Zum zweiten Ehrenbürger von Kötzschenbroda wurde durch Stadtverordneten-Beschluss vom 1. Dezember 1927 einer der bedeutendsten Unternehmer der Stadt ernannt, der sich in seiner Wahlheimat nicht nur als großer Steuerzahler, sondern vor allem auch durch sein soziales und kulturelles Engagement Achtung und Dankbarkeit erworben hatte: Der Ingenieur J. Wilhelm Hofmann
Johannes Wilhelm Hofmann wurde am 8. April 1876 in König Erbach im Odenwald geboren. Er stammt aus einer kinderreichen Familie und wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Als Kind hatte er seine jüngeren Brüder betreuen müssen, und aus dieser Zeit wird ihm bereits Erfindergeist nachgesagt: Aus einem System von Schnüren, die er an der Wiege seiner jüngeren Geschwister befestigte, hatte er sich eine Art Fernbedienung ausgedacht, mit der er von draußen aus das Geschehen im Zimmer »in der Hand« hatte, ohne seinen Spielplatz verlassen zu müssen.
Über Hofmanns Lehr- und Wanderjahre ist wenig bekannt. Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts verschlug es den frisch gebackenen Ingenieur nach Kötzschenbroda, von wo seine Frau stammte. Hier gründete er 1902 eine »Fabrik elektrischer Apparate«, die er mit anfangs vier Arbeitern in zwei gemieteten Werkstatträumen an der Meißner Straße betrieb. Er setzte mit der Produktion von Nietverbindern eine eigene, international preisgekrönte Erfindung in die Praxis um, die den Bau von Freileitungen für die Energieversorgung wesentlich vereinfachte.
Das Unternehmen entwickelte sich rasant: 1906 zog die Firma nach der Blücherstraße 11 in ein eigenes Fabrikgebäude (heute B.-Voß-Str. 25), das sich schon bald wieder als zu klein erwies. Ab 1919 erfolgte der Umzug an die Fabrikstraße 27, wo ein neues Verwaltungsgebäude und eine neue Werkhalle errichtet wurden, die bis heute genutzt werden. 1925 wurde J. W. Hofmann mit einer Kapitalbeteiligung Teilhaber der Firma Richard Bergner (RIBE) in Schwabach. Als Hofmanns Firma 1927 ihr 25-jähriges Bestehen beging, beschäftigte sie bereits 520 Mitarbeiter, war mit modernsten Werkzeugmaschinen ausgerüstet und belieferte das In- und Ausland mit elektrischen Armaturen aller Art (vgl. V&R 10/2005, S. 6-9).
Dieses Jubiläum war auch der Anlass für die Verleihung des Ehrenbürgerrechts. Im Begründungsschreiben der Stadt sind drei Punkte besonders erwähnt: Hofmanns langjährige Mitarbeit im Gemeindeverordnetengremium, seine stete Hilfsbereitschaft sowie sein Einsatz für die Linderung sozialer Nöte. Der neue Ehrenbürger bedankte sich generös, indem er der Stadt 10.000 Mark zur Errichtung einer Kindertagesstätte stiftete, für die er später noch mehrfach tief in die Tasche griff. Auch andernorts war Hofmann hoch geschätzt; 1929 verlieh ihm die TH Braunschweig den Titel Dr.-Ing. e.h., die TH Dresden ernannte ihn zum Ehrensenator.
Weil sich seine Firma den dort während des II. Weltkriegs eingesetzten Fremdarbeitern gegenüber erwiesenermaßen anständig verhalten und keine Rüstungsgüter produziert hatte, blieb die Fabrik 1945 von Demontagen verschont. Reparationsleistungen an die Sowjetunion lieferte der Betrieb in Form von »know how«: Über einen Zeitraum von mehreren Jahren hielten sich sowjetische Offiziere im Betrieb auf und kopierten technische Details aus den Unterlagen.
Da das Radebeuler Unternehmen als bisher unbestrittener Marktführer auf dem Gebiet der Hochspannungsarmaturen die Belieferung der westlichen Besatzungszonen nicht mehr gewährleisten konnte, übernahm auch das befreundete Unternehmen RIBE in Schwabach die Produktion nach den originalen Radebeuler Unterlagen. Dies wurde 1951 in der DDR zum Anlass genommen, J. W. Hofmann und seinen Sohn wegen Zoll- und Devisenvergehen festzunehmen und das gesamte Privat- und Betriebsvermögen einzuziehen. Hofmann wurde aus gesundheitlichen Gründen entlassen und übersiedelte 1953 nach Nürnberg, sein Sohn folgte ein Jahr später.
In einem Brief an den damaligen Radebeuler Bürgermeister hat Hofmann sein Bedauern über diesen Schritt geäußert und darum gebeten, dass sich die Stadt um das Wohl des Betriebes kümmern möge. Ab 1953 wurde das Radebeuler Unternehmen als VEB Hochspannungs-Armaturenwerk (HAW) weitergeführt, 1991 wurde es von der Firma Richard Bergner Elektroarmaturen übernommen und firmiert seit 2000 unter RIBE Elektroarmaturen Radebeul.
J. Wilhelm Hofmann starb am 12. September 1956 in München. Sein letzter Wille, in der Familiengrabstätte in Radebeul beigesetzt zu werden, ließ sich angesichts der politischen Situation nicht realisieren. Seinen Spuren kann man in Radebeul aber noch an manchen Stellen begegnen, so in den von ihm gestifteten Bleiglasfenstern in der Berufsschule an der Straße des Friedens und in verschiedenen Baulichkeiten, darunter seine 1916 errichtete repräsentative Villa Ledenweg 2. Das ehemals Hofmannschen Kinderheim Am Gottesacker 6 ist heute Ökumenisches Kinderhaus in der Trägerschaft des Kinderarche Sachsen e.V.
Eckhart Bürkner, IG Heimatgeschichte
[V&R 6/2010, S. 16-18]