In der ersten Folge unserer Serie zum 100. Eröffnungsjubiläum des Weinbaumuseums Hoflößnitz hatten wir im vorigen Heft an einen denkwürdigen Vortrag von Dr. Hans Beschorner im Jahr 1903 erinnert, der die Aufmerksamkeit der Dresdner Fachöffentlichkeit auf das im Dornröschenschlaf liegende Weinbergschlösschen im Herzen der Lößnitz lenkte. Diesem Vortrag folgten schon ein Jahr später zwei
Im 26. Heft der »Beschreibenden Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen« (Dresden 1904, S. 136-149), das die Baudenkmale im Gebiet der Amtshauptmannschaft Dresden-Neustadt und damit auch der Lößnitz behandelte, lieferte Dr. Cornelius Gurlitt, Professor für Baukunst an der Technischen Hochschule in Dresden, eine ausführliche und sorgfältig bebilderte Beschreibung des von ihm als »das Wohnhaus« bezeichneten kurfürstlichen Lusthauses der Hoflößnitz und der gesamten Anlage. Auch wenn Gurlitt dabei einige – für einen solchen Experten erstaunliche – Ungenauigkeiten unterliefen, die Zweifel daran nähren, dass er das Schlösschen höchstpersönlich näher in Augenschein genommen hatte, ist seine Einschätzung, »das ganze Obergeschoss« sei »eines der bemerkenswerthesten Beispiele der Dekorationsweise des 17. Jahrhunderts« durch die beigegebenen qualitätvollen Lichtbilder und die eingehende Beschreibung der künstlerischen Ausstattung der fünf Räume hinlänglich untermauert. War die Hoflößnitz schon durch die Aufnahme in dieses Denkmalinventar als Baudenkmal klassifiziert, rangierte sie durch diese Einschätzung nun auch gleich in der ersten Kategorie.
Noch umfangreicher war der ebenfalls hervorragend illustrierte Aufsatz »Die Hoflößnitz bei Dresden« von Hans Beschorner in den »Dresdner Geschichtsblättern« (13. Jg., 1904, H. 1, S. 209-226 und H. 2, S. 239-247), die inhaltlich vertiefte und um nach wie vor wertvolle Quellenbelege ergänzte Fassung seines Vortragsmanuskripts aus dem Vorjahr. Dass Gurlitt und Beschorner aus je eigener Fachperspektive parallel am gleichen Thema saßen und sich austauschten, zeigen die Querverweise beider aufeinander. Beschorners Verdienst besteht darin, dass er die ihm dienstlich gut zugänglichen Akten des Hauptstaatsarchivs für seinen Gegenstand erstmals akribisch auswertete. Ergebnis war eine quellensatte und bis heute in Teilen unübertroffene Geschichte der alten Hoflößnitz bis zum reblausbedingten Ende des Staatsweingutes im späten 19. Jahrhundert.
Die Essenz dieses Aufsatzes, um einige neue Informationen bereichert, verwertete der Autor für den – wie alle seine Texte brillant formulierten – Artikel »Das Lust- und Berghaus in der Hoflößnitz einst und jetzt« in der Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung (Jg. 1905, Nr. 142 vom 2.12.1905, S. 565-567 und Nr. 143 vom 5.12.1905, S. 569f.), der u. a. die bauliche Fertigstellung des Schlösschens erstmals richtig auf das Jahr 1650 datiert. Damit wurde die Hoflößnitz nun in breiten Kreisen der kulturell und historisch interessierten Sachsen ein Begriff. Beschorners fragendes Fazit zur Zukunft dieses Kleinods – »Wird es vom Erdboden verschwinden? Oder wird es einen kunstsinnigen Eigentümer […] finden, der liebevoll seine Hand über all die Herrlichkeiten aus längst vergangenen Tagen breitet?« – gipfelte in dem Wunsch: »Hoffen mir das letztere!«
Noch verschiedentlich und auch, als Letzteres Jahre später längst eingetroffen war, kam Hans Beschorner, seit 1928 Direktor des Staatsarchivs, publizistisch auf die Hoflößnitz zurück, zuletzt in der 1931 als Nummer 10 der Reihe »Geschichtliche Wanderfahrten« erschienenen Broschüre »Die Hoflößnitz bei Dresden«, die mittlerweile als Reprint und – dank doppelter Digitalisierung – auch online leicht verfügbar ist. Wie vor 12 Jahren, als ich dieses Thema schon einmal aus etwas anderer Perspektive behandelt habe (vgl. V&R, Heft 7/2012), sei abschließend ein Zitat aus der Einleitung dieses Heftchens angeführt, dass heute noch fast so aktuell klingt wie 1931. Es sei sonderbar, schreibt Beschorner nämlich, »wie unbekannt den Dresdnern, ja selbst den Lößnitzern diese Sehenswürdigkeit ist. Die Sektkellerei kennt jeder, die Hoflößnitz so gut wie niemand.« Das Jubiläumsjahr 2024 bietet nun vielleicht Anlass und sicher reichlich Gelegenheit, dies zu ändern. (Fortsetzung folgt.)
Frank Andert