„Es zählt nur der Moment!“

Andreas „Scotty“ Böttcher begeisterte in der Winter-Lounge an den Landesbühnen Sachsen

Cover der CD »no silence«

Cover der CD »no silence«

In rasender Geschwindigkeit eilen die Finger über die Tasten des Flügels. Hin und wieder nur mal kurz von einem Griff ins Innenleben des Instruments unterbrochen. Doch halt, eine Unterbrechung im Sinne des Begriffs ist auch das ja nicht. Sondern mehr so etwas wie eine Zäsur oder auch ein Befehl an sich selbst, das eigene davon eilende Temperament doch bitte etwas zu zügeln. Das allerdings ist ausgesprochen schwer für einen, der sich in solchen Momenten ausschließlich der Musik und nur der Musik verschrieben hat. Der während seines Spiels manchmal gar nicht an diesem Ort, sondern irgendwo – ganz weit weg – zu sein scheint. Ganz allein mit sich selbst und dem Instrument. Und sitzt dann womöglich auch noch einer im Publikum, der es gewohnt ist, die gespielte Musik außerdem noch in Worten erklärt zu bekommen, dann ist der bei Andreas „Scotty“ Böttcher garantiert fehl am Platz. Denn Böttcher ist geradezu ein Meister jener Art von Improvisation, die man akustisch wie auch gefühlsmäßig überhaupt gar nicht in dieser Schublade sehen möchte. Allein schon aus diesem Grunde stellte Andreas Böttcher am Abend des 8. Februar 2013 im Foyer der Landesbühnen Sachsen seinem Konzert die beiden Sätze voran: „Es zählt der Moment. Denn es geht um die absolute Improvisation!“ Eine Versicherung, die der Ausnahmepianist rund neunzig Minuten lang mit sehr viel Kraft und sehr viel Leben erfüllte.
Es war die dritte Veranstaltung einer insgesamt acht Konzerte umfassenden Reihe an den Landesbühnen Sachsen – genannt „Winter Lounge“ – die u.a. auch die weithin einsehbare imposante Glaskanzel des Theaters beleben soll. Dieser Freitagabend aber sprengte inhaltlich durchaus den eigentlichen Rahmen, denn es war das einzige Konzert der Reihe, das auf die reine musikalische Improvisation setzte.
Andreas „Scotty“ Böttcher – der im Gespräch immer wieder die Kirchenorgel zu seinem absoluten Lieblingsinstrument erklärt – hat in seinem bisherigen Musikerleben mit allerhand namhaften Kollegen zusammen gearbeitet. Dazu gehörten Friwi Sternberg, Ernst Bier, Günter „Baby“ Sommer oder Friedbert Wissmann. Dazu gehörten u.a. aber auch die Amerikaner Mack Goldsbury und Adam Smith. Mit dem letztgenannten – einem Drummer und Percussionisten – hat Böttcher vor wenigen Tagen erst eine CD fertig gestellt, die den bezeichnenden Titel „no silence“ trägt und insgesamt sieben wunderbare Kompositionen enthält. Dieser Titel lässt sich natürlich auch ganz und gar auf das Solokonzert Böttchers übertragen. Denn trotz all der zahlreichen wunderbar zurückhaltenden bzw. leisen Zwischentöne will Scotty Böttcher sein Publikum keineswegs zur Zurückhaltung bzw. zur Stille motivieren. Da fallen die Töne bspw. wie schwere Tropfen in den Raum, da bauen sich in rasantem Tempo Wände auf, entstehen weite musikalische Bögen die aber nur einen  Moment später wie in einer Dekonstruktion wieder zusammen fallen. Da vermischt sich die Andeutung eines Swingstücks mit einem kraftvollen Blues. Und da wird so zugleich eine völlig neue Musikmixtur geboren.
Auch im zweiten Konzertteil nach der Pause dominiert das Experiment. Die vielen Deutungsmöglichkeiten dieses Begriffs werden dennoch über die Musik rigoros reduziert. So dass der Musiker sein Publikum bspw. auf eine geruhsame Reise in die Welt der Melancholie mitnimmt. Dorthin, wo sich bspw. Trauer und Optimismus begegnen. Kraftvoll und dennoch zurückhaltend; feierlich und dennoch den Alltag verinnerlichend öffnet „Scotty“ Böttcher dem Publikum auch noch die ätherische Dimension. Wenn er dann aber die letzte Taste des Flügels angeschlagen hat; wenn der letzte Ton noch im Raum schwingt – dann überwiegt am Ende das Gefühl, gemeinsam etwas Einmaliges erlebt zu haben.

Wer diese Stimmung nach Hause mitnehmen wollte, der war mit dem Erwerb der CD „no silence“ auf der richtigen Spur. Ganz egal, ob es die „Blue Ballad“, das „Nightlife“ oder das „Trio For Two“ ist“ – „No Silence macht großen Appetit auf mehr Musik dieser Art.
 
W. Zimmermann.
 
Foto (Zi): Cover der CD „No Silence“

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