Gelber Lerchensporn – (k)ein Mauerblümchen

Unsere Radebeuler Weinbergshänge sind wohl zu jeder Jahreszeit betrachtenswert.

In Winter und Frühling üben Trockenmauern mit ihrer horizontalen Gliederung einen starken graphischen Reiz aus. Von Frühsommer bis Herbst entfaltet die Vegetation ein Farbspektakel, beginnend mit lichtem Grün des Austriebs und furios endend mit üppigen Rot- und Goldtönen.

Foto: G. Seidel


In diesem Beitrag sollen die alten Mauern im Stadtgebiet gleichfalls eine Würdigung erfahren.

Bereits Ende April zeigen sich an solchen alten Mauern leuchtend zitronengelbe Blüten einer zierlich belaubten, wintergrünen und anspruchslosen Staude von 15 – 20 cm Höhe.

Es ist der GELBE LERCHENSPORN, Corydalis lutea (1771 Carl von Linne), ein Dauerblüher aus der Familie der Mohngewächse.

Die schattenliebende Staude strebt uns aus Mauerfugen entgegen, die scheinbar keinerlei Nährboden anbieten. Sie besitzt ein verzweigtes Rhizom und ist in der Lage dichte Bestände auszubilden. Die zarten aufrechten Stängel sind in der Regel verzweigt, vierkantig und markig. Wechselständig angeordnete Laubblätter sind in Blattstiel und Spreite gegliedert, wobei letztere doppelt bis dreifach gefiedert sind. Das hellgrüne, unterseits eher bläulich-grüne Laub besticht den Betrachter durch seine Zartheit.

Die Blütenform ist spiegelsymmetrisch mit gekrümmtem Sporn. 6 bis 15 Blüten stehen in endständigen traubigen Blütenständen zusammen. Die Trauben sind einseitswendig angeordnet. Anfangs stehen die Blütenstände dicht beieinander. Später verlängern sie sich.

Der Blütenflor begleitet uns nahezu den gesamten Sommer von Mai bis Oktober und erfreut uns mit zartem Duft. Wildbienen mit langen Rüsseln werden angelockt. Sie ernten geschickt den tief in der Blüte lagernden Nektar. Auch andere Pollensammler stellen sich ein.

Nach der Blüte entwickeln sich schotenförmige Kapselfrüchte mit zwei Klappen. Zur Reifezeit öffnen sich diese Klappen und entlassen zahlreiche glänzend schwarze, mit ölhaltigem Futterkörper versehene Samen. Die wiederum sind für Ameisen äußerst interessant; sie tragen die Samen in ihre Vorratsspeicher und sind somit für die Verbreitung zuständig.

Der Gelbe Lerchensporn ist ein Vertreter submediterraner Flora und stammt wohl aus den südlichen Alpen. Ursprünglich dürfte er ein Bewohner kalkreicher Felsspalten und Schutthalden mit kalkreichem Gestein sein. Das eigentliches Areal lässt sich wegen Verwilderung und Einbürgerung kaum noch ermitteln.

Häufig wurde der Gelbe Lerchensporn als Zierpflanze in Gärten eingebracht und ist seitdem in fast alle Gebiete mit wintermildem Klima verschleppt. In Mitteleuropa ist er noch in 1700m Meereshöhe anzutreffen. Hierzulande finden wir ihn in Mauerritzen und am Grunde von Mauern in eher nord-östlicher Exposition. Dort gedeiht er auf gut durchsickerten, felsig-steinigen Böden.

aus Jacob Sturm, Deutschlands Flora in Abildungen, Stuttgart 1796
Bild: Jacob Sturm, Deutschlands Flora in Abb., Stuttgart 1796


Beste Bedingungen bieten dem Gelben Lerchensporn offensichtlich auch die ehrwürdig alten Mauern der Kellereistrasse in Radebeul-West. Dort findet sich sein frisches Grün schon Ende Februar zwischen den Resten des Vorjahres. Ab Ende April hat er dann seinen leuchtendgelben bis weit in den Herbst währenden Auftritt.

Mauern werden spontan besiedelt. Flechten, Moose, Farn- und Blütenpflanzen können – je nach Beschaffenheit der Mauer – den ihnen genehmen Lebensraum finden.

Erstaunlich ist die Fähigkeit von Pflanzen, beschränkte Ressourcen an einem solchen Extrem-Standort für ihre jeweiligen Bedürfnisse zu nutzen und in kleinräumiger Vielfalt zu leben. So siedeln sich oft Pflanzengesellschaften mit verschiedenen “Mauerspezialisten” an.

Weißer Mauerpfeffer (Sedum album ) auf Mauerkronen speichert beispielsweise benötigtes Wasser in dickfleischigen Blättern. Mauer-Zimbelkraut (Cymbalaria muralis) passt seinen Wasserhaushalt den jeweiligen Bedingungen an. Die Mauerraute ( Asplenium ruta-muraria) ein Farn, begnügt sich mit nährstoffarmen Mauerbereichen.

Auch die Blattrosetten einer in VORSCHAU & RÜCKBLICK (Juli 2024) bereits vorgestellten Einjährigen finden sich als Gäste in und an der Mauer: das Rapünzchen (Valerianella locusta).

Wer diesen Wintersalat allerdings zu ernten gedenkt, sollte sich üppigere Standorte suchen.

Die Weinbergsflächen über Schloss Wackerbarth bieten, beginnend am Fuße des Jacobsteins, bis März reiche Ernte, so man sich die Mühe machen möchte. Ebenso wird man im Weinberg unter der Friedensburg fündig. Auch die Uferbereiche des Lößnitzbades sind von Rapünzchen besiedelt. All die mit Valerianella locusta gesäumten Gehwege in der Stadt dürften für Ernten weniger geeignet sein.

Allerdings sollten wir Trockenmauern nicht nur als wichtige Ersatz-Lebensräume für Tiere und Pflanzen betrachten. Vielmehr prägen sie seit Jahrhunderten das ästhetische Erscheinungsbild unserer heimischen Kulturlandschaft. Sie seien unserer Obhut empfohlen.

Gudrun Seidel
AG Geobotanik des Elbhügellandes

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