„Tschüß, ihr alle!“ –

Die Schriftstellerin Tine Schulze-Gerlach ist 91-jährig verstorben

Eine Ahnung davon verspürte sie wohl schon seit langem. Doch diese Ahnung war niemals von Trübsinn, Schrecken oder gar Tränen begleitet. Für die Radebeuler Schriftstellerin Tine Schulze Gerlach hatte der Tod nie ein schwarz verhülltes Gesicht und er verbreitete auch keine Furcht erregende Aura. Ganz im Gegenteil. Sie glaubte an die Erlösung durch ihn. Am 11. Oktober 2011 nun hat er sie schließlich aus einem langen, wunderbar aufregenden und vor allem großartigen Leben mitgenommen auf die andere Seite. Denn so hat Tine Schulze Gerlach sich selbst und ihr irdisches Dasein immer gesehen. Als ein wunderbarer Moment in der Ewigkeit des Planeten Erde.
Ihren 90. Geburtstag im April 2010 hat sie noch im Kreise ihrer Kinder, deren Ehemännern und Ehefrauen und deren wiederum zahlreichen Kindern – ergo ihren Enkeln – gefeiert. Es passte zu ihr, dass sie in einem Frühlingsmonat geboren wurde. Niemand freute sich wohl in jedem Jahr so sehr auf den Frühling wie sie. Denn dann konnte sie endlich wieder aus ihrer Wohnung in den Garten hinaus. Konnte dort sitzen und die ersten wärmenden Sonnenstrahlen genießen.
Vier Kindern hat sie das Leben geschenkt, den Mann hat sie sehr zeitig verloren. Von Hellerau im Dresdner Norden zog sie um nach Radebeul. Das war um 1960 herum, das Jahr, in dem auch ihr erster Roman entstand. In die Lößnitzstadt brachte sie sich ein mit all der Kraft, die dieser kleinen Frau zur Verfügung stand. So lange wie möglich und so intensiv wie nötig. Und das Bücherschreiben wurde ihr Passion und schließlich Profession. Da war kaum jemand hierzulande, der mit der „Bürgschaft für ein Jahr“ nichts anzufangen wusste. Von ihren insgesamt 15 veröffentlichten Büchern sollte dieses Buch das wohl populärste werden. Eines, das gar sehr mit gutem Erfolg verfilmt wurde.
Als 1990 aus der deutschen Zwei- die Einstaatlichkeit wurde, machte Tine Schulze Gerlach sich auf nach Helgoland. Einmal wenigstens wollte sie auf dieser sturmumtosten Klippe stehen. Und auch von diesem Erlebnis kündet später ein Buch.
Vor mehr als zehn Jahren rezensierte ich in den hiesigen Zeitungen ihr Büchlein „Elbe, mein Fluß“ dass von Gitta Kettner meisterhaft illustriert worden war. In dem Buch beschrieb Tine Schulze-Gerlach in ihrer so typischen luftig leichten und dennoch so tiefgründig analysierenden Sprache eine Schiffsreise auf der Elbe. Beim Grenzübertritt flussaufwärts ins Tschechische hinüber sinniert sie über die dortigen Mädchennamen und dabei fällt ihr natürlich die Rusalka ein. Und dazu wiederum die Textzeile „Oh Mond erlisch mir nicht“ Auf einer Karte dankte sie mir damals für die Besprechung und fügte dann noch den Satz hinzu „Jetzt brauche ich nur noch einen ähnlichen Nachruf eines Tages…wenn es soweit ist“ Nun ist es tatsächlich soweit, Tine Schulze Gerlach hat sich aus dem Leben verabschiedet. Still und leise; so wie sie dieses Leben 91 Jahre lang still und leise gelebt hat. Sie wird nicht nur ihrer Familie, sie wird auch den Radebeulern fehlen.
In ihren „Abschiedskrümeln“ – einem Lyrikband aus dem Jahre 2001 – findet man ein Gedicht mit dem Titel „Lustig“. Das endet mit den Worten “…lachen tut so gut, auf wessen Kosten auch immer“ Und ganz unten drunter hat Tine Schulz Gerlach noch geschrieben „Tschüß, ihr alle!“ Bleibt uns allen nur zu antworten „Tschüß, du auch!“

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