Rauchschwalben in Radebeul (III)

Junge Rauchschwalbe

Eine „echte Alt-Wahnsdorferin“ ist sie, die Rauchschwalbe, die sich am 28. Juni des vergangenen Jahres auf der Stromleitung in der Nähe des Feuerlöschteiches niederließ und dabei von einem unserer Fachgruppenmitglieder fotografiert wurde. Einige Wochen blieb sie noch am Ort, ehe sie Anfang September zu ihrer großen Reise aufbrach, mit allen ihren Artgenossen aus unserer Gegend, in das zentrale Afrika, vermutlich in den Landstrich zwischen Liberia und der Republik Kongo. Dort hält sie sich wohl jetzt noch auf, wenn sie es bis dorthin geschafft hat und nicht durch einen der schicksalhaften Wechselfälle ihr Leben verlor. Beschwerlich dürfte sie jedenfalls gewesen sein, die Reise nach Süden, bei der nur die reine Luftlinie schon um die 6000km beträgt. Und Gefahren lauern überall auf so ein kleines Lebewesen: Kälteeinbrüche, Sandstürme, Hagel und, am verhängnisvollsten für sie, Trockenheit in den Überwinterungsgebieten. Aber auch die Menschen dort stellen eine nicht unerhebliche Bedrohung dar. Vor Jahren ging eine Meldung durch die Fachwelt, dass in Nigeria hunderttausende Rauchschwalben mit klebrigen Ruten gefangen und in den Kochtopf wandern würden. Die Entrüstung unter den europäischen Vogelliebhabern war groß. Bei intensiverem Nachforschen wurde deutlich, dass die dort lebenden und unter Hunger leidenden Menschen sich auf diese Weise ein wenig Nahrung verschafften.

Durch eine organisierte Spendenaktion konnte in den folgenden Jahren dort eine kleine Schweinezucht aufgebaut werden und der Rauchschwalbenfang wurde von den Stammesältesten verboten. Das geschah in den Jahren nach 1996. Wie die Situation heute aussieht, darüber gibt es keine Informationen. Aber das Beispiel belegt, dass schlecht ernährte, hungernde Menschen alles versuchen, um den am eigenen Leib bitter erfahrenen Mangel an Nahrung ein wenig auszugleichen. Bei der Wahl der Mittel bleibt ihnen oft kein großer Spielraum. Und die Natur scheint ihnen die unerschöpfliche Ressource zu sein, bei der man sich ohne Bedenken bedienen kann.

Rauchschwalbe

Wie schon in den vergangenen Jahren soll auch in diesem Heft der Blick auf die Rauchschwalben gerichtet werden, die das Gebiet um Radebeul 2011 zu ihrem Sommerwohnsitz erwählten. Einige Fachgruppenmitglieder waren wieder unterwegs, registrierten, wo die Vögel sich sehen oder hören ließen, versuchten, ihre Nistplätze aufzufinden und, wenn sie dabei Erfolg hatten, die Nester, Brutpaare und Jungen zu zählen. Einige Nistorte sind bekannt: zwei Reiterhöfe in den Ortsteilen von Radebeul, und dann ein paar Bauerngüter in Wahnsdorf, Naundorf und Serkowitz. Die Bewohner dieser Höfe gewähren „ihren“ Schwalben großzügig Gastrecht, freuen sich, wenn sie wieder da sind und öffnen ihnen bereitwillig die Räume, die sie schon in den vergangenen Jahren zu ihrem Domizil erwählt hatten. Das kann eine Scheune sein, an deren Balken die Nester hängen, ein Hausflur, ein kleines, jetzt als Schafstall genutztes Nebengelass, sogar eine Werkstatt ist darunter, in die hinein, durch eine immer offengehaltenen Tür, die Vögel in reißendem Flug hineinstürmen, um ihre Jungen mit Nahrung zu versorgen. Sie sind an die Nähe der Menschen gewöhnt, lassen sich nicht stören, wenn diese ihrer Arbeit nachgehen und von ihren Gästen nicht viel Aufhebens machen.

Leider sind es im vergangenen Jahr nicht mehr so viele gewesen wie im vorangegangenen. Nur wenig mehr als die Hälfte wurden gezählt, statt 65 nun nur noch 38 Brutpaare. Man wird von dieser Zahl noch keinen allgemeinen Trend ableiten können und die Ergebnisse von 2012 abwarten müssen. Aber ein Grund zur Sorge ist dieser Umstand allemal, weil er korrespondiert mit seit Jahren beobachteten Bestandsrückgängen mehrerer Vogelarten in Dörfern und Feldfluren, z.B. Feldlerche, Kiebitz und Rebhuhn.

Es ist leider so und wird sich in absehbarer Zeit wohl auch nicht ändern: durch unsere Eingriffe in die Landschaft, die Verstädterung ehemals dörflicher Siedlungen, den Rückgang der Milchviehhaltung, durch Modernisierung der Stallanlagen, moderne Bewirtschaftung von Ackerflächen, durch Rodung von Hecken und Trockenlegung von Nassflächen wird vielen Tierarten, auch der Rauchschwalbe, immer mehr die Lebensgrundlage entzogen.

Im April wird unsere „Alt-Wahnsdorferin“ hoffentlich wieder zu uns zurückkehren, zusammen mit weiteren Artgenossen. Und wir wissen: Die Brutzeit ist sehr wichtig für den Fortbestand einer Vogelart. Es kommt also auch auf uns an, ob Rauchschwalben weiterhin zu sehen und zu hören sind in den Ortsteilen von Radebeul.

Wir sollten mehr tun für ihren Fortbestand, finden Sie nicht auch? Wenn Sie der gleichen Meinung sind und etwas tun wollen für die Rauchschwalben in Radebeul, steht Ihnen die „NABU-Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz“ mit Rat und Tat zur Seite.

Johannes Woldt
Mitglied der NABU-Fachgruppe

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