„Galerie mit Weitblick“ ab Juni geschlossen
Es kündigte sich schon an, dass da etwas im Hintergrund schwelt. Seit Jahresbeginn war die Radebeuler Wochenendgalerie nur noch nach Vereinbarung geöffnet oder wenn ein entsprechendes Schild auf dem Fußweg stand. Die 30. Ausstellung ist nun definitiv die letzte. Sie zeigt ausschließlich Dorothee Kuhbandners eigene Arbeiten. Die sporadischen Öffnungszeiten wollte die Galeristin keinem anderen Künstler zumuten.
Die „Galerie mit Weitblick“ auf der Oberen Bergstraße 13, wie wir sie von 2012 bis 2024 erleben durften, gibt es nicht mehr. Wie es so vieles nicht mehr gibt – in Radebeul. Ab Juni beginnt nun unwiederbringlich der Abschied auf Raten. Wer sich alles noch einmal anschauen oder etwas käuflich erwerben möchte, der ist herzlich bis Ende Juli eingeladen, allerdings bedarf es einer Vorabsprache.
In heutiger Zeit eine private Galerie führen zu wollen, ist ein gewagtes Unterfangen. Ich selbst trug mich nie mit dieser Absicht, hatte ich doch schon viele Galeristen nach 1990 scheitern sehen. Als ehemalige Leiterin der Radebeuler Stadtgalerie weiß ich nur zu gut, welcher Aufwand und welche Risiken mit dem Betreiben einer Galerie verbunden sind. Wer kann sich noch an die „Zeitgalerie“ auf der Bahnhofstraße, die „Galerie Galow“ in der Remise auf der Borstraße oder die „Galerie Kempin“ auf der Burgstraße (später Meißner Straße) erinnern?
Es interessierte mich also sehr, was Dorothee Kuhbandner bewogen hat, eine private Galerie zu betreiben und aus welchen Gründen diese nun so plötzlich geschlossen wird.
Der Grund für die Schließung ist recht simpel und schnell erzählt: Das Grundstück wurde verkauft und der neue Besitzer verlängerte den befristeten Mietvertrag nicht. Damit enden für Dorothee Kuhbandner ziemlich abrupt dreizehn erfüllte Jahre als Galeristin.
Die Geschichte, wie es dazu kam, dass Dorothee Kuhbandner eine private Galerie eröffnete, ist hingegen etwas länger. Musische Einflüsse verschiedenster Art hatten Dorothee schon frühzeitig geprägt. Geboren wurde sie 1964 in Dresden. Aufgewachsen ist sie in Radebeul-Niederlößnitz auf der Oberen Bergstraße 20. Als die Familienvilla 1974 einen neuen Fassadenanstrich bekam, wurde die fast Einhundertjährige nach einer Zehnjährigen benannt. „Villa Dorothee“ war nun weithin lesbar, was der namensgebenden Schülerin damals als ziemlich peinlich empfand.
Ihr Vater pflegte als Kunsthistoriker zu vielen Künstlern enge Kontakte. Von klein auf wurde die Tochter in deren Ateliers mitgenommen. Das Ambiente beeindruckte sie sehr. Und es reifte der Wunsch, selbst einmal Künstlerin zu werden.
Da ihr der EOS-Besuch wegen FDJ-Nichtmitgliedschaft verwehrt blieb, absolvierte sie zunächst eine Ausbildung zur Buchbinderin und später zur Krankenschwester, arbeitete als Tagesmutter und in verschiedenen ABM-Maßnahmen. Seit 2010 ist sie als freischaffende Künstlerin tätig.
Doch wie kam es nun dazu, dass Dorothee Kuhbandner im Jahr 2012 eine private Galerie eröffnete:
Von ihrem Wohnatelier aus schaute sie immer auf ein leerstehendes Gebäude. Schließlich fragte sie den Grundstückseigentümer, ob sie die ehemalige Remise mieten könne. Ursprünglich wollte sie dort nur ihre eigenen Arbeiten präsentieren und verkaufen. Doch Ausstellungsräume sind rar. Und so dauerte es gar nicht lange, bis die ersten Anfragen von anderen Künstlern kamen, ob sie dort auch einmal ausstellen dürften.
Entstanden ist ein freundlicher Ort für Begegnung und Kommunikation. Der Eingangsbereich und das Treppenhaus wurden im morbiden Zustand belassen. Auf einem Schild steht: „Hereinspaziert! Oben wird es heller!“. Über ausgetretene Stufen, gelangt man ins Obergeschoss und wird tatsächlich überrascht. „Die bunte Stube“ strahlt eine heitere Atmosphäre aus.
Der Blick aus dem Fenster schweift weit über das Elbtal. Der Kaminofen verbreitet in der kalten Jahreszeit wohlige Gemütlichkeit. Die Sitzecke lädt zum Verweilen ein. Angeboten werden Kaffee, Tee und Gebäck. Der Seelentrost ist inclusive. Dorothees farbintensive Bilder – auf denen Menschen, Tiere und seltsame Wesen mit Landschaften verwoben sind – hängen, stehen und liegen zwischen einem Sammelsurium kleiner liebenswerter Dinge wie Wundertüten, Vorfreudekalender, Eisblumenbilder, Brillenhalter aus Wäscheklammern, Mutmachbüchlein und überall handgeschriebene humorvolle sowie nachdenklich stimmende Sprüche. Der „Dorealismus“ feiert hier seine Urstände.
Zwei der drei Räume, in neutralisierendem Weiß gestrichen, sind den wechselnden Ausstellungen vorbehalten. Künstler aus Radebeul, Dresden, dem näheren und weiteren Umfeld konnten sich mit ihren Werken in Jubiläums-, Gedenk-, Einzel- und Gemeinschaftsausstellungen präsentieren. Die „Galerie mit Weitblick“ bot ein wichtiges Podium, dass ihnen nun fehlen wird.
Die Konstanten und die Variablen bilden für Dorothee eine existenzielle Balance. Zu den Konstanten gehören stabile Beziehungen. Mit Thomas Gerlach verbindet sie eine langjährige Freundschaft. Der Autor hielt fast alle Eröffnungsreden. Allerdings bestätigen Ausnahmen die Regel. Denn auf ausdrücklichen Wunsch von Christian URI Weber hielt der Dresdner Kunstkritiker und Autor Heinz Weißflog (1952-2024) dessen Eröffnungsrede. Die Journalistin Lilli Vostry wiederum schrieb zahlreiche Ausstellungsrezensionen und einen sehr schönen Beitrag zum 10-jährigen Jubiläum der Galerie. Nachzulesen in meinwortgarten.com. Dass Dorothee seit vielen Jahren im Kirchenchor singt, ist wohl eine weitere Konstante in ihrem Leben.
Zu den Variablen gehören die ausstellenden Künstler. Dankbar ist Dorothee für die vielen Kontakte und Anregungen. Fördermittel hat sie nie bekommen. Beim Ausstellungsaufbau half sie oftmals praktisch mit. Besonders spannend war für sie, die unterschiedlichen Herangehensweisen der Künstler zu erleben. Das Ausstellungsprogramm wurde durch Performances, Konzerte, Lesungen und Künstlergespräche bereichert. Das Stammpublikum ist beständig gewachsen und wird diesen lebendigen Ort sehr vermissen.
Die 29. Ausstellung „Home Sweet Home“ von Danny Hermann, hatte es in sich. Der in Freital lebende Künstler war bis 2019 Meisterschüler von Prof. Ralf Kerbach an der Dresdner Kunstakademie. In ihrer Ausstellungsrezension schreibt Lilli Vostry: „Da thront in einem Bild ein Rabe in seinem Nest voll Müll, abstruse Plastikgewächse wuchern. Ein Mann wie ein Außerirdischer in Raumanzug, mit Erdkugelhelm, Schutzbrille und Gasmaske steht vor einem riesigen Pilz, ein anderer steckt in einer Zwangsjacke. Der Himmel ist für VIP´s reserviert, die Hölle steht allen offen in diesen ironischen und symbolreich auf die Welt blickenden Szenarien, in denen Mensch und Natur sich immer fremder werden.“ Schwarzhumorige Bilder von einer verstörend kaputten Welt inmitten der heimischen Lößnitzidylle – was für ein Kontrast zum Umfeld, in dem Dorothee Kuhbandner aufgewachsen ist und lebt!
Die Kulturlandschaft zwischen Elbe und Hang hat es seit jeher, musisch ambitionierte Menschen angezogen. In Dorothees unmittelbarer Nachbarschaft wohnten die Malerin Käthe Kuntze (1878-1969) und der Kunsthistoriker Wolfgang Balzer (1884-1968). Sie erinnert sich noch an flüchtige Begegnungen in der Kinderzeit. Ebenfalls in unmittelbarer Nachbarschaft wohnte der feinsinnige Wolfram von Minckwitz (1934-2024), in einem der ältesten und bekanntesten Weingutanwesen. In der Galerie konnte man ihm oftmals begegnen.
Die Überschrift „Jegliches hat seine Zeit“ war ein Vorschlag von Dorothee. Ob man dabei nun an einen Bibelspruch, an ein populäres Lied der Puhdys oder etwas ganz anderes denkt, steht den Lesern frei. Apropos Zeit: Während die DDR-Frauen mit 60 in Rente gegangen sind, musste sich Dorothee mit 60 nochmals um eine Arbeitsstelle bewerben. Nur so viel – sie hatte Glück.
Im Gespräch erfährt man fast beiläufig, woran sie überall mitgewirkt hat, und kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Über mehrere Jahre war sie für die Ausstattung der städtischen Großveranstaltungen wie Karl-May-Festtage, Herbst- und Weinfest, Weihnachtsmarkt und Kasperiade zuständig. Sie beteiligte sich an den Grafikmärkten in Radebeul und Meißen, der Kunstmesse in Dresden, den Veranstaltungsreihen „Kunst geht in Gärten“ und „Kunstoffen in Sachsen“. Sie unterstützte das Team der Stadtgalerie bei der Gestaltung des Galeriehofes zum Künstlerfest und auch im Grünen Bushaus spann sie zum Dorfjubiläum in Lindenau ihr künstlerisches Netz. Für die Schaufenster-Aktion „Kunst statt Leerstand“ im Einkaufszentrum von Radebeul-West steuerte sie einige ihrer Bilder bei, die man sich vor Ort anschauen kann.

Christian URI Weber in inmitten seiner Jubiläumsausstellung »URI – ein Meister wird achtzig«, 2023 Foto: K. (Gerhardt) Baum
Im Jahr 2015 gründete Dorothee Kuhbandner den Zilp Zalp Verlag und nimmt seitdem alljährlich an der Leipziger Buchmesse teil. Für einige Bücher, die im Notschriftenverlag von Jens Kuhbandner, mit dem sie seit 2001 verheiratet ist, erschienen sind, gestaltete sie die Buchumschläge bzw. steuerte Illustrationen bei.
Als Künstlerin ist sie weiterhin aktiv, malt Bilder, druckt Grafiken, illustriert Bücher, gestaltet Kalender und nimmt Aufträge entgegen.

Dorothee Kuhbandner in der Radebeuler Stadtgalerie zum Sommerprojekt »Gestalt und Wirkung einer Landschaft«, 2011 Foto: K. (Gerhardt) Baum
Tatendrang und Schaffensfreude sind bei ihr ungebrochen. Sie wird zum vierten Mal für den Radebeuler Familienweihnachtsmarkt den Lichterpfad gestalten. Mindestens eine kulturelle Veranstaltung soll es noch in diesem Jahr im eigenen Garten geben. Die Familie, Künstler und Freunde haben versprochen, unterstützend mitzuwirken. Sobald sich geeignete und bezahlbare Räume finden, würde sie gern wieder eine Galerie betreiben wollen.
Dorothee Kuhbandner ist eine Pragmatikerin mit Fantasie und Empathie. Als Ehefrau, vierfache Mutter, zweifache Großmutter, pflegende Angehörige steht sie fest auf dem Boden der Realität. Auf Künftiges schaut sie voller Zuversicht. Und für kleine Verrücktheiten ist sie immer wieder gern zu haben. Das ist es wohl auch, was sie mir so sympathisch macht.
Karin (Gerhardt) Baum
____________
Kontakt: Dorothee Kuhbandner, 0174 1471270, d.kuhbandner@gmx.de, WWW.DORO-MALEREI.54DE