lieber Leser oder Leserin,
    es besteht Interesse an ihrem Bild. Leider sind Mails an die von ihnen angegebene Mailadresse nicht zustellbar. Bitte teilen sie uns eine gültige Mailadresse mit. Die Adresse wird nicht veröffentlicht.

    Mit freundlichen Grüßen
    Vorschau & Rückblick

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