Die Mietvilla Ludwig-Richter-Allee 17 in Radebeul

Seit längerem schon habe ich in Vorschau + Rückblick kein Denkmalobjekt vorgestellt; ich bin ja auch nicht mehr im Dienst und damit vom amtlichen Geschehen etwas abgehängt. Nun will ich vorwiegend aus der Erinnerung von einem Kulturdenkmal berichten, an das ich gerne denke – die Ludwig-Richter-Allee 17. Jahrelang kannte man sie nur als »graue Maus«, in wichtigen Details verändert und dringend einer Sanierung bedürfend. Heute ist diese Mietvilla – sach-, fach- und materialgerecht saniert – ein Hingucker in der an schönen Häusern wahrlich nicht armen Ludwig-Richter-Allee!

Das repräsentative, zweigeschossige Gebäude wurde durch den bekannten Architekten und Baumeister Adolf Neumann 1888 im Dreikaiserjahr geplant und bis 1889 fertig gestellt. Stilistisch gehört diese Mietvilla (hier zwei gleichwertige Wohnungen für gehobenen Standard in jeder Etage mit separatem Treppenhaus) zur Bauepoche des Spätklassizismus in der Folge der Nicolai-Schule (Architekt Georg Hermann Nicolai, 1812-1881, ab 1850 Professor und Nachfolger Sempers an der Dresdner Akademie). Vergleichbare Wohnbauten finden wir in Dresden etwa zwischen 1860 und 1880, z. B. »Villa Martha«, Leipziger Str. 43, Gebr. Ziller, 1871/72. Die betrachtete Mietvilla von 1888 liegt zwar später als vergleichbare Dresdner Beispiele, jedoch kann man das auch bei anderen Bauten beobachten – Radebeul erlebte einige »Moden« zeitversetzt später als Dresden.

Im Laufe der Zeit wechselte auch hier der Besitz des Hauses. Nachdem der vorletzte Eigentümer 1957 die DDR illegal verlassen hatte, fiel das Haus an den Staat und die Gebäudewirtschaft verwaltete es. Dieser Betrieb hatte seit etwa 1988 die Absicht, das Haus zu verkaufen, was dann im Sommer 1990 (also noch zur DDR-Zeit) an den jetzigen Eigentümer, Torsten Herrmann, auch geschah. Kurz darauf hörte bekanntlich die DDR auf zu existieren, nun herrschte BRD-Recht. Das heißt, die Erben des Eigentümers von 1957 stellten bezüglich der Immobilie einen Restitutionsantrag, der nach Prüfung 1998 bewilligt wurde. Für Herrn Herrmann bedeutete das, dass der Kauf von 1990 ungültig wurde und rückabgewickelt werden musste. Da die Alteigentümer jedoch keinen Wohneigenbedarf hatten, konnte Torsten Herrmann das Haus nun erneut kaufen, jetzt aber von privat an privat. Abgeschlossen war der Vorgang dann 1999, als der Grundbucheintrag erfolgte. In zehn Jahren der Ungewissheit durfte Herr Herrmann, dessen Verwandte mütterlicherseits seit 1947 als Mieter im Hause wohnten, noch keine Bau- oder Sanierungsarbeiten beginnen. Solch komplizierte Regelungen von Eigentumsfragen waren nach der Wiedervereinigung leider kein Einzelfall!

Jetzt galt es, Geschichte und Wert des Hauses, das seit 1991 als Kulturdenkmal registriert war, zu erkennen und die richtigen Bau-, Sanierungs- und Ergänzungsmaßnahmen einzuleiten. Der zweigeschossige Bau wurde aus Bruchsteinen (Syenit) und verputztem Ziegelmauerwerk errichtet, nach der Straße erhielt er fünf Fensterachsen, nach den Seiten jeweils zwei bzw. drei Achsen, das abgeplattete Walmdach hatte ursprünglich und heute wieder eine Schieferdeckung. Hervorgehoben ist auf der Straßenseite ein dreiachsiger Mittelrisalith mit Loggia, Balkon und Dreiecksgiebel. Folgende Detailmerkmale unterstreichen den spätklassizistischen Charakter der Mietvilla: variierte Säulenordnungen im Risalith – vollplastische Eck- und Rundsäulen im EG, halbplastische Säulen vor der Wand des OG, der Wechsel unterschiedlicher Fensteröffnungen – im EG solche mit Segmentbogen-, im OG mit geradem, im Risalith jedoch mit Rundbogenabschluss. Die Fenster des OG zeigen mit Verdachungen und Konsolen schmückendes Beiwerk, die des EG werden allein durch ein System von Putznutungen (sogen. Rustika) gestalterisch eingebunden. Eine ausgewogene vertikale und horizontale Putzgliederung (Gesimse, Putzbänder und -spiegel sowie Lisenen) und dazwischen fein ausgeriebener Glattputz wurden zur Wandgestaltung eingesetzt. Hinzu kommen die Schmuckformen (Pfeiler und Docken) der Balustrade sowie das reich geschmückte Giebeldreieck mit mittig aufgesetztem Akanthusblatt. Die Kastenfenster, bestehend aus je zwei Flügeln und separatem Oberlicht, konnten aufgearbeitet werden.

Wahrscheinlich wollte man bei einer Sanierung in den 1930er Jahren die Fassaden modernisieren und vereinfachen. Seitdem fehlten alle Putzgliederungen einschließlich der Rustika. Eine geänderte, massivere Brüstungsgestaltung – die Originalzeichnung von 1888 zeigt dagegen Sandsteindocken wie heute – kann noch während der Bauphase oder später veranlasst worden sein. Die optische Wirkung der geschlossenen Balustrade erschien über den EG-Säulen zu flächig und kopflastig, sodass die durchbrochene Balustrade viel besser zur ansonsten filigran geschmückten Fassade passt. Die alte Bauzeichnung ließ drei bekrönende Akroterien (Akanthusblätter, Material unbekannt) auf dem Giebel erkennen. Vorläufig ergänzte der Bauherr nur das mittlere in Kupfer, die seitlichen, als Ecken ausgebildeten Blätter können ggf. auch später noch hinzugefügt werden. Zu Beginn der Sanierung im Jahre 2000 war am Haus nur noch eine einzige Jalousie mit Blende vorhanden. Hier bat Herr Herrmann den Denkmalschutz, auch auf diese Jalousie verzichten zu dürfen. Viel Mühe machte die Abstimmung hinsichtlich der Fassadenfarben. Durch Neuputz in den 30er Jahren (s.o.) waren keine originalen Putzfarben von 1889 mehr zu finden. Spätklassizistische Häuser waren in der Regel nicht bunt oder mit kräftigen Farben gestrichen, eher in gebrochenen Weißtönen, grauen Tönen oder hellen Steinfarben gehalten. Über Probefarbflächen konnte für den Fond der Fassaden eine hellgraue Sandfarbe und für die Architekturglieder ein Eischalenfarbton gefunden und festgelegt werden.

Der Bauherr achtete auch darauf, Handwerker zu binden, die bereits Erfahrungen im Umgang mit Denkmalobjekten vorweisen konnten, darunter die Firma Robert Bialek. Da Herr Herrmann die Baumaßnahme gut vorbereitet hatte, war nach ein paar auf hohem fachlichem Niveau geführten Gesprächen mit dem damaligen Gebietsreferenten des Landesamtes für Denkmalpflege, Herrn Dr. Pinkwart, eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung leicht zu erteilen. Das gute Ergebnis der 2002 abgeschlossenen Sanierung führte fast folgerichtig dazu, dass das Objekt 2004 mit dem Bauherrenpreis der Stadt Radebeul ausgezeichnet wurde, und zu einer Anerkennung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Bonn. Inzwischen konnten auch der straßenseitige Eisenzaun und die Einfriedungsmauern repariert und die Gartengestaltung vollendet werden.

Dietrich Lohse

[V&R 3/2011, S. 6-8]

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