„Es geht um Belcanto, nicht um bell canto!“

An den Landesbühnen Sachsen begeisterten die COMEDIAN HARMONISTS das Publikum

Nicht die kleinste Spur von Verstaubtheit, kein nostalgischer Rückblick und auch kein erhobener Zeigefinger. Dagegen erlebten Premierenbesucher eine frische, muntere und doch auch sehr nachdenklich stimmende Geschichte um das Werden und Vergehen einer seit langem schon zur Legende mutierten Vocalistengruppe; den „Comedian Harmonists“ nämlich.

Landesbühnen Sachsen: Comedian Harmonists

Wenn auch so mancher mit dem Namen der Gruppe heute nichts mehr anzufangen weiß, so kennt er doch mit Sicherheit den einen oder anderen Song. Wie z.B. das freche „Mein kleiner grüner Kaktus“ oder das muntere „Veronika, der Lenz ist da“. Diese beiden wie auch viele andere Stücke des Sextetts sind lange schon zu Evergreens geworden. Die durchaus tragisch geprägte Geschichte um das Entstehen und Vergehen der Comedian Harmonists selbst aber wurde durch den hohen Bekanntheitsgrad der Songs eher in den Hintergrund gedrängt. Umso erfreulicher ist das Bemühen der Landesbühnen Sachsen zu werten, diese Story nun innerhalb des Spielplans 2011/12 seinem Publikum zu präsentieren.

Geschrieben wurde das Stück von Gottfried Greiffenhagen, die musikalische Einrichtung besorgte Franz Wittenbrink. In den Händen von Stefan Brosig lag die Regie für die Radebeuler Inszenierung. Die Ausstattung besorgte Irina Steiner, während Hans Peter Preu sich um die musikalische Einstudierung vor Ort kümmerte. Doch das war nur der eine Teil seiner Aufgabe. Denn Preu wurde gar selbst zu einem aktiven Teil der Inszenierung. Er hatte nämlich – was durchaus logisch erschien – die Rolle des Pianisten und Arrangeurs Erwin Bootz übernommen. So präsentierte sich die neue spartenübergreifende Inszenierung an den beiden Premierenabenden 12. und 13. Mai mit sechs Sängern und einem Schauspieler zugleich als höchst musikalisches Schauspiel, wie auch als schauspielerisches Musical.

Bei Hitlers Machtantritt 1933 hatte der Bekanntheitsgrad der Comedian Harmonists längst die Grenzen Deutschlands überschritten. Ja, mehr noch; das Sextett avancierte schon bald nach seiner Gründung im Dezember 1927 zu einer Art Inbegriff deutscher Gesangskunst schlechthin. Dabei hatte sich die Gruppe eigentlich strikt nach dem Vorbild der amerikanischen „Revelers“ orientieren wollen. Doch mit zunehmender Perfektion wuchs die Popularität und schließlich entstand so der ganz unverwechselbare (bis heute von allerhand Epigonen kopierte aber niemals an das Original heranreichende) Gesangsstil.

Das Stück erzählt von der Entstehung der Gruppe, geprägt von der wirtschaftlichen Not in der auslaufenden Weimarer Republik. Und von der Mühsal des Zueinanderfindens und von der Problematik des Zusammenraufens stark ausgeprägter künstlerischer Charaktere. Es lässt jede Menge politischer Gegensätze aufeinanderprallen. Und es lebt natürlich von der immer noch erstaunlich frischen und unvergänglichen Musik der sechs Comedian Harmonists.

Fünf Sänger und ein Pianist sind die Hauptakteure der Inszenierung. Dazu kommt der Schauspieler Holger Uwe Thews, der in ca. zehn verschiedenen Rollen auf der Bühne agiert. Grandios spielt er bspw. eine Vermieterin, die auf Musik allergisch reagiert. Er mimt einen Veranstalter, einen Agenten und gibt als überzeugter Nationalsozialist dem Rassenwahn ein Gesicht.

Selbstverständlich spielt die Musik die Hauptrolle. Und es erklingen all die bekannten Lieder des Sextetts; jener merkwürdige „Onkel Bumba aus Kalumba“; Antonin Dvoraks „Eine kleine Frühlingsweise“; das sehnsuchtsvolle „Liebling, mein Herz lässt Dich grüßen“ und nicht zuletzt auch der unsterbliche „Kleine grüne Kaktus“.

Drei der Comedian Harmonists waren Juden; der Gründer Harry Frommermann (Kay Frenzel), der gebürtige Pole Roman Cycowski (Norman D. Patzke) und Erich Collin (Michael Axelsson). Ein Fakt, der zum Gründungszeitpunkt unerheblich war, sich aber nach der Machtergreifung durch die Nazis schnell zum Problem auswuchs und schließlich zum Streit innerhalb der Gruppe selbst bis zur endgültigen Auflösung führte. Als offizielles Trennungsdatum wird der 1. März 1935 genannt. Danach standen die sechs nie wieder gemeinsam auf einer Bühne. 1998 verstarb mit Roman Cycowski in San Francisco der letzte der Comedian Harmonists.

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