Zum Titelbild

Jubiläums-Titelbild

Keine Angst, liebe Leser (m/w/d), die Titelbildserie mit den Winzerhäusern wird im Juni ihre Fortsetzung finden. Die Ausnahme im Mai sei uns gestattet, denn wir feiern in diesem Monat unser 35-jähriges Jubiläum.
Waren wir vor fünfzehn Jahren noch recht zurückhaltend und verzierten das Mai-Titelbild mit einem kleinen Lorbeerkranz, gestalteten wir zum 25-jährigen voller Stolz eine Collage mit elf unterschiedlichen Titelseiten aus unserem Archiv.
Zum 30-jährigen traten wir dann erstmals mit einem Porträtfoto-Mosaik aller Vorschau & Rückblick-Akteure an die Öffentlichkeit und zeigten trotz der Corona-Pandemie Gesicht.
Für das diesjährige Jubiläumsheft haben wir acht Motive ausgewählt, die unsere Titelseiten in jüngster Zeit auf vielfältige Weise geschmückt haben und wohl auch charakteristisch sind, für unser kulturelles Monatsheft. Der Cocktail aus Fachwerkhaus, Stillleben, Gartenpavillon, Herrenhaus, reitendem Frühlingsboten, Windmühle, Schmuckfassade und Torbogen bedarf in diesem Falle keiner weiteren Erläuterung.
Den vielen Malern, Grafikern, Fotografen, Denkmalpflegern, Architekten, Kultur- und Heimatfreunden, die uns über all die Jahre kostenlos mit reichlich Bildmaterial unterstützt haben, sei in diesem Zusammenhang noch einmal herzlich gedankt.

Karin (Gerhardt) Baum

 

Mit Michael Wüstefeld poetisch durch das Jahr

Radebeuler Miniaturen

Auf dem Holzweg
(späte Erinnerung an Farben-Öhme)

„… er (der Gegenwartsbewußte) sieht in jeder Verlagerung der Aspekte einen Fortschritt, selbst wenn ein Verlust gewisser kultureller Grade unleugbar ist“.

Dieser Halbsatz, mit dem Karl Kröner in seinem grandiosen Aufsatz „Die Lößnitz. Gestalt und Wirkung einer Landschaft“ (1954) gleich zu Beginn ein Ausrufezeichen setzte, begleitet mich seit Jahren. Nun, da ein neuer Frühling sich anheischig macht, allerorten die Bäume wieder zu begrünen, steht er mir wieder deutlich vor Augen. Vom Faß aus mit einem Glas in der Hand das Werden zu meditieren, macht den Verlust des Winters (falls es denn einer war) zur Lust. Das Ausbleiben der Minus-Grade stimmt eher heiter, dies umso mehr, wenn einer wie ich aus der Schneeballzeit langsam rausgewachsen ist.

Aber weil wir gerade von Verlusten reden:
Durch das langsame Verschwinden des familienbetriebenen und -getragenen Einzelhandels geht sicher mehr verloren, als nur „gewisse kulturelle Grade“.
In einem sehr warmen und einfühlsamen Beitrag hat Karin Baum im Märzheft von einem Geschäft Abschied genommen, das eigentlich aus dem Stadtgefüge gar nicht wegzudenken war: Farben-Öhme. Jeder Radebeuler, der auch nur einmal versucht haben sollte, seine vier Wände „in Eigenleistung“ mit Farbe zu versehen, kannte das Geschäft auf der Moritzburger Straße. Und obwohl die eifrigen Heimwerker dank der „Verlagerung der Aspekte“ im Handelsgeschehen sicher auch künftig nicht in leere Farbeimer gucken müssen, „ein Verlust …“ na, u.s.w.
Was mir an Karins Beitrag gefehlt hat, war der Hinweis auf ein Gelegenheitsgeschäft, mit dem Farben-Öhme vor 1990 immer wieder auf wundersame Weise empfindliche Versorgungslücken zu schließen vermochte:
Manchmal gab es Holz.
Latten. Schmale Bretter.
Einfach Holz.
Gern und oft denke ich an den seltenen und deshalb unvergesslichen Anblick zurück: Auf dem abendlichen Heimweg vom Bahnhof sah ich die Schlange vorm Laden schon von Weitem. Und ich sah auch die Latten ragen über die damals blecherne Abgrenzung hinaus. Logischerweise unterbrach ich meinen Heimweg und stellte mich auch an. Was mir beim Bäcker schlechte Laune bereiten konnte, hier hellte es mein Gemüt auf. Nach angemessener Wartezeit, mit einem portionierten Holzstapel auf der Schulter und mit Dankbarkeit im Herzen vollendete ich meinen Heimweg. (In einem der aus solchem Holz gebastelten Regale stehen heute meine fünfunddreißig Jahrgänge V&R).
Es liegt nahe, daß der Holzhandel später rasch und gründlich von anderen übernommen wurde. Die Erinnerung aber an das Glücksgefühl das mich allemal überrieselte, wenn ich mit meiner Beute auf der Schulter den heimischen Hof erreichte, ist immer noch lebendig. Mit ihr im Rücken ist der durch die endgültige Schließung zu beklagende „Verlust gewisser kultureller Grade“ einfach besser zu ertragen.
Prost.
Thomas Gerlach

Leserzuschriften

Mein Vater bringt uns relativ regelmäßig „Vorschau und Rückblick“ ins Haus und wir lesen das Heftchen auch gern.
Im Märzheft haben Sie einen wunderbaren, treffenden Artikel über das Atelier von Frau Breuer geschrieben. Vielen Dank!
Immer wieder lesen wir gern die Artikel von Herrn Lohse über die Häuser in Radebeul, im aktuellen Heft über die Häuser mit Bugwelle. Schade, dass diese Artikel nicht „gesammelt“ werden. Wäre der Notschriftenverlag in der Lage, ein Buch draus machen. Würde Herr Lohse zustimmen? Die Kosten müssten aus meiner Sicht zu leisten sein. Ich könnte mir vorstellen für ein solches Projekt Spenden einzuwerben.
Über das aktuelle Heft habe ich mich allerdings in Teilen auch erheblich geärgert. Der Beitrag zur Kontroverse zum Lügenmuseum entbehrt jeglicher sachlicher Grundlage.
Ich habe mich nicht zuletzt auch in meiner Funktion als Stadträtin sehr für eine Lösung und den Erhalt des Lügenmuseums mit den soziokulturellen Angeboten verwendet. Dass es nun zu einer Räumung kommen muss, ist letztlich durch die Kompromissunfähigkeit von Herrn Zabka verursacht worden. Es ist sehr ärgerlich, dass alle unsere, aber auch Bemühungen anderer Beteiligter gescheitert sind.

Eva Oehmichen

Als ich den Aufruf in der Februar-Ausgabe las, habe ich überlegt wann ich zum ersten Mal ein „Vorschau & Rückblick“-Heft in die Hände bekam. Es muss 2003 gewesen sein, als ich zum ersten Mal einen Besuch in Radebeul und gleichzeitig eine Reise in die Vergangenheit meiner Familie machte. Seit dieser Zeit verfolge ich mit großem Interesse und Spannung jedes neu erscheinende Heft. Über 2 Jahrzehnte bin ich ein begeisterter Leser und seit ein paar Jahren auch Vereinsmitglied. Ganz zuverlässig finde ich „Vorschau & Rückblick“ am Monatsanfang in meinem Briefkasten.
An dieser Stelle ein großes Dankeschön an Frau Kunze für ihr langjähriges Engagement im Versand. Ich wohne von Radebeul über 600 km entfernt und so ist „Vorschau & Rückblick“ eine lebendige Verbindung in die Stadt, die mir zu einer zweiten Heimat wurde. So bleibe ich auf dem Laufenden was Leben und Kultur in der Lössnitzstadt anbelangt und freue mich besonders über solche „Rückblicke“ wie z.B. die Beiträge in der Reihe „Als die Läden noch den Namen von Leuten trugen“, in denen Zeitzeugen zu Wort kommen. Die jährlich wechselnde, monatliche Dosis Poesie darf auch nicht fehlen ebenso wie die Glossen von Motzi und Thomas Gerlachs „Radebeuler Miniaturen“. Die ansprechenden Titelbilder und die fachkundigen Erläuterungen von Dietrich Lohse runden für mich das Bild ab. Wenn diese ausgewogene Mischung beibehalten wird, bleiben bei mir keine Wünsche offen.
Es bleibt mir abschließend nur zu sagen: „Macht weiter so!“ und eine herzliche Gratulation zu 35 Jahren „Vorschau & Rückblick“!
Nico Patric Kittel

 

Die Glosse

Ein dickes Ding
Interessant, wie die Zeit, also mehr das Zeitgeschehen, der Zeitgeist, den Menschen durcheinander bringt und seine Lebensgewohnheiten zerstört, wie er sich von scheinbar „fremden unsichtbaren Mächten“ einen anderen Tagesrhythmus aufzwingen und zur „Gewohnheit“ werden lässt, was vor 30/40/50 Jahren undenkbar gewesen wäre. Der Tag hat einen Rhythmus, welcher sich über Jahrhunderte entwickelt hat und im Wesentlichen auf den biologischen Gegebenheiten des Menschen aufbaut.
So ist es ganz natürlich, dass der Mensch, wenn er einer Tätigkeit nachgeht, nach einer bestimmten Zeit eine Pause einlegen muss, also diese Tätigkeit unterbricht, um Kraft für die Weiterarbeit zu regenerieren. Er kann also eine längere Zeit hindurch nicht ohne Unterbrechung wie eine Maschine tätig sein. Die Kraft braucht gewissermaßen neue „Nahrung“. Neue Energie wird auf unterschiedliche Art und Weise gewonnen. Man unterbricht besagte Tätigkeit und verbindet die Pause häufig zusätzlich mit einer Nahrungsaufnahme, die dem Körper neue Energieträger zuführt. Entwickelt hat sich so ein Tagesrhythmus, der sich in einer Schlaf- und Wachphase unterteilt, wobei letzteres sich in Tätigkeiten und Pausen gliedert. Auch die Nahrungsaufnahme folgt einem bestimmten Rhythmus unter spezieller Berücksichtigung der Wirkung der Verschiedenheit der eingenommen Stoffe und der Besonderheit der jeweiligen Person. In der Regel kam es bisher zu drei bis vier Nahrungsaufnahmen am Tag, für die eine extra Pause von der Tätigkeit genommen wurde. Diese Praxis fand gar im Laufe der Zeit Eingang in die Gesetzgebung der Staaten und war so einklagbar.
Dies allerdings scheint heute auf sehr diffizile Art und Weise nicht mehr zu gelten, beziehungsweise gar durch unterschiedliche Machenschaften ausgehebelt zu sein. Etwa bei der Lohnarbeit durch verkürzte Arbeitszeiten, Arbeitszeitblöcke ohne Pausen oder schlicht durch Anforderungen, die in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht bewältigt werden können. So kann man Fahrer von Lieferdiensten beobachten, die während der Steuerung des Fahrzeuges ihr Essen einnehmen. Die anders lautenden gesetzlichen Reglungen stehen also häufig nur noch auf dem Papier.
Nun hat der Mensch, der sich heute zumeist als Lohnsklave verdingen muss, wenig Chancen, sich diesem System der kapitalistischen Maximierung und Selbstoptimierung zu entziehen. Anders, ist zu vermuten, wird es sich verhalten, wenn man den rein privaten Lebensbereich des Menschen unter die Lupe nimmt. Hier ist er keinem Zwang unterworfen und frei in seinen Entscheidungen. Erstaunt stellt man allerdings fest, dass die widrigen Praktiken, die seit den 1980er Jahren sukzessive in den Arbeitsprozess eingezogen sind, auch im privaten Alltag vieler Menschen zu finden sind. Die alten „Regeln“ in den Wind schlagend, wird heute zumeist die Hauptmahlzeit nicht mehr am Morgen, sondern am Abend eingenommen, die Erkenntnisse der Ernährungswissenschaft ignorierend, dafür aber tagsüber mehrere Mahlzeiten übergangen. Schaut man sich hingegen die alten Speisekarten der Gaststätten aus DDR-Zeiten an, findet man nicht ohne guten Grund auf den Abendkarten keinen Gänsebraten mit Klöße. Mal davon abgesehen, dass diese Einrichtungen damals keine Schlemmermenüs servierten, bekam man nach 18 Uhr meist nur leichte Verdauliches und vor allem nur kleine Portionen.
Das Ergebnis dieses Wandels: Die Bäuche werden immer größer, die Folgeerkrankungen füllen die Krankenhausbetten und belasten das Sozialsystem. Die Bundesrepublik bewegt sich hier zwar im europäischen Mittelfeld, liegt aber weit vor Italien und Frankreich: 54 Prozent aller Erwachsen sind in der BRD übergewichtig, voran die Männer! Besonders mit zunehmendem Alter ziehen aber auch die Frauen nach. Freilich geht’s noch schlimmer. In den USA haben diesen Zustand schon fast Drei-Viertel der Bevölkerung erreicht. Und wer zum Supermarkt nicht mehr laufen vermag, kann ja das Auto nehmen, rät

Euer Motzi

 

Festivaltradition in Radebeul geht in die vierte Runde

MUSIK FESTIVAL RADEBEUL 2025
Das Musikfestival rund um den Radebeuler Geiger Albrecht Menzel lädt im Sommer vom 24.8. – 7.9.2025 mit fünf Konzerten an historische und ungewöhnliche Spielstätten ein und wartet mit einer weiteren Winter-Edition auf.

Foto: U. Arens

Wenn sich der Sommer dem Ende neigt und die Weinberge gelb färben, versammelt der Geiger und künstlerische Leiter Albrecht Menzel mit seiner wunderbaren Stradivari Violine und Preisträger zahlreicher internationaler Wettbewerbe, wie dem berühmten Premio Paganini, Ende August wieder junge internationale Künstler wie den Geiger Sascha Maisky und den Perkussionisten Alexej Gerassimez zum gemeinsamen Musizieren in seiner Heimatstadt. Außergewöhnliche Gäste, wie der internationale Schachmeister Georgios Souleidis und der bekannte Bogenmacher aus Wien Thomas Gerbeth werden im „Menü Intellektuell“ mit Vorträgen das Festivalprogramm bereichern. Das junge Festival lädt nun bereits zu seiner vierten Ausgabe in sommerlich-festlicher Atmosphäre mit einem abwechslungsreichen Musikprogramm und spannenden Gastbeiträgen herzlich ein.

Eröffnungskonzert in der beliebten Maschinenhalle des ehemaligen VEB Zerma Radebeul
Das Festival eröffnet am Sonntag, 24.08.2025 um 16 Uhr in der Zerma-Halle, dem Industriedenkmal und heutigen Matthes Technik Center (Meißner Str. 17 / Straßenbahnhaltestelle Forststraße) mit berühmten Violinkonzerten. In rustikalem Industriecharme erklingen barocke Konzerte von Bach und Vivaldi spielt vom Festivalensemble herausragender Solisten und Stipendiaten der Anne-Sophie Mutter Stiftung und der Deutschen Stiftung Musikleben.

Erlesendes aus Paris in der Friedenskirche
Ein außergewöhnliches Konzertereignis am Freitag, 29.08.2025 um 18:oo Uhr in der Friedenskirche lässt uns musikalisch nach Frankreich reisen. Mit „Paris…Paris“ entstehen romantische Klangfarben aus der Zeit des Fin de Siècle („Ende des Jahrhunderts“), welches mit seinen Fortschrittsverheißungen und Untergangsfantasien zu einer der Blütezeiten künstlerischer Werke gehört. Sei es der jugendliche Komponist Guillaume Lekeu, welcher mit nur 24 Jahren an Typhus starb und einige der empfindsamsten Werke der Literatur schrieb oder der Konteradmiral Jean Cras, welcher stets ein Klavier mit an Bord nahm, um zu komponieren. Wir erzählen ihre Geschichten. Lassen Sie sich von unbekannten Komponistennamen anlocken und seien Sie neugierig.

Romantik pur im Gemeindesaal der Lutherkirche
In der gemütlichen Reihe „Künstler ganz privat“ stellt Albrecht Menzel Ihnen die Cellistin Harriet Krijgh vor, welche zusammen mit der Pianistin Magda Amara wunderbare Musik von Felix Mendessohn-Bartholdy, Robert Schumann und Johannes Brahms spielen wird. Bekannt für ihre sensible Musikalität erwartet Sie ein schönes Nachmittagskonzert moderiert von Albrecht Menzel. Auf unerwartete musikalische Überraschungen darf man gespannt sein.

Mozart und ein bekannter Youtuber zu Gast in Schloß Hoflößnitz
So wie einst Mozart mit verbundenen Augen seine Hörer mit Blindklavierspiel faszinierte, wird das Schloß Hoflößnitz am Donnerstag, 04.09.2025 um 18:oo Uhr zum Austragungsort einer spektakulären Blindschachpartie mit dem bekannten internationalen Schachmeister und bekannten Youtuber „The Big Greek“ Georgios Souleidis. Seien Sie Zeuge und lassen Sie sich von hinreißender Musik von Wolfgang Amadeus Mozart verzaubern.

Wieder musikalische Kinderprojekte an Radebeuler Schulen
Ein besonderer Teil des Musik Festival Radebeul ist wieder der Besuch der Künstler an Radebeuler Schulen. Dort wird in lockerer Atmosphäre ein Konzert für die Jugend erklingen, die Musiker werden über ihre „coolen alten“ Instrumente sprechen und über ihre Leidenschaft: Musik.

Finale im Historischen Güterboden
Zum großen Finale am Sonntag, 07.09.2025 um 16:oo Uhr im Historischen Güterboden erklingt berühmte Musik mit Peter Tschaikowskys „Souvenir de Florence“. Außerdem werden wir gemeinsam „Wasser anpflanzen“ und im „Menü Intellektuell“ Wissenswertes über Naturschutz beim Bogenbau hören, über Frösche und wo denn überhaupt die Bogenhaare herkommen. Seien Sie gespannt und bringen Sie wieder Ihre Kinder und Enkelkinder mit!
Bärbel Schön


Karten nur im Vorverkauf per E-Mail unter tickets@musikfestivalradebeul.de oder per Telefon, Whatsapp, Signal +49 174 2836650, www.musikfestivalradebeul.de

 

Mai 1945

Aus den Aufzeichnungen des Altbauern Max Klotzsche

Max Klotzsche (1873–1965) ist den Lokalgeschichtsinteressierten durch seine in den 30er Jahren entstandene und 2009 von Christian Grün im Radebeuler Notschriften Verlag herausgegebene »Chronik von Serkowitz« bekannt. Ab 1900 bewirtschaftete Klotzsche das von seinem Vater übernommene Gut Altserkowitz Nr. 3, das er 1936 an Sohn Rudolf übergab. Im Ruhestand, nun in Radebeul-Niederlößnitz wohnhaft, widmete er sich weiter seiner Familienchronik und heimatkundlichen Forschungen. Den 1939 von Deutschland begonnenen (II. Welt-)Krieg betrachtete Klotzsche »von Beginn an als ein Verbrechen der Nationalsozialisten und ein namenloses Unglück für das deutsche Volk« (C. Grün). Über sein Ende und die Maitage 1945 in Radebeul hinterließ er einen detaillierten Bericht, der die bisher bekannten Darstellungen von Zeitzeugen anschaulich ergänzt. Zur 80. Wiederkehr der Befreiung von der nationalsozialistischen Herrschaft veröffentlicht ›Vorschau & Rückblick‹ in Fortsetzung Auszüge daraus, ausgewählt und mit Anmerkungen von Frank Andert.

Nachdem Hitler am 1. Mai in Berlin angeblich gefallen [war], fiel die Reichshauptstadt am Mittwoch, dem 2. Mai in russische Hände. […] Nunmehr drangen die bis Riesa zurückgegangenen Russen auf beiden Seiten der Elbe mit starken Kräften erneut auf Meißen vor. Am Sonntag, den 6. Mai fanden im Raum Radeburg – Meißen – Lommatzsch – Tharandt schwere Kämpfe statt, die sich am Sonntagabend zu einem kurzen Trommelfeuer steigerten und uns die Gewissheit brachten, dass unsere Lößnitzheimat in den nächsten Tagen Kriegsschauplatz sein würde.
Bereits seit Anfang März 1945 wurden bei Lindenau unter vielem anderen Stollen und Feldbefestigungen gebaut. Eine Hauptverteidigungslinie aber wurde bei Serkowitz, von der Elbe bis zur Hoflößnitz angelegt. Hier wurden vom offenen Abwasserkanal an, bis zum Denkstein an der Kötzschenbrodaer Straße der Gang terrassenförmig befestigt und Unterstände für Maschinengewehre eingebaut. Von der Kötzschenbrodaer Straße bis zum »Weißen Roß« wurde ein 6,5 m breiter und 3 m tiefer Panzergraben durch hunderte von polnischen und russischen Zivilarbeitern in wochenlanger Arbeit ausgeworfen. Vom »Weißen Roß« bis zur Hoflößnitz wurden in den Villengärten, Weinbergen etc. Schützengräben und andere Befestigungen angelegt. […] An diesen festungsartigen Verteidigungsbauten erkannte die Bevölkerung, dass hier bei Serkowitz der Russe verhindert werden sollte in die Stadt Dresden einzudringen.
In der ersten Aprilhälfte wurde bekannt, dass Hitler die Stadt Dresden als Festung erklärt und den General von und zu Gilsa als Kampfkommandant für Dresden ernannt habe. [Werner Freiherr von und zu Gilsa (1889–1945), General der Infanterie, seit 15.03.1945 Kampfkommandant von Dresden, nahm sich am 9. Mai bei Teplitz das Leben. F.A.] In den Schrebergärten an der Kötzschenbrodaer Straße und zwischen Serkowitz und Kaditz wurden schon Geschützstellungen errichtet und armiert. Zur Aufnahme der zurückgesandten deutschen Kampftruppen wurden die Feldbefestigungen bei Serkowitz mit einem Bataillon Polizei-SS-Truppen unter Befehl eines Majors besetzt. Dieser fanatische Stabsoffizier legte seinen Gefechtsstand in Huhle’s Gasthof zu Serkowitz und ließ noch in letzter Stunde Serkowitzer Einwohner – Männer und Frauen – eine Steinbarrikade auf der Lößnitzbachbrücke am Mühlgraben errichten. […]
Die Nacht von Sonntag zum Montag, den 7. Mai verlief verhältnismäßig ruhig, nur einzelne Kanonenschüsse dröhnten in gewissen Zeitabständen. Mit Tagesgrauen verstärkte sich das Artilleriefeuer zu beiden Seiten der Elbe und veranlasste uns, Wertsachen in feuersichere Verstecke zu bringen. Lebensmittel und Flaschen mit Wein etc. hatten wir schon vor Wochen im Garten sicher vergraben. Kleidung, Wäsche, Porzellan und anderes Wertvolles schafften wir zur Sicherung in den Keller, auch das Chaiselongue wurde in der sicheren Voraussicht, dass wir die nächsten Tage und Nächte in dem Keller verbringen müssten, in den Keller gebracht, so dass dieser gestopft voll war. Vormittags gegen halb 10 Uhr fasste ich den Entschluss nochmals nach Serkowitz zu gehen. Auf dem Wege dahin besichtigte ich nochmals die Verteidigungsanlagen zwischen »Weißem Roß« und der Staatsbahn. […]
Am Gasthof versammelten sich die Fuhrwerke der Bauern, um auf Befehl des Majors Munition, Handgranaten und Panzerfäuste aufzuladen und nach dem Lößnitzgrund zu bringen. Zu gleicher Zeit kam ein Bote vom Oberbürgermeister Heinrich Severit [(1888–1977), seit 1922 in der NSDAP, seit 1933 Bürger- und seit 1935 Oberbürgermeister von Radebeul] mit der Aufforderung, die Bauern sollten ihre Fuhrwerke sofort nach der Pestalozzischule schicken, um die durch den Räumungsbefehl binnen zwei Stunden abzutransportierenden alten Leute und Kinder nach dem Erzgebirge (Marienberg) zu fahren. Dieser Aufforderung konnte jedoch wegen der Munitionstransporte nicht entsprochen werden. Gleichzeitig kehrte mein Sohn vom Rathaus und Postamt zurück und teilte mit, dass der Oberbürgermeister und die sechs Ortsgruppenleiter [der NSDAP] beschlossen haben, den Kampfkommandanten zu bitten, der Einwohnerschaft zu gestatten weiße Fahnen herauszustecken, weil ein Widerstand gegen den zu erwartenden Angriff unter den obwaltenden Umständen sinnlos sei, und dass der Ortsgruppenleiter Oswald Forner unterwegs sei, mit dem Major in Huhle’s Gasthof hierüber zu verhandeln. [(…) Stadtrat Oswald Forner war hauptamtlicher Beigeordneter des Oberbürgermeisters und Leiter der NSDAP-Ortsgruppe Radebeul-Niederlößnitz.]
Als ich den Rückweg auf die Weintraube zu antrat, begegnete ich unterwegs Trupps deutscher Infanteristen, die in ermüdetem Zustande auf mein Befragen erklärten, am gestrigen Sonntag bei Priestewitz gekämpft und Befehl erhalten zu haben, bei Serkowitz sich zu sammeln. Kurze Zeit später hörte ich hinter mir, bei Serkowitz einige Schüsse fallen. Wie ich später erfahren habe, ist durch diese Schüsse der Ortsgruppenleiter Forner, der auftragsgemäß mit dem SS-Major wegen kampfloser Übergabe der Stadt Radebeul erfolglos verhandelt hatte, auf dessen Befehl wegen Feigheit und zur Abschreckung, im Garten von Max Hertzschuch [Eigentümer des Grundstücks Altserkowitz 10] am Mittelsteg – hinter der Scheune von Max Hennig [Eigentümer des Grundstücks Criegernstr. 10, heute Str. des Friedens] – standrechtlich erschossen worden. (Fortsetzung folgt.)

 

 

WeinBergKulTour geht in die fünfte Runde

2025 kehrt das erfolgreiche Format vom Radebeuler Kultur e.V. und den Winzern mit einigen Spezials sowie noch mehr Künstlergruppen zurück.

Die Radebeuler WeinBergKulTour kehrt 2025 mit 40 Künstlern und Gruppen an bis zu vierzehn Orten zurück. Am Sonntag, den 11.Mai 2025, startet das Format in die neue Saison. Über dass Jahr verteilt wird es noch an zwei weiteren Terminen 22.06. und 07.09.2023 stattfinden. Jeweils zwischen 13 Uhr bis 19 Uhr können sich die Gäste zwischen den Weingütern und Straußwirtschaften auf eine musikalische Reise begeben. Dabei werden verschiedene lokale, nationale, aber auch internationale Ensemble aufspielen. Auch in diesem Jahr ist der Eintritt frei, um Spenden für die Musizierenden wird gebeten.

Erneut spielen die Künstler je Örtlichkeit dreißig Minuten aus ihrem Repertoire, danach ziehen diese weiter zu einem anderen Auftrittsort. Eine Mischung aus Folk, Swing, Jazz, Balkanbeat, Blues, Singer-Songwritern, Klassik sowie Pop wird auch 2025 zu hören sein. Erstmalig gibt es auch Tanzkurse in den Weinbergen. Überdies treten diverse Chöre, die Musikschule Meißen und Tanzgruppen aus der Region erstmalig auf.
Ziel ist es, möglichst viele Besucher zum Wandeln in der schönen Kulturlandschaft Radebeuls zu bewegen und sich dabei auf neue musikalische Erlebnisse einzulassen.
Mit dem Fahrrad oder zu Fuß ist das Reisen in den Weinbergen der Stadt im Rahmen der WeinBergKulTour empfehlenswert. In den Weingütern und Straußwirtschaften kann die Musik bei einem Glas heimischen Wein in Picknickatmosphäre genossen werden.
2021 mit damals acht Weingütern gestartet, verbreitet sich das Format über nunmehr fünfzehn über das gesamte Stadtgebiet verteilte Örtlichkeiten. Mit dabei sind in diesem Jahr: Weingut Haus Steinbach, Weingut Drei Herren, Weingut Große, Weingut KF Aust, Weingut Hoflößnitz, Weinkeller am Goldenen Wagen, Ziegenwein, Weinschank Walter, Winzerei Paradiesberg, Gemse, Weinwirtschaft am Neufriedstein, Winzerhof Rößler, Straußwirtschaft Seifert, Straußwirtschaft Haselbusch und Genussbutze.

Foto: Doc Winkler

Das Programm setzt sich zu knapp 60 Prozent aus Einzelmusikern und Künstlergruppen aus der Region zusammen. Darunter sind u.a. bekannte Namen wie: Spencer & Julian Wolf (Blues), Benni Cellini (Folk), Bistro Manouche Duo (Folk),Kellerkumpanen (Funk/Jazz), Thabet Azzawi (Oriental), Maria Mellado (Flamenco) und Showko (Reggae)zusammen. Partner beim ersten Termin bleiben die Tänzerinnen und Tänzer vom 84Til e.V., einem Verein, welcher von Mitglieder von The Saxonz gegründet wurde. Neue national bzw. international bekannte Acts sind Dobranotch (Balkanfolk), Trouble Notes(Folk) sowie Usikuu (finnischer Tango).
2021 durch den SimulplusMitmachfond ausgezeichnet und in den vergangenen Jahren durch die KDFS zusätzlich unterstützt, trägt sich die WeinBergKulTour vornehmlich durch Spenden des Publikums. Vermehrt sucht der Verein nach Sponsoren. Aber auch die Örtlichkeiten beteiligen sich an der Finanzierung und der Radebeuler Kultur e.V. sammelt dafür über das ganze Jahr Unterstützung ein. Die Kulturschaffenden erhalten eine feste Gage, welche mithilfe der Spenden vor Ort aufgestockt wird. Junge Ortsbetreuer des Vereins kümmern sich neben der Sammlung auch um Teile der Logistik in den Weingütern und Straußwirtschaften. Letztere spendieren den Gruppen jeweils noch ein kleines Catering.

Björn Reinemer


radebeuler-kultur.de/auf-zur-weinbergkultour
br@radebeuler-kultur.de
Büro: 0351-16051134

Weißes Roß – Geschichten aus der Kindheit – (Teil 9/12)

Der Mai

Veranda mit Maischmuck 1938 Sammlung C. Grün

Am ersten Mai wurden wir

Stammgäste, die sogenannte Flackbatterie nach Ernst Flack benannt Sammlung C. Grün

mit Marschmusik geweckt und stürzten an die Fenster. Drüben auf dem Bahnhofsvorplatz hatte sich eine Kapelle aufgebaut und in der Maisonne glänzten die Instrumente. Die Häuser waren mit grünen Girlanden geschmückt, auch unsere Veranda am Augustusweg. Vorn am Gaststätteneingang hatte Vater links und rechts in großen Gurkenblecheimern Birkenbäumchen aufgestellt. Überall wehten Hakenkreuzfahnen und Vater hatte auch schon an den Masten – einer stand an der Hausseite auf dem Augustusweg, der andere größere links vom Hoftor – unsere Fahnen hochgezogen. Für uns Kinder immer ein großes Ereignis. (Der Text ist im Kontext seiner Enstehungszeit zu lesen! Anm. d. Red.)
Ich kann mich gut erinnern, dass am ersten Mai, der Feiertag der Arbeit, unter den Menschen eine frohe und festliche Stimmung herrschte. Es war schon ein Unterschied zu den Demonstrationen, die wir später mitmachen mussten. Dazu muss ich aber sagen, dass wir dabei immer unseren eigenen Spaß entwickelten.
Für uns Kinder war es auch ein großes Ereignis, wenn am Vortag der riesige Maibaum auf dem Langholzwagen in die Roseggerstraße bugsiert wurde. Er wurde auf dem Sportplatz der Hans-Schemm-Schule (Gymnasium) aufgestellt, wo auch die Kundgebung stattfand. Als diese zu Ende war, hatte jeder im „Weißen Roß“ alle Hände voll zu tun. Die Massen kamen durstig angeströmt. Vater hatte vor dem Haus zusätzlich lange Bretter auf Bierfässer gelegt und alle Sitzgelegenheiten waren bis auf den letzten Platz besetzt.
Am Vorabend wurden auch in allen Häusern Hindenburglichter (heute sagt man Teelichte dazu) in langen Ketten in die Fenster gestellt, das sah wunderschön aus. Muttel nahm sich die Zeit und machte mit uns einen abendlichen Rundgang.
Wir begannen nun auch wieder viel draußen zu spielen. Als unsere lieben Verwandten aus Palästina zu Besuch da waren, Onkel Rudolf und Tante Herta Weller mit Kuno, Ingrid und Irene, brachte uns Ingrid das Huppekastenspiel bei. Das haben wir mit immenser Ausdauer gespielt. Mit Kreide wurde auf der Betonfläche unterm Balkon acht Quadrate, je zwei nebeneinander gemalt. Darüber ein Halbbogen. Das war der Himmel, in den man sich retten konnte. Der war aber schon im Sand gezogen. Nun mussten mit artistischen Können alle Quadrate benutzt werden, ohne auf die Trennstriche zu treten. Zum Beispiel musste auf einem Bein gehüpft werden und auf dem hochgezogenen Fuß lag ein Stein, den man dabei nicht verlieren durfte und der Gläsli genannt wurde. Da Kuno und Ingrid schwäbelten, nannte sich diese Übung Gläsli, weil der Stein eigentlich ein Glas darstellen sollte. Dann kam „Tapp i“ dran, das war sehr schwer. Man musste mit geschlossenen Augen, den Kopf im Genick die Felder durchqueren, ohne auf die Trennstriche zu treten. Die anderen achteten peinlich darauf, dass nicht geschummelt wurde. Und so gab es noch einige weitere Schwierigkeiten und wer alles fehlerfrei überstand, konnte sich ein Feld aussuchen. Das versah er mit zwei Kreuzstrichen und konnte sich im Himmel ausruhen. Das wurde nun wieder für die anderen schwierig, denn sie durften nicht auf die gekreuzten Striche treten. Wer nicht fehlerfrei durchkam musste wieder von vorn anfangen. Sieger war, wer die meisten Felder besaß.
Zu unserer großen Überraschung kaufte Vater uns bei Gommlich gegenüber Kinderfahrräder. Zunächst als Dreiräder, später wurde die Querachse entfernt und so balancierten wir auf zwei Rädern. Diese Räder besaßen keinen Freilauf und leider auch keinen Kettenschutz. Die Pedalen drehten immer mit. Und so geschah es, dass ich einmal unter mörderischen Gebrüll den Hof hinunter fuhr, denn der große Zeh klemmte in der Kette. Der Zehennagel war natürlich hin. Ein Fahrer von Bischoffs fing mich auf und befreite mich aus meiner Zwangslage. Wie, weiß ich nicht mehr, ich hatte mit Brüllen zu tun. Wahrscheinlich hatte er die Pedale rückwärts gedreht, weher konnte es schon nicht mehr tun. Vater fuhr Muttel und mich mit seinem Opel Baujahr 1928 zu unserer bewährten Kinderärztin, Frau Doktor Hartung, das beruhigte mich schon einigermaßen. Wir gingen gern zu ihr, weil es am Ende der Untersuchung immer mit buntem Zucker bestreute Schokoladenplätzchen gab.
Wenn wir uns wahrscheinlich recht gut aufgeführt hatten, gab uns Muttel jedem einen Groschen und wir stürmten los zu Mallows, geradeüber der Rosenstraße. Es waren zwei Schwestern, die einen Doppelladen hatten. Das eine Fräulein Mallow hatte ein Schokoladengeschäft, das andere eine Papierwarenhandlung. Die war das Ziel unserer Wünsche. Gegenüber der Eingangstür stand ein großer Schrank mit schmalen Schubfächern. Freundlich zog Fräulein Mallow eins davon auf und vor uns lag die ganze Pracht der Zehnpfennigartikel. Das gab es Trillerpfeifen und kleine Kompasse, Geduldsspiele, bei denen die Maus in die Falle oder der Fußball ins Tor gebracht werden musste. Abenteuerliche Bleistiftspitzer, Stammbuchblümchen (heutigentags Sticker) und was sonst noch einem Kinderherzen in diesem Alter wichtig ist. Wir wählten lange und bedächtig, dann rannten wir mit unserer Auswahl beglückt nach Hause.
Das waren so die Erinnerungen, sie es in den Maimonaten in meiner Kindheit gab.

Christa Stenzel/ Christian Grün

Später Gruß an Vorschau & Rückblick von einer Tante

Wenn man denn, was in der Tat nahe liegt, die alte „Vorschau“ (1954 – 63) als die Mutter des heutigen Kulturblattes „Vorschau & Rückblick“ (1990 – jetzt) betrachten möchte, dann hatte sie, wie ich erst kürzlich erfuhr, wohl eine Schwester, das „Radeberger Kulturleben“ (1955 – 1976) gehabt. Ich glaube schon, dass auch die Tante daran gedacht hätte, der Nichte zum 35. Geburtstag, den wir 2025 feiern werden, gratulieren würde.
Dieses ganze Spiel mit irgendwelcher Zeitungsverwandtschaft klingt wie eine Behauptung, die Herr Lohse doch bitte erst mal beweisen sollte, nicht wahr?

Repro D. Lohse

Repro D. Lohse

Als Familie machen wir gelegentlich mal einen Abstecher nach Radeberg. Nein, nicht des Bieres wegen, könnte man aber auch mal machen. Unser Ziel ist meist das in Radeberg befindliche Schloss Klippenstein – ein wenig Burg, ein bisschen Schloss. So konnte ich über die Jahre die schrittweise, gute Entwicklung des Gebäudekomplexes beobachten, Denkmalpfleger interessiert so was immer. Noch 1989 war das Schloss ein grauer, nur zT. nutzbarer Kasten, der in den reichlich 30 Jahren so eine Wandlung erfuhr. Die bauliche Substanz wurde in Stand gesetzt, die inneren Funktionsbereiche neu geordnet und die Außenanlagen mit kleinem Park und Teich aus einem „Dornröschenschlaf“ erweckt und ist nun eine Perle mit verschiedenen musealen Bereichen, durchaus empfehlenswert. Interessant war auch die Reitertreppe, auf der Pferd samt Reiter bis ins OG gelangten. Ich glaube, wir sahen da zuletzt im Advent die Sonderausstellung einer privaten Sammlung von Grünhainichener Engeln, die mit den 11 weißen Punkten auf grünen Flügeln. Neben der Kasse, wo es sonst aktuelle Infos und Faltblätter gab, lag ein Stapel älteren Papiers: einige Hefte der alten Reihe „Radeberger Kulturleben“ aus den 60-er und 70-er Jahren. Eigentlich war das längst Altpapier, aber für Interessenten gern zum Mitnehmen gedacht. Ich fand Interesse, dachte kommt dir doch irgendwie bekannt vor, nimmst mal 4 Stück (Hefte 12 / 61, 01 / 68, 10 / 70 und 05 / 71) wahllos gegriffen mit. Diese Hefte sahen den Heften der Radebeuler „Vorschau“ tatsächlich zum Verwechseln ähnlich. Eine Weile gerieten dann die Hefte aus Radeberg in Vergessenheit bis zu dem Tag, als ich wieder mal meine Bestände überprüfte, was kann weg, was eher nicht.

»Im Volkskunstmuseum«, Johannes Thaut, Repro D. Lohse

Nun konnte ich sie neben meine gesammelten, alten Vorschau – Hefte legen und vergleichen. Ich fand tatsächlich einige Gemeinsamkeiten heraus, die mich schließlich zu dem amüsanten Gleichnis von Tante und Nichte brachten, schauen wir mal!
Wenn ich die älteren Schwesternhefte vergleiche, ergeben sich immer wieder auch Blicke zur jüngeren, 35-jährigen Nichte, unserer „Vorschau & Rückblick“. Fangen wir beim Format an – alle drei sind im handlichen A 5-Format erschienen und hatten, bzw. haben einen Umfang von anfangs 20 und später sogar 32 Seiten. Deck- und Rückblatt besteht aus weißem, etwas kräftigerem Papier, die Innenseiten dagegen sind aus billigerem, stark vergilbendem Papier. Und wenn wir die in einem monatlich wechselnden, unifarbenen Rahmen sitzenden Titelbilder betrachten, erkennen wir auf Fotos oder in grafischen Bildern jeweils lokale Motive, Orte, Häuser oder auch Personen hier aus Radeberg, da aus Radebeul, Moritzburg und Radeburg – die dritte, mit „Rade“ beginnende Stadt wird vom Radebeuler Heft mit bedient. Außer den Titelbildern sehen wir die Titelzeile, also den Namen des Heftes, das jeweilige Stadtwappen – Radeberg mit dem halben Rad unten und einem Löwen mit Schwert im Rücken (?) oben und Radebeul bekanntermaßen mit ganzem Rad und der Weintraube darüber – und kleiner gedruckt die zeitliche Einordnung sowie das Verbreitungsgebiet. Auch die Auflagenhöhe dürfte mit 3000 bis 4000 Stück ähnlich gewesen sein. Die älteren Hefte kosteten 25 Pf. (Radeberg), bzw. 30 Pf. (Radebeul, die neuen Hefte dagegen wurden bald schon kostenlos abgegeben – kostenlos aber nicht wertlos! Bis hierher spürte man die Regie des Kulturbundes im Kreis Dresden-Land deutlich. Ich vermute sogar eine DDR-weite Regie, denn ich fand solche A 5-Kulturblätter mal in einem Ferienquartier im Harz. Ähnlich sah es mit der Platzierung von Werbung in den Heften aus, Werbeanzeigen für örtliche Händler und Betriebe gab es jeweils in der 2. Hälfte der Hefte – im Radeberger Heft natürlich für Radeberger Pilsner und auch für RAFENA (Fernseher), während Radebeul für die Wäscherei Kelling, Kunst von Künitzer oder gelegentlich für Sekt und Wein warb. Mitten im Heft waren bei beiden kritisch-lustige Reime platziert. Die Radeberger hatten dafür die Überschrift „Kanonenkugel“ gewählt, unterschrieben von Herrn oder Frau Lunte (?), wohl ein Pseudonym. Für Radebeul besorgte die Rubrik „Der Pfeil“ Ulrich Pohle. Auch hier wird klar, dass Jemand im Hintergrund die Fäden geführt hatte. Bei Vorschau & Rückblick dagegen wird weniger gereimt, Kritik kommt in der Glosse zum Ausdruck. Doch egal, ob Reim oder Glosse, das Ziel ist Kritik zu üben. In beiden älteren Heften finden wir natürlich Sachbeiträge zu geschichtlichen Ereignissen, zu mehr oder weniger interessanten Häusern, zu Handel und Gewerbe sowie auch Porträts von erwähnenswerten Personen (entspr. dem politischen Vorzeichen). So erinnerte man sich an den Standort der Radeberger Pfefferküchlerei Nake – ein längst geschlossener Laden. Für mich war der Beitrag von Manfred Drobny sehr interessant, in dem er über die „Saugärten in der Dresdner Heide“ berichtete. Es gab auch markigere Artikel zB. unter dem Titel „21 Jahre DDR – 21 Jahre Arbeiter- und Bauernmacht“. In der alten Vorschau las ich immer gern die Häuserbeschreibungen von Lehrer Curt Reuter. In beiden Heften gehören Texteschreiber der Redaktion an oder sind Gastschreiber, immer aber ehrenamtlich wie auch heute noch! Echt überrascht war ich, als ich in Heft 12/61 des „Radeberger Kulturlebens“ einen Holzschnitt „Im Volkskunstmuseum“ vom Künstler Johannes Thaut fand, der war doch ein Radebeuler. Vielleicht hing das damit zusammen, dass er in dem Zeitraum einen Großauftrag zur Fassadengestaltung der Hüttermühle (unweit vom Schloss) hatte und deshalb oft in Radeberg war. Ein anderer Text im Radeberger Heft über die Pirckheimer Gesellschaft stammte von Fritz Treu, auch ein in Radebeul bekannter Name. Die Heftemacher haben sich damals wohl gegenseitig mit Autoren ausgeholfen. In beiden älteren Heften gab es eine Rubrik zu Kultur und aktuellen Veranstaltungen. Schön, dass ich da im Radeberger Heft die Radebeuler Landesbühnen Sachsen mit Goethes „Egmont“ fand.
Die Heftreihen begannen im Jahr 1954 („Vorschau“) und 1955 („Radeberger Kulturleben“) und endete wegen sogen. Papierknappheit (!) 1963 („Vorschau“), während das „Radeberger Kulturleben“ noch bis 1976 erschien. Wir erkennen, dass die „Vorschau“ die Ältere der beiden Schwestern war und vielleicht auch die Frechere, weil sie früher aufhören musste. Dann übernahm der staatlich verordnete „Kreisexpress“ die Aufgabe der Information zu Kultur im Landkreis Dresden-Land. Nach meiner eignen Erinnerung fand dieses politisch straffer gefasste Blättchen kaum Beifall – kein Ersatz für das „Radeberger Kulturleben“ oder die Radebeuler „Vorschau“! Ob man in Radeberg nach 1990 einen Nachfolger des dort beliebten Blattes gefunden hat, weiß ich gerade nicht. Die Tochter von der Letztgenannten „Vorschau & Rückblick“ feiert nun gerade ihr 35-jähriges Bestehen, da können Mutter und Tante nur gratulieren.
Soviel für heute zur Ahnenforschung in Sachen eines kleinen Kulturblättchens.

Dietrich Lohse

 

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