Zum Titelbild Juni 2023

Radebeul in historischen Ansichten

Spitzhaus, Spitzhausstraße 36
Das Spitzhaus – Name kommt von der Form – wurde 1672 als Lusthaus für den Dresdner Tuchhändler P. F. Landsberger über dessen Weinberg errichtet. Spätere Besitzer waren J.G. von Wolfframsdorf. Gräfin Cosel und ab 1710 August der Starke. Durch den Vergleich des Spitzhauses mit der Moritzburger Schlosskapelle erhärtet sich die Zuschreibung des Entwurfs für Oberlandbaumeister Wolf Caspar von Klengel [163O-1691). Lange Zeit im Besitz der Wettiner stand das Wahrzeichen Radebeuls turmartig mit zweigeschossigem Massivbau (9,5›<9,5m), welscher Haube, achteckiger Laterne und Spitzhelm über Oberlößnitz. Die Reblauskatastrophe führte nach 1901 durch Anbau von zwei Flügelbauten zum Betrieb einer Gaststätte, die in den 20er Jahren noch eine große Veranda erhielt. 1997/98 wurde durch das Architekturbüro Kempe der Umbau und die Sanierung des Spitzhauses vorbereitet und durchgeführt. Der Stadt Radebeul ist es hier durch Wahrnehmung des Vorkaufsrechts gelungen, die Fortführung eines Gaststättenbetriebes in exponierter Lage, anders als später bei der Friedensburg, abzusichern.
Dietrich Lohse

Mit den Texten der brachialromantischen Hausapotheker Dieter Beckert und Jürgen B. Wolff durchs Jahr

Radebeuler Miniaturen

1623 – 2023: 400 Jahre Haus Möbius

VI: Haus und Handwerk

Bild: T. Gerlach

1784
nicht uns herr
nich uns herr
sondern deinen
nahmen gieb
ehre den deine
gnade und wahr
heit währet
ewiglich
G(auern)itz

Bild: T. Gerlach

Wie ich mit einer neuen Flasche aus dem Gewölbekeller komme, sitzt Ulrike vorgebeugt auf ihrem Stuhl. Ganz sacht fährt sie mit der Hand über die schorfige Oberfläche eines Biberschwanz-Dachziegels. Nicht uns herr, buchstabiert sie, nich uns herr – komisch, das steht zweimal hier …

Es ist ein „Feierabendziegel“. Damals wurden die Ziegel ja noch manuell gefertigt. Jeder einzelne wurde mit einem Handstrich in die Ewigkeit entlassen. Und allmal zum Feierabend wurde einer – der letzte der Schicht – besonders verziert: mit einem Spruch versehen, einer Zeichnung oder einem Segenswunsch.

Es gab mehrere derartige Exemplare auf unserem Dach. Herr Alfred Möbius, der sehr verdienstvolle damalige Besitzer, hat sie gerettet, als er das Dach 1961 neu decken lassen mußte. So wissen wir auch, daß die Ziegel aus Gauernitz kommen – es steht drauf.

Heute weiß in Gauernitz kaum noch jemand etwas von einer Ziegelei, auch wenn in der ein oder anderen Sammlung (und vielleicht gar unentdeckt auf diversen Dachböden oder gar verfallenden Scheunendächern) noch einzelne solcher Ziegel verborgen sind. Nach Ausweis alter Karten (hier danke ich Herrn Manfried Eisbein, Scharfenberg, der mir die Informationen vermittelte) ist vor 1900 eine Ziegelei in der Aue überliefert – aus Sicherheitsgründen weit abgelegen von jeglicher anderen Bebauung. Heute erinnert nur noch ein Straßenname an das einstige Gewerbe.

Nun kann die Fantasie Wellen schlagen und sich ausmalen, wie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Fuhrwerk um Fuhrwerk die Elbe entlang nach Cossebaude zieht, dort über die Elbe setzt und über die alte Viehtriebe die Hausgasse erreicht. Vielleicht sind sie auch gleich nach Kötitz hin übergesetzt, um dann über Coswig den Weg zu nehmen. Möglicherweise aber wurde die Ladung sogar auf Lastkähnen von singenden Bomätschern nach Kötzschenbroda gezogen und dort erst verladen – wer weiß noch um den Schiffsverkehr zu damaliger Zeit?

Wir dünken uns heute so klug mit unsern künstlichen Intelligenzen (die plötzlich wie weggeblasen sind, wenn der Strom ausfällt, weil wir vergessen haben, die natürliche zu entwickeln), und haben darüber den Anschluß ans Leben verloren, das auch hier einmal grünte und blühte.

Ja, es war beschwerlich, dieses Leben, aber es wurde Wein gebaut und getrunken und ein 1784 gedecktes Dach bot bis 1961 Schutz, also 177 Jahre! Die danach aufgebrachten Industrieziegel hielten mal eben reichlich dreißig Jahre.

„Nach diesem notwendigen Vermerke
Fahren wir fort im löblichen Werke …“

Er hat also ein vollendetes Haus hinterlassen, der Kaufmann Gerber aus Dresden, mehr ist über ihn nicht bekannt, doch auch das ist schon viel. (Die Abbildung zeigt eine Zeichnung von 1911 des sehr verdienstvollen Heimatkundlers Hellmuth Sparbert, der damals schon mit Fotoapparat und Zeichenstift die Schätze der Lößnitz dokumentierte. Wir bekamen die Ablichtung vor Jahren von einem Freund – es ist m.W. eine der ältesten Abbildungen des Anwesens.)

1824 werden ein C.T.Rentsch genannt und eine Frau Dr. Güntz aus Dresden.

Im Jahr 1832 erwarb Johann David Götze das Anwesen für damals 1250 Thaler.

Ich gebe zu, ich habe nicht Numismatik studiert und bin auch an Banken oder Kursen kaum interessiert. Auch habe ich nie mit gekrümmten Fingern über der Kassette gehockt – immerhin weiß ich, daß das, was uns die Finanzwelt als „Wertsteigerung“ verkauft, nichts als Teuerung ist. Spekulanten ziehen aus der kurzen Phase zwischen „noch billig“ und „schon teuer“ fette Gewinne. Das hat zwar mit „Leistung“ nichts zu tun, es lohnt sich aber – und ist doch nichts weiter als Betrug …

„Nach diesem notwendigen Vermerke …“
Fülle ich die Gläser bis zum Rand …

Thomas Gerlach

Ein gedeckter Tisch

Was für ein beglückender Anblick kann das sein, ein reichhaltig gedeckter Tisch mit Blumen geschmückt, mit feinen Speisen, frischem Obst, delikatem Gemüse und duftendem Brot beladen?

Zuerst essen die Augen, dann möchte man zugreifen. Wo denn gleich zuerst?

Und das gibt es auch dem Namen nach, ein bereiteter Tisch, im Jüdischen, der Schulchan Aruch. Auch ein großes Angebot aus dem wir wählen können, aber ein Tisch mit spiritueller Kost, mit einem Kompendium von Ritualgesetzen aus vergangenen, fernen Jahrhunderten. Auch schwer, hier auszuwählen, was einem bekömmlich sein könnte.

Neben ungezählt anderen, bestimmt auch nennenswerten gibt es noch einen Tisch, der ist ganz gegenständlich und von eichenholzlüsternem Gewürm an seinen Rändern zernagt. Der steht in einer Apsis, das ist hier ein kleiner halbrunder Raum in der Radebeuler Friedenskirche. Helles Licht flutet zu ihm herein, lässt ihn erstrahlen, auch im Licht seiner Betrachter. Gegenüber im hohen Chor bricht sich Sonnenlicht im farbigen Glas wirklich schöner Kirchenfenster und setzt einen unbeabsichtigten, herrlichen Kontrast in dieses Gotteshaus.

Erste Schritte zum Frieden waren vermutlich am „Radebeuler Friedenstisch“ gemacht worden. Die führten kurze Jahre später zum „Westfälischen Frieden“, der den „Dreißigjährigen Krieg“ beendete. Aber das kennen wir ja schon aus der Schule.

Und neue Tische warten buchstäblich darauf gedeckt zu werden. Nur wo? Sie ahnen es bereits, es geht wieder um das derzeit verschlafene Lößnitzbad am westlichen Rand von Radebeul.

Von öffentlicher Hand ist wohl leider kein Geld zu erwarten. Also müssen wir kleinen Leute in Eigeninitiative ran!

In den letzten Jahren drohte wegen der Blaualgenbildung bei hohen Temperaturen immer wieder Badeverbot! Das wollen wir gerade nicht. Und so muss das „Lößi“ also umweltgerecht rekultiviert werden.

Aber wie kann das gehen? Zunächst müsste das einmal auf breiter Basis erörtert werden, insbesondere mit Umweltfachleuten.

Ein erster Schritt könnte die Wiederbelebung der Gaststätte am Lößnitzbad-Eingang mit der dort schon wohlbekannten„Leibspeiserei“sein. Der Wirt hat bereits ein passables Konzept entwickelt.

Ganz zum Schluss könnte das kleine Paradies mit noch etwas Besonderem bereichert werden: durch das Aufstellen von mindestens zwei behindertengerechten Wohncontainern, um für Familien mit hilfsbedürftigen Kindern einen Urlaubsort zu schaffen. Einzelfallhelfer müssten die Kinder betreuen, damit auch die Eltern mal ein bisschen Erholung fänden.

Das sind zunächst alles noch Luftschlösser. Doch erste Schritte sind bereits getan. Einige wichtige Gespräche wurden geführt und dabei bin ich auf eine außerordentliche Gutwilligkeit gestoßen. Es wird darüber regelmäßig berichtet.

Jetzt sind Sie, liebe Radebeulerinnen und Radebeuler dran. Was könnten Sie zu unserer Idee beitragen?

Chaijm Grosser

Statt einer Glosse

Stadtgesellschaft…?

Eigentlich hatte der Verein Vorschau & Rückblick festgelegt, dass sich das kulturelle Monatsheft mit seinen Beiträgen aus der „großen Politik“ heraushalten sollte. Aber wie macht man das? Und was ist unter „großer Politik“ zu verstehen? Wenn die „große Politik“ sich in kriegerische Auseinandersetzungen anderer Staaten einmischt oder wenn die Spritpreise und die Mieten davonrennen, trifft das auch die „kleinen Leute“. Und wenn in der Radebeuler Bahnhofstraße nach der Sanierung nur noch zwei Behindertenparkplätze übrigbleiben, trifft es besonders die Alten und die Händler.

Kann man sich denn überhaupt aus der Politik heraushalten, bei einer Entwicklung, die immer mehr an den Menschen vorbeigeht? Eine Mehrheit der bundesdeutschen Gesellschaft, zu der auch ich gehörte, hatte damals den Einsatz von deutschen Soldaten in Afghanistan abgelehnt. Doch die „große Politik“ scherte sich einen Dreck darum. Will man nichts aus der Geschichte lernen oder welche Interessen werden da eigentlich vertreten, wenn nicht die des Volkes, wie man es von einer Demokratie erwarten müsste?

Für eine „kleine Stadt“ ist „große Politik“ schon, wenn ein Schulgebäude saniert wird oder sich außerplanmäßig ein kleines Unternehmen ansiedelt. Das interessiert die Leute oder wie man heute sagt, die Stadtgesellschaft. Auch wenn der Begriff für manch einen erst seit circa zwanzig Jahre geläufig ist, findet er schon lange in der Geschichtsforschung Anwendung, um Städte ab dem Mittelalter genauer beschreiben und erfassen zu können. Auch wenn keine allgemeine Definition für den Begriff „Stadt“ existiert, nimmt die Verstädterung besonders seit der Industrialisierung enorm zu. So umfasste Radebeul mit allen Ursprungsgemeinden 1849 gerade mal 5.195 Einwohner und ist gut 100 Jahre später mit über 44.000 auf den bisher höchsten Stand angestiegen!

Heute leben gut 85 Prozent der Bundesbürger in urbanen Räumen. Diese gewaltige Verschiebung vom Land in die Stadt veränderte die Lebenswelten der Menschen sowie die Produktionsweisen für die benötigten Güter und brachte natürlich auch vielfältige Probleme mit sich, von der Globalisierung zusätzlich befeuert. Die Städte werden größer, die Wohnungsnot steigt rapide, die Versiegelung großer Flächen nimmt zu. Der Natur wird mehr entnommen, als sie „geben“ kann. Wir leben auch hier in Radebeul schon lange auf Pump!

Nun mag der ökologische Fußabdruck von Radebeul gegenüber Städten mit geschlossener Bebauung eventuell noch günstig ausfallen. Aber Genaues weiß man nicht. Zwar wurde im Kommunalen Energie- und Klimaschutzkonzept von 2014 die „Aufstellung einer fortschreibbaren Energie- und CO2-Bilanz“ für Radebeul festgelegte und müsste eigentlich auch vorliegen, doch auf der Homepage der Stadtverwaltung konnte ich sie leider nicht finden. Die Maßnahmen im Bereich Umwelt, Energie und Klimaschutz nehmen sich im INSEK 2015 freilich reichlich bescheiden aus. Die Festlegungen im Energie- und Klimaschutzkonzept von 2014 beziehen sich gar in der Hauptsache nur auf die städtischen Immobilien. Der Energieverbrauch in Radebeul ist zwar seit 1990 stark gesunken, aber seit 2005 wieder angestiegen. Er hat sich weg von der Braun- und Steinkohle, hin zu anderen fossilen Energieträgern bewegt. Demzufolge verschlechterte sich auch die CO2-Bilanz seit 2005 wieder. Sonnenkollektoren und Umweltwärme spielen hierbei verständlicherweise eine zu vernachlässigende Größe.

Schon seit Jahren „frisst“ sich die mit ockerfarbigen Betonsteinen „gepflasterte, sächsische  Wegedecke“ immer mehr durch unseren Ort. In der Bundesrepublik sind 45 Prozent der Siedlungs- und Verkehrsflächen versiegelt! Der tägliche Zuwachs beträgt 30 Hektar. Jährlich wird somit eine Fläche von Radebeul viermal versiegelt! Die Erhaltung der Fußwege mit Sandbelag sollte deshalb Vorrang haben, da Ausgleichsflächen für Neuversiegelungen z. B. für den Villenpark (ehemals Glasinvest) kaum vorhanden sind.
 
Nicht nur die Stadt, sondern auch ihre Bürger haben sich in den letzten 20 Jahren verändert. Sie nehmen nicht mehr alles so ohne weiteres hin, was in der Stadt geschieht. Allein seit 2016 wurden zehn Petitionen gestartet, davon drei zu städtebaulichen Problemen. Die Bürger wollen gefragt werden, wenn es um „ihre Stadt“ geht, schließlich leben sie in ihr und wollen sich in ihr wohlfühlen. Aber auch sie müssen begreifen, dass es nicht so weiter gehen kann, wie bisher, wie auch die Politik und die Stadtverwaltung  nicht mehr ohne Einbeziehung der Bürger, der Stadtgesellschaft, agieren sollte. Zunehmend setzt sich die Partizipation der Bürger in der Kommunalpolitik durch, geht es doch auch um die Stärkung der Demokratie in der Gesellschaft. Was ist eigentlich im Bildungs-, Kultur- und Sozialausschuss des Radebeuler Stadtrats so „geheim“, dass 45 Prozent der Tagesordnungspunkte im letzten Jahr nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit beraten werden konnten?

Die sogenannten Verfassungsstädte Frankfurt am Main, Weimar und Bonn haben sich im Mai zu einem Netzwerk zur Unterstützung von Forschungs- und Vermittlungsarbeit vereint, um „Lehren aus der Vergangenheit für die Gestaltung der Zukunft nutzbar zu machen“. Ein Vorhaben, welches auch Radebeul gut zu Gesicht stehen würde, meint

Euer Motzi

Die Emmett-Technik – sanfte, schnelle Hilfe bei Schmerzen und Verspannungen

Verspannungen, Schmerzen und eingeschränkte Beweglichkeit rauben uns Vitalität und Lebensfreude. Es gibt viele hilfreiche Maßnahmen, doch die meisten führen erst nach längerer Anwendung oder Übung zum Erfolg. Eine sofort wirksame Therapie ist die Emmett-Technik. Mit leichtem Fingerdruck auf die betroffenen Körperteile wird eine Entspannung der Muskeln und Organe angeregt, welche sofort spürbar ist. Die Methode ist hilfreich bei der Lösung von Rücken-, Nacken- und Kopfschmerzen, bei der Regulierung von Verdauung und Atmung, beim Lösen von seelischen und körperlichen Blockaden und vielem mehr.

Eine möglichst schnelle und effektive Erleichterung von Beschwerden war das große Anliegen des Begründers dieser Methode, Ross Emmett. Fast sein ganzes Leben widmete der Australier der Körpertherapie, die er schon als Kind an Tieren erprobte. Deren Reaktion auf bestimmte Berührungen waren so unmittelbar und eindeutig, dass Ross Emmett hier die ersten Impulse für die Entwicklung seiner Zwei-Finger-Technik bekam. Sein körpertherapeutisches Wissen erweiterte er als Amateur-Boxer, Tierpfleger und Gefängniswärter, und während seines 16-jährigen Aufenthalts in einem Bergbaugebiet im australischen Outback – überall dort, wo körperliche und seelische Beschwerden allgegenwärtig waren, und therapeutische Angebote begrenzt.

Die Emmett-Therapie besteht aus genau definierten Griffen, die eine schonende Lösung von verspannten Muskelgruppen ermöglichen. Ein sanfter zielgerichteter Druck von 2 Fingern auf spezielle Punkte der Haut führt zur Entspannung des gesamten Körpers und aktiviert seine Selbstheilungskräfte. Über die Faszien bekommt auch tiefer liegendes Gewebe direkte Impulse. Das Nervensystem leitet sie an das Gehirn weiter, welches korrigierende Informationen an die betroffene Körperregion zurücksendet. So wird der Körper angeregt, sich selbst ins Gleichgewicht zu bringen.

Durch die sanfte Aktivierung der Emmett-Punkte werden nicht nur die Muskeln entspannt, sondern auch die Selbstregulierung physiologischer Körperfunktionen wird angeregt. So führt zum Beispiel der sogenannte Rescue-Griff zur Senkung des Blutdrucks und zur Optimierung der Atmung. Die Entspannung und Ausrichtung auf körperlicher Ebene wirken sich auch auf die Psyche aus; ein Gefühl von seelischer und geistiger Ausgeglichenheit und tiefer Entspannung stellt sich ein.

Das Resultat einer Emmett-Behandlung ist meist sofort mit einer positiven körperlichen Veränderung spürbar. Die Methode ist geeignet für Menschen allen Alters und wird auch sehr erfolgreich an Tieren – insbesondere an Pferden und Hunden – angewendet.

Uta Hummitzsch

Buchlesung am Montag

„Wege im Schatten der Kakaobäume“ von Ina Vogt

Es fehlte nichts.

Zartes Maigrün entfaltete sich auf den Weinberge am Fuße der Bosel und in den Treibhäusern leuchteten die frischen Balkon- und Gartenblüten in den schönsten Farben. Hier erlebten wir gestern eine freundschaftlich verbundene Gemeinschaft, Augenblicke des Verstehens, aber weltvergessen dürften wir diese Stunden nicht nennen, eher mit wachem Verstand, offen und bereit, Informationen über die weit entlegene Inselwelt in Sao Tomé und Príncipe aufzusaugen.

An diesem besonderen Abend gestern ohne die übliche Bewegung kamen sie in die Gärtnerei Damme, ein Bildschirm war an den Laptop mit den alten Fotos angeschlossen und zwischen den Töpfen und Vasen voller fremdartiger Blüten und Pflanzen tauchten die alten Dias auf, die 30 Jahre im Verborgenen geschlummert hatten. In dem schönen Ambiente trafen sich die Sportlerinnen, die sonst montags Gymnastik treiben. Das wöchentliche Fitnessprogramm findet unter der kompetenten, freiwilligen und unbezahlten Anleitung von Andrea statt, seit vielen Jahren treffen sie sich 20.00 Uhr in der Brockwitzer Turnhalle, alle Frauen sind eingeladen. Das zeichnet die Gruppe aus, die Vielfalt der Berufe, der unterschiedlichen Lebensart und doch das gegenseitige Verständnis für den Alltag.
Und nun hatten sich alle in der Gärtnerei verabredet, außergewöhnlich und herzerfrischend. Es war völlig verständlich, zu beobachten, wie anfangs alle stehend durcheinander redeten. Gerade dieser kleine Austausch pflegt das Zusammenleben und es sind die nicht unwichtigen Gespräch über das Leben, die Geburten von Enkelkindern, die Freude, sie wachsen zu sehen und die Sorge um deren und die eigene Gesundheit zu teilen. Jemand ließ uns darauf anstoßen, nach einem erfüllten Arbeitsleben endlich das Rentenalter erreicht zu haben, vorzeitig?

Doch das Geplapper dauerte kurze zehn Minuten und nach dem ersten Tropfen Wein im Glas versammelten wir uns voller Erwartung auf die Vorstellung meines Buches „Wege im Schatten der Kakaobäume“, welches 2022 erschienen ist. Ich konnte es in den Gesichtern der „Sportmädels“ erkennen, dass sie viele Fragen über unsere damalige Zeit 1986 bis 1989 hatten, die sicher an diesem Abend gestillt werden würden. Gleich zu Beginn stellte jemand die Frage, warum es so lange gedauert hatte, bis ich mein Buch geschrieben hatte. Es macht mir Freude, mich an die Zeit vor 30 Jahren zu erinnern, als ich an der Seite meines Ehemanns jung, voller Ideale und rückblickend hübsch auf der hier fast unbekannten Insel Sao Tomé lebte.

Aus der Erinnerungen berichte ich zunächst mit meiner nicht verblasster Bewunderung über die herrliche tropische Vegetation, die in den Gärten reich blühenden Hibiskushecken, dicht aufragende Palmen, Bananenstauden mit Webervogelnestern und Schmetterlinge. Die Fragen voller Interesse drehten sich jedoch um unser Leben dort: „Was habt ihr gearbeitet? Wie seid ihr dorthin gekommen? Wie hast Du die Sprache gelernt? Wie lebten die Menschen? Warum war das Land so arm? Was hast Du jeden Tag gekocht? Wie wurde Weihnachten gefeiert? Gingen Eure Kinder zur Schule?“

Gemeinsam mit meinem Ehemann beantworteten wir ehrlich die Fragen: „Wir waren dort, um Lehrlinge auszubilden, Maurer und eine Schule zu bauen. Es war eine wichtige, friedliche Tätigkeit einer Jugendbrigade, die „Freundschaftsbrigade“ hieß. In unserer Freizeit beschäftigten wir uns auch mit den santomensischen Kindern in deren Freizeit. Wir berichteten über den Kakao und dessen niedrigen Weltmarktpreise, das Gesundheitssystem, die andauernde Armut in der ehemaligen portugiesischen Kolonie. Natürlich hatten wir dort Freizeit, herrliche Strände, Ausflüge und ausländische Freunde hatten wir auch gefunden, kubanische, russische, zu denen wir bis heute Kontakt haben. Ein Grund war, dass wir keine Kontakte zu „nichtsozialistischen“ Ländern haben durften, uns an die Regeln halten mussten. Uli las aus dem Buch auszugweise vor und schließlich erzählte er auch von der Tierwelt, dem riesigen Rochen, Krabben, Vögeln. Flughunden usw. Abends im Bett fiel mir ein, dass er vergessen hatte, von den Ziegen zu erzählen, die geschickt auf dem Zaun balancierende gern die Knospen an der Hibiskus-Hecke abknabberten.

Die Krönung des Abends war der Sturm auf unser Buffet, zu dem jeder hatte etwas beigesteuert.

Wir kamen zurück auf die Frage, warum ich erst jetzt das Buch geschrieben hatte. Diese sehr persönliche Frage zu beantworten war nicht leicht. Ein Grund war, dass 1990 zur Wende bereits die Verlage die Qualität der Fotos bemängelten, denn wir hatten alles mit einer guten Kamera, einer Practica MTL 3 auf ORWO-Filmen festgehhalten. Die Qualität der Farben genügte den gehobenen Anforderungen nicht. Also verließ ich die Verlage der Buchmesse unverrichteter Dinge und legte mein Projekt auf Eis. Auch ich hatten mit der Wende einen neuen Lebensweg eingeschlagen, studierte, hatte während dessen ein zweites Kind bekommen und bin nach dem 2. Staatsexamen in das Berufsleben eingetreten. Nachdem die ersten Gehälter zuverlässig gezahlt wurden, konnte ich Anfang des neuen Jahrtausends forschen, wer die Inseln entdeckte, ob sie bewohnt waren usw.

Zeit zum Schreiben hatte ich nicht mehr, bis ich erkrankte. Als ich aus unserer Holztruhe, die den Duft des tropischen Holzes nicht verloren hatte, öffnete, die Muscheln in die Hand nahm und allerlei Dinge fand, die viele Jahre unberührt darin lagerten, erwachte in mir die Lust, jetzt alles aufzuschreiben. Als ich im Sommer 2021 das erste Buch in den Händen hielt, freute ich mich sehr. Ich rekapitulierte die Kapitel, dabei weckte ich alle guten und schwierigen Erinnerungen. Das Erlebte erzählt von der Inselwelt, den Menschen, der reichen Vegetation, dem feuchten Klima, den zerklüfteten Hängen der Vulkaninsel, den Kakaobauern, den Fischerbooten und Stränden. Ich traf begeistert auf scheinbar unberührte Natur ohne die Zerstörung der Industrie, aber auch Menschen in Armut und voller Krankheiten. Schließlich kam ich nicht umhin, über die portugiesische Kolonialzeit nachzuforschen, die Geschichte seit der Entdeckung 1470 aufzunehmen und zu hinterfragen, was davor hier passiert war. War die Insel wirklich unbewohnt, als sie von den Seefahrern der Neuzeit entdeckt wurde?

Es war ein gutes Gefühl, nach so langer Zeit noch zu erzählen, auch mitzuteilen, was wir geleistet haben, um diesem Land etwas Verbesserung zu bringen und einen kleinen Beitrag für Freundschaft, Lachen und Frieden in der Welt getan zu haben.

Von Herzen danke ich Jeannette Damme, die diesen besonderen Vortrag in ihrer Gärtnerei ermöglichte.

Ina Vogt

Und wenn ich Sie neugierig gemacht habe, können Sie gern bei mir nachfragen. Die Kontaktdaten gibt Ihnen gern die Redaktion.

Wie bunt ist Coswig wirklich?

Spaziergang mit Carl Romer durch die Große Kreisstadt Coswig

Teil 3

Bild: I. Rau

Dieser Gartenbesuch strengte unseren betagten Herrn Romer doch sehr an, aber sein Kopf war voll von neuen Ideen, die er künftig seinen Coswigern mit auf den Weg geben wollte. Er bat mich, doch auf unserem weiteren Weg auf einen fahrbaren Untersatz zurückzugreifen. Ich ahnte schon, dass er jetzt auf eine weitere Coswiger Persönlichkeit und seinen Wegbereiter hinweisen wollte, nämlich Herrn Emil Hermann Nacke(1843-1933), den grandiosen Ingenieur und Entwickler des ersten sächsischen Automobils namens“Coswiga”, das sogar vom sächsischen Königshaus angeschafft wurde. “Lieber Herr Romer, unser Museum hat dazu in seiner Sonderausstellung auch an Herrn Emil Nacke gedacht und Frau Hamann widmete sich als Mitautorin des Buches Emil Hermann Nacke Sachsens erster Automobilbauer /1/ ausführlich seinem Wirken. Und nicht zu vergessen, in unserem Stadtarchiv gibt es über ihn viel zu lesen”. An unsere Umwelt denkend und um seine Fitness weiter zu fördern, schlug ich aber vor, dass wir uns erst einmal in einen Park setzen und uns dabei mit einem Coswiger Obstsaft aus dem Betrieb Görnitz oder von der Mosterei Sell erfrischen, oder wir gönnen uns einen Rebensaft, der ja angeblich die Geister erfrischt. Übrigens erwähnte Herr Romer beim Thema Wein, dass Herr Nacke an seinem Wohnhaus an der Ecke Johannisbergstr./Mittlere Bergstr. in Radebeul/2/ selbst einen Weinberg anlegte, der angeblich von der Reblaus verschont wurde. “Wie sieht es heute mit dem Weinbau in Coswig aus?” Ich schenkte ihm einen zufällig dabei habenden Schoppen eines Coswiger Winzers ein. Zur Auswahl hat man hier Weine der Weingüter Schuh, Matyas oder Henke. Mit ihrem fleißigen Wirken sorgen sie damit für den Erhalt der Kulturlandschaft unserer Stadt an der Sächsischen Weinstraße. Diese Worte oder vielleicht der Wein, denn bei dem einen Schöppchen blieb es nicht, röteten seine Wangen und frischten auch seinen Geist wieder auf, also verzichteten wir auf eine Mobilkutsche und zogen gemeinsam weiter.

Bild: I. Rau

Nebenbei berichtete ich ihm auch über die Landwirtschaft im Allgemeinen und die Coswiger Landwirte und Gärtner. Dabei schüttelte er sein greises Haupt sehr, als er von den Auflagen für die Landwirte und die einengende Agrarreform der Europäischen Union hörte. “Hut ab vor den Landwirten, die es trotzdem auf sich nehmen, für unser alltäglich Brot zu ackern” meinte er. Da musste ich dann wieder ärgerlich erwidern, dass sich viele Bürger aber dessen nicht bewusst sind. Selbst Kommunen entziehen den Bauern Land, um Raum für neues Wohnen zu schaffen oder um ihre Gewerbegebiete zu erweitern und damit wertvolles Land zu versiegeln.”Meinen Sie damit zufällig auch die Kötitzer Gärten”, wollte er von mir wissen,”oder haben sie was gegen Gärten?” “Im Gegenteil”, meinte ich, “ich finde es nur eigenartig, dass man nun sogar Wohngebiete als Gärten bezeichnet, denn bis auf wenige Quadratkilometer kann man dort kaum Gärten anlegen. Und wenn es ganz schlimm kommt, dann machen Eigentümer an anderen Stellen in Coswig aus ihrem Garten eine Stein- oder Geröllwüste”. “Was ist denn das nun wieder?”, griff er mir in die Seite, “Gärten sind doch für Blumen und Gemüse da!” “Das war wohl in ihrer Zeit so”, heute geben manche Bürger den Bienen und anderen Insekten keinen Raum mehr, sich zu tummeln!”. “Aber da muss man doch als Kommune was dagegen tun”, erwiderte er verärgert. “Zu meiner Zeit im Stadtrat haben wir so etwas nicht zugelassen”! Na ja, erwähnte ich kleinlaut, auch unser Stadtrat hatte nicht den Mut, einen Satzungsbeschluss herbeizuführen, andere Städte sind uns da voraus. “Ich denke, Coswig ist eine grüne Stadt!”. Eigentlich ist Coswig ja auch grün mit seinem schönen alten Baumbestand, ob im Stadtpark, den strassenbegleitenden z.T. sehr alten Kastanien, Linden (Bild Straßenbäume) oder auch Obstbäumen, oder dem großen Bemühen des schon genannten Bauhofes, Farbe in die Stadt zu bringen(Bild Tulpenbild vor dem Rathaus).
Sie haben mir übrigens noch gar nichts über die landweit bekannten Blumenfeste erzählt!”, wollte er nun von mir wissen. Da traf er mich dann aber unvorbereitet. Wie ich später im Museum/3/ erfuhr, gab es diese Feste bis 1960 mit einer großen Besucherschar aus nah und fern. Ich zog mich aus der Affäre, indem ich die jährlichen bunten Straßenfeste erwähnte, die aber nicht den von Herrn Romer angesprochenen Charakter tragen. “Dann aber mal los, lieber Bürger”, animierte er mich, “bringen sie das mal vor, denn nicht umsonst trägt Coswig im Stadtwappen neben der Weintraube auch Getreideähren als Synonym für die Landwirtschaft und das Grün am Wasser für die Kulturlandschaft um uns”. Darauf erwiderte ich, dass wir uns wohl heute mit dem Motto “Coswig- Junge Stadt am grünen Rande Dresdens” zu sehr hinter der ehemaligen Königsmetropole Dresden verstecken. “Das haben wir nicht nötig, früher hatten wir den Slogan “Gartenstadt” (neben Industrie) in unserem Namen!”, meinte er. Das wird aber dauern, diesen Slogan wieder zu ändern!”, erwiderte ich ihm. Selbst in der neuen Broschüre “Kulturlandschaften des Landkreises Meißen/4/” haben sich bei Workshops Bürger aus dem Kreis verächtlich über die Industriestadt Coswig geäußert. Die sind ja wie Riesa, meinte einer und haben keinen Bezug zur Natur! Das ging dann selbst Herrn Romer über die Hutschnur, denn nach nur diesen wenigen Schritten durch seine alte Heimatstadt, kann er diesen Vorwurf nicht verstehen. “Ihr müsst eben mehr aufklären und euch interessant machen!”.

Eberhard Bröhl

/1/ Dana Runge, Petra Hamann, Thomas Giesel
Emil Hermann Nacke Sachsens erster Automobilbauer
Schriftenreihe des Verkehrsmuseums Dresden Bd.7 1.Auflage 2007

/2/ Petra Hamann, Coswig hat Geschichte, Wissenswertes und Amüsantes aus dem Stadtarchiv, NOT schriften-Verlag, Herausgegeben von der Großen Kreisstadt Coswig, 1. Aufl.2012 ISBN 978-3-94200-82-2

/3/ Dauerausstellung des Museums zur Geschichte von Coswig

/4/ Herausgeber LK Meißen, erarbeitet von TU Dresden, Lehr- und Forschungsgebiet Landschaftsplanung i.A. des LRA Meißen Dresden, Dezember 2020 CC-BY-NC-SA 4.0 de

Ein Nachruf für Käte Neumann (3.8.1923 – 11.2.2023)

Die Schreibenden Senioren Radebeul trauern um ihr langjähriges Mitglied Käte Neumann. Sie hat die Arbeit unserer Schreibgruppe über drei Jahrzehnte hinweg mit vielfältigen Ideen bereichert. Bis in ihr einhundertstes Lebensjahr hinein nahm sie aktiv an unseren Arbeitstreffen teil. Voller Humor erklärte sie: „Ich bin heute mit meinem Rolls-Royce gekommen!“, und meinte damit ihren schicken dunkelroten Rollator. Bei uns allen war sie aufgrund ihrer bedachtsamen, stets freundlichen und zurückhaltenden Art beliebt und geschätzt. Es ist mir daher ein Herzensbedürfnis, an dieser Stelle rückblickend etwas näher auf ihr Leben und Wirken einzugehen.

Käte Neumann, 2018, zur Herbstlesung des Autorenkreises »Schreibende Senioren« in der Stadtgalerie Radebeul
Foto Ulrike Keller, Archiv Regionalverband Volkssolidarität Elbtalkreis-Meißen e.V.

Käte Neumann wurde in Chemnitz geboren. Die Familie zog jedoch bald nach Dresden um, wo Käte ihre Ausbildung zur Diplom-Bibliothekarin absolvierte. 1945 ausgebombt, kam die Familie schließlich in Radebeul unter. Seither war Käte Neumann hier in der Borstraße ansässig.

Sie war die konsequenteste Tagebuchschreiberin, die ich kenne, und ausgesprochen belesen. Aus der intensiven Beschäftigung mit Literatur erwuchsen erste eigene literarische Versuche. Aber ich lasse sie hier gleich einmal selbst zu Wort kommen: „Warum ich schreibe? Vor allem, um Erlebtes und Erfahrenes vor dem eigenen Vergessen zu bewahren. Gelegentlich aber auch, um mir über die Dinge des Lebens und das tägliche Geschehen klar zu werden… Bisweilen ist etwas darunter, welches vielleicht auch andere interessieren könnte, und das landet dann manchmal in einer Druckerei…“

Beim Radebeuler Notschriftenverlag fand sie in Jens Kuhbandner einen adäquaten Partner, der mehrere ihrer zum Teil von ihr selbst liebevoll illustrierten Bücher veröffentlicht hat, unter anderem „Von Katzen und anderen Naturwundern“ und „Radebeuler Spaziergänge“. Die „Spaziergänge“ empfehle ich aufgrund der kenntnisreichen Details sogar gestandenen Radebeulern zum Nachschlagen und Nachwandern.

Wandern und Reisen war ohnehin Käte Neumanns zweite große Leidenschaft. Anspruchsvolle Bildungsreisen führten sie bis ins ferne China. Sie vertiefte sich in die Geschichte des jeweiligen Ortes und hielt auch die kleinen Beobachtungen am Rande fest, was ihre Reiseberichte so lesenswert macht.

Als eine Mitarbeiterin der Volkssolidarität im Jahre 1995 den „Radebeuler Autorenkreis Schreibender Senioren“ initiierte, gehörte Käte Neumann zu den Gründungsmitgliedern. Bereits die erste unter dem Titel „Radebeuler Mosaik“ veröffentlichte Anthologie des Autorenkreises enthielt drei Beiträge aus Käte Neumanns Feder und bis 2022 kamen jährlich zahlreiche neue hinzu. Viele ihrer Texte enthalten interessante biografische Details, alle sind wertvolle Zeitzeugnisse. Als Beispiele will ich hier nur „Große Wäsche“ aus dem „Mosaik“ Nr. 18 und „Erinnerungen an eine aussterbende Spezies“ aus Nr. 25 erwähnen, wo sie einen Bogen von ihrer Kindheit bis in die Gegenwart hinein spannt.

Am Zeitgeschehen nahm Käte Neumann regen Anteil. Als treue Theater- und Opernliebhaberin war sie den Landesbühnen Sachsen und der Dresdner Kulturszene eng verbunden, hat dort wahrscheinlich kaum eine bedeutende Premiere verpasst. Nach Beendigung ihrer Berufstätigkeit engagierte sie sich zudem für den Schutz der Sächsischen Schweiz und unterstützte aktiv den Landesverein Sächsischer Heimatschutz.

Aus einer zutiefst humanistischen Grundhaltung heraus war sie immer auch Mahnerin. So beschrieb sie 2005 ihre „Überlegung“ wie folgt: „Ich denke darüber nach, ob das grundlose Töten unterlegener und hilfloser Lebewesen dem Menschen angeboren ist. Und wenn es so wäre, wie kann man ihn davon abbringen?“

Käte Neumann ist uns ein großes Vorbild. Wir vermissen sie und wir werden sie nicht vergessen.

Gudrun Scheibe
Schreibende Senioren Radebeul

Mit Herz und Verstand

Ein Nachruf auf Christian Schmidt (*1.12. 1957 in Görlitz, +22.4. 2023 in Radebeul)

Bild: H. König

Ein Mann der lauten Worte, des energischen Auftretens war Christian Schmidt nie gewesen. Nein, er war ein Mann des Ausgleichs, der Mitte, einer, der Herz und Verstand in Einklang bringen, einer, der Menschen verbinden und zusammenführen konnte. Wohl auch deshalb wurde Christian Schmidt in den Wendewirren 1989/90 durch das Ensemble der Landesbühnen Sachsen zum kommissarischen Intendanten bestimmt, mit Matthias Liebich und Horst Mendelsohn als Berater an seiner Seite. Zu diesem Zeitpunkt war Schmidt erst gut zwei Jahre fest als Opernregisseur am Radebeuler Haus engagiert gewesen, hatte aber vor 1987 schon als Gast mit Humperdincks „Hänsel und Gretel“ und Verdis „Rigoletto“ Kostproben seines Könnens gegeben. Geradezu legendär sind inzwischen jedoch die Umstände, unter denen Schmidt im Herbst 1991 vom Übergangsintendanten zum ordentlich berufenen Intendanten wurde. Selbst Teil der Auswahlkommission für seine Nachfolge zu sein war für Schmidt nicht das Problem – ein Problem hatte er mit den anderen 25 Bewerbern und deren Plänen für die künstlerische und organisatorische Ausrichtung des Hauses, das sich wie alle Kultureinrichtungen der ehemaligen DDR neu (er-)finden musste. Während des laufenden Prozesses verließ er nach Beratung mit Familie und Freunden die Kommission, bewarb sich selbst – und machte das Rennen. Zu diesem Zeitpunkt – Schmidt war noch keine 35 Jahre alt – war er der jüngste Theaterintendant Deutschlands. Als er 20 Jahre später, im Herbst 2011, als Intendant der Landesbühnen trotz laufenden Vertrages bis 2013 erschüttert von den Spardebatten in unserem Freistaat abtrat, war er zum dienstältesten Intendanten geworden und mit den Fährnissen und Fallstricken des bundesdeutschen und besonders sächsischen Kulturbetriebes nur zu gut vertraut. Die ermüdenden Kämpfe um Zusammenlegungen, Stellenstreichungen, Budgetkürzungen unter dem Schlagwort der effizienten Verwendung von Steuergeldern sollte fortan ein anderer führen müssen, und also wurde Manuel Schöbel sein Nachfolger. In der Sächsischen Zeitung und auch den Dresdner Neuesten Nachrichten (jeweils 9.5.23) sind Schmidts bleibende Verdienste um die künstlerische und strukturelle Qualität des Radebeuler Hauses sehr angemessen gewürdigt worden, worunter der noch immer frisch und zeitgemäß anmutende Neubau des Stammhauses, der unter Schmidts Ägide errichtet wurde, für alle ein sichtbares Zeugnis ablegt. Ebenso wurde aber auch an den Musikliebhaber und feinfühligen Menschen Christian Schmidt erinnert, der sich u.a. ehrenamtlich bei der Radebeuler Tafel engagierte. Eingedenk all dessen sollte man also auch die Worte aus der Pressemitteilung der Landesbühnen als Zeichen der ehrlichen Wertschätzung lesen, in der es heißt: „Die Belegschaft und Theaterleitung der Landesbühnen Sachsen GmbH erkennen mit großer Dankbarkeit das Erbe seiner gewissenhaften und klugen Führung, auf dem ihr heutiges, künstlerisches Wirken baut. Wir wollen die Arbeit in diesem Sinne fortführen und ihn so in respektvoller Erinnerung behalten.“

Christian Schmidt verstarb nach langer Krankheit bereits am 22. April 2023 in seinem Radebeuler Haus und wurde am 23. Mai auf dem Friedhof Radebeul-Ost beigesetzt.

Bertram Kazmirowski

Mehr zu Christian Schmidts künstlerischem Werdegang ist in zwei Porträts in V&R 11/1991 und 8/1999 zu finden.

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