Später Gruß an Vorschau & Rückblick von einer Tante

Wenn man denn, was in der Tat nahe liegt, die alte „Vorschau“ (1954 – 63) als die Mutter des heutigen Kulturblattes „Vorschau & Rückblick“ (1990 – jetzt) betrachten möchte, dann hatte sie, wie ich erst kürzlich erfuhr, wohl eine Schwester, das „Radeberger Kulturleben“ (1955 – 1976) gehabt. Ich glaube schon, dass auch die Tante daran gedacht hätte, der Nichte zum 35. Geburtstag, den wir 2025 feiern werden, gratulieren würde.
Dieses ganze Spiel mit irgendwelcher Zeitungsverwandtschaft klingt wie eine Behauptung, die Herr Lohse doch bitte erst mal beweisen sollte, nicht wahr?

Repro D. Lohse

Repro D. Lohse

Als Familie machen wir gelegentlich mal einen Abstecher nach Radeberg. Nein, nicht des Bieres wegen, könnte man aber auch mal machen. Unser Ziel ist meist das in Radeberg befindliche Schloss Klippenstein – ein wenig Burg, ein bisschen Schloss. So konnte ich über die Jahre die schrittweise, gute Entwicklung des Gebäudekomplexes beobachten, Denkmalpfleger interessiert so was immer. Noch 1989 war das Schloss ein grauer, nur zT. nutzbarer Kasten, der in den reichlich 30 Jahren so eine Wandlung erfuhr. Die bauliche Substanz wurde in Stand gesetzt, die inneren Funktionsbereiche neu geordnet und die Außenanlagen mit kleinem Park und Teich aus einem „Dornröschenschlaf“ erweckt und ist nun eine Perle mit verschiedenen musealen Bereichen, durchaus empfehlenswert. Interessant war auch die Reitertreppe, auf der Pferd samt Reiter bis ins OG gelangten. Ich glaube, wir sahen da zuletzt im Advent die Sonderausstellung einer privaten Sammlung von Grünhainichener Engeln, die mit den 11 weißen Punkten auf grünen Flügeln. Neben der Kasse, wo es sonst aktuelle Infos und Faltblätter gab, lag ein Stapel älteren Papiers: einige Hefte der alten Reihe „Radeberger Kulturleben“ aus den 60-er und 70-er Jahren. Eigentlich war das längst Altpapier, aber für Interessenten gern zum Mitnehmen gedacht. Ich fand Interesse, dachte kommt dir doch irgendwie bekannt vor, nimmst mal 4 Stück (Hefte 12 / 61, 01 / 68, 10 / 70 und 05 / 71) wahllos gegriffen mit. Diese Hefte sahen den Heften der Radebeuler „Vorschau“ tatsächlich zum Verwechseln ähnlich. Eine Weile gerieten dann die Hefte aus Radeberg in Vergessenheit bis zu dem Tag, als ich wieder mal meine Bestände überprüfte, was kann weg, was eher nicht.

»Im Volkskunstmuseum«, Johannes Thaut, Repro D. Lohse

Nun konnte ich sie neben meine gesammelten, alten Vorschau – Hefte legen und vergleichen. Ich fand tatsächlich einige Gemeinsamkeiten heraus, die mich schließlich zu dem amüsanten Gleichnis von Tante und Nichte brachten, schauen wir mal!
Wenn ich die älteren Schwesternhefte vergleiche, ergeben sich immer wieder auch Blicke zur jüngeren, 35-jährigen Nichte, unserer „Vorschau & Rückblick“. Fangen wir beim Format an – alle drei sind im handlichen A 5-Format erschienen und hatten, bzw. haben einen Umfang von anfangs 20 und später sogar 32 Seiten. Deck- und Rückblatt besteht aus weißem, etwas kräftigerem Papier, die Innenseiten dagegen sind aus billigerem, stark vergilbendem Papier. Und wenn wir die in einem monatlich wechselnden, unifarbenen Rahmen sitzenden Titelbilder betrachten, erkennen wir auf Fotos oder in grafischen Bildern jeweils lokale Motive, Orte, Häuser oder auch Personen hier aus Radeberg, da aus Radebeul, Moritzburg und Radeburg – die dritte, mit „Rade“ beginnende Stadt wird vom Radebeuler Heft mit bedient. Außer den Titelbildern sehen wir die Titelzeile, also den Namen des Heftes, das jeweilige Stadtwappen – Radeberg mit dem halben Rad unten und einem Löwen mit Schwert im Rücken (?) oben und Radebeul bekanntermaßen mit ganzem Rad und der Weintraube darüber – und kleiner gedruckt die zeitliche Einordnung sowie das Verbreitungsgebiet. Auch die Auflagenhöhe dürfte mit 3000 bis 4000 Stück ähnlich gewesen sein. Die älteren Hefte kosteten 25 Pf. (Radeberg), bzw. 30 Pf. (Radebeul, die neuen Hefte dagegen wurden bald schon kostenlos abgegeben – kostenlos aber nicht wertlos! Bis hierher spürte man die Regie des Kulturbundes im Kreis Dresden-Land deutlich. Ich vermute sogar eine DDR-weite Regie, denn ich fand solche A 5-Kulturblätter mal in einem Ferienquartier im Harz. Ähnlich sah es mit der Platzierung von Werbung in den Heften aus, Werbeanzeigen für örtliche Händler und Betriebe gab es jeweils in der 2. Hälfte der Hefte – im Radeberger Heft natürlich für Radeberger Pilsner und auch für RAFENA (Fernseher), während Radebeul für die Wäscherei Kelling, Kunst von Künitzer oder gelegentlich für Sekt und Wein warb. Mitten im Heft waren bei beiden kritisch-lustige Reime platziert. Die Radeberger hatten dafür die Überschrift „Kanonenkugel“ gewählt, unterschrieben von Herrn oder Frau Lunte (?), wohl ein Pseudonym. Für Radebeul besorgte die Rubrik „Der Pfeil“ Ulrich Pohle. Auch hier wird klar, dass Jemand im Hintergrund die Fäden geführt hatte. Bei Vorschau & Rückblick dagegen wird weniger gereimt, Kritik kommt in der Glosse zum Ausdruck. Doch egal, ob Reim oder Glosse, das Ziel ist Kritik zu üben. In beiden älteren Heften finden wir natürlich Sachbeiträge zu geschichtlichen Ereignissen, zu mehr oder weniger interessanten Häusern, zu Handel und Gewerbe sowie auch Porträts von erwähnenswerten Personen (entspr. dem politischen Vorzeichen). So erinnerte man sich an den Standort der Radeberger Pfefferküchlerei Nake – ein längst geschlossener Laden. Für mich war der Beitrag von Manfred Drobny sehr interessant, in dem er über die „Saugärten in der Dresdner Heide“ berichtete. Es gab auch markigere Artikel zB. unter dem Titel „21 Jahre DDR – 21 Jahre Arbeiter- und Bauernmacht“. In der alten Vorschau las ich immer gern die Häuserbeschreibungen von Lehrer Curt Reuter. In beiden Heften gehören Texteschreiber der Redaktion an oder sind Gastschreiber, immer aber ehrenamtlich wie auch heute noch! Echt überrascht war ich, als ich in Heft 12/61 des „Radeberger Kulturlebens“ einen Holzschnitt „Im Volkskunstmuseum“ vom Künstler Johannes Thaut fand, der war doch ein Radebeuler. Vielleicht hing das damit zusammen, dass er in dem Zeitraum einen Großauftrag zur Fassadengestaltung der Hüttermühle (unweit vom Schloss) hatte und deshalb oft in Radeberg war. Ein anderer Text im Radeberger Heft über die Pirckheimer Gesellschaft stammte von Fritz Treu, auch ein in Radebeul bekannter Name. Die Heftemacher haben sich damals wohl gegenseitig mit Autoren ausgeholfen. In beiden älteren Heften gab es eine Rubrik zu Kultur und aktuellen Veranstaltungen. Schön, dass ich da im Radeberger Heft die Radebeuler Landesbühnen Sachsen mit Goethes „Egmont“ fand.
Die Heftreihen begannen im Jahr 1954 („Vorschau“) und 1955 („Radeberger Kulturleben“) und endete wegen sogen. Papierknappheit (!) 1963 („Vorschau“), während das „Radeberger Kulturleben“ noch bis 1976 erschien. Wir erkennen, dass die „Vorschau“ die Ältere der beiden Schwestern war und vielleicht auch die Frechere, weil sie früher aufhören musste. Dann übernahm der staatlich verordnete „Kreisexpress“ die Aufgabe der Information zu Kultur im Landkreis Dresden-Land. Nach meiner eignen Erinnerung fand dieses politisch straffer gefasste Blättchen kaum Beifall – kein Ersatz für das „Radeberger Kulturleben“ oder die Radebeuler „Vorschau“! Ob man in Radeberg nach 1990 einen Nachfolger des dort beliebten Blattes gefunden hat, weiß ich gerade nicht. Die Tochter von der Letztgenannten „Vorschau & Rückblick“ feiert nun gerade ihr 35-jähriges Bestehen, da können Mutter und Tante nur gratulieren.
Soviel für heute zur Ahnenforschung in Sachen eines kleinen Kulturblättchens.

Dietrich Lohse

 

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