Das 675-jährige Wahnsdorf – ein lebendiger Ort mit Zukunft und Tradition

Das Jubiläumsfest zum 675-jährigen Bestehen des Ortes bot eine gute Möglichkeit, die Wahnsdorfer etwas näher kennenzulernen. Drei Tage und zwei Nächte wurde vom 22. bis 24. August mit zahlreichen Gästen ausgiebig und fröhlich gefeiert. Am Ende waren die Veranstalter und Mitwirkenden erschöpft und glücklich zugleich. Anderthalb Jahre Vorbereitungszeit wurden belohnt, durch ein rundum gelungenes Fest. Wer dabei gewesen ist, wird sich daran wohl noch lange erinnern.

Mitglieder des Heimatvereins Wahnsdorf während der Festvorbereitungen v.l.n.r.: Kai Rosenhahn (Vereinsmitglied), Peter Michaelis (2. Vorsitzender), Anja Schnabel (1. Vorsitzende), Thomas Förster (Schriftführer)
Foto: Norbert Millauer


Zahlreiche Höfe im Zentrum des Straßendorfes waren einfallsreich geschmückt. So wurde der Ortsrundgang zu einer Zeitreise in die Vergangenheit. Fotos, Texte und Dokumente veranschaulichten die baulichen Veränderungen von Gebäuden, erinnerten an die einstigen Bewohner aus verschiedenen Generationen und lösten bei den Betrachtern oftmals auch ein Schmunzeln aus.

Engagement und Gemeinschaftssinn haben in Wahnsdorf eine lange Tradition. Bereits 1888 gründete sich ein Männergesangsverein, der allerdings nur bis 1974 existierte. Wenig später entstand im Jahr 1899 die Freiwillige Feuerwehr, welche derzeit weit über 20 aktive Mitglieder hat und durch die Jugendfeuerwehr sowie die Alters- und Ehrenabteilung tatkräftige Unterstützung erfährt. Genau einhundert Jahre später, im Jahr 1999, wurde der Heimatverein Wahnsdorf e.V. ins Leben gerufen. Anlass war die Vorbereitung der 650-Jahr-Feier. Gemeinsam mit den Bewohnern bilden nunmehr sowohl die Freiwillige Feuerwehr, als auch der Heimatverein und der erstmals im Jahr 1990 gewählte Ortschaftsrat die stabilisierende Basis für ein gesellschaftliches Miteinander.

Das Bedürfnis nach dörflichem Zusammenhalt spiegelte sich auch in den über Jahrzehnte durchgeführten Klassentreffen. Ab 1975 gab es in Wahnsdorf keine Einschulungen mehr und die legendären Wahnsdorfer Klassentreffen finden wegen des hohen Alters der einstigen Schulabgänger jetzt auch nicht mehr statt. In den Räumen der ehemaligen Schule befinden sich heute der Kindergarten und das Ortschaftszentrum. In Letzterem wurde die Jubiläumsausstellung „Wahnsdorfer Ansichten“ gezeigt, welche auf sehr großes Interesse stieß. Gelegen auf dem Hochland hat sich der dörfliche Charakter von Wahnsdorf erhalten. Noch heute existieren bäuerliche Einzelwirtschaften. Landwirtschaft und Weinanbau sind dominant. Die Selbständigkeit konnte sich der Ort sehr lange bewahren. Erst 1934 wurde Wahnsdorf mit rund 1.000 Einwohnern zu Radebeul eingemeindet. Besonders erwähnenswert ist der sprunghafte Einwohnerzuwachs durch die Eigenheimsiedlung. Gebaut wurde auf einstmals bäuerlichen Flurstücken. Beim Bezug im Jahr 1938 brachten die 18 Ehepaare 52 (!) Kinder mit.

Die Jubiläumsausstellung erinnerte u.a. an einstmals beliebte und seit vielen Jahren geschlossene Gasthäuser wie „Zur Friedenslinde“, „Wilhelmshöhe“, „Gasthof Wahnsdorf“ und „Zur grauen Presse“. Auch die alteingesessene Bäckerei Dutschke gibt es schon seit 25 Jahren nicht mehr. Über der zugemauerten Ladentür glänzt nur noch das Zunftzeichen mit der güldenen Brezel im Sonnenlicht.

Doch die Zeit steht nicht still und Neues entsteht. So wurde im Jahr 2020 im Zentrum des Ortes der Hofladen „ZiegenWein“ eröffnet mit Wein und Käse aus eigener Produktion. Beim Bäcker Jacob wiederum sollte man unbedingt einmal das Bilz-Brot nach bilz’scher Originalrezeptur probieren, in dessen Ladengeschäft übrigens auch „Vorschau & Rückblick“ erhältlich ist.

Dass sich der Wahnsdorfer Heimatverein permanent verjüngt, stimmt zuversichtlich. Beherzt hatte der Verein die Federführung für die Ausgestaltung des diesjährigen Jubiläums übernommen und ein bunt gemischtes Programm zusammengestellt. Der Mix aus Frühschoppen, Festgottesdienst, Mitmachaktionen, Puppenspiel, wilden Partys, Talente-Show, Ausstellung und Musik hielt zahlreiche Angebote für Jung und Alt bereit.

Die dreitägige Veranstaltung fand vorwiegend im Zentrum des Ortes statt. Zahlreiche Stände, gar ein kleines historisches Riesenrad gruppierten sich um die Hauptbühne und ließen somit einen stimmungsvollen Festplatz entstehen.

Am ersten Tag wurde ein Baum gepflanzt. Danach folgten offizielle Reden, Tanz und geselliges Beisammensein. Am Abend wurde auf dem Feuerlöschteich wohl eine Art erwartungsfrohes Freudenfeuer entfacht.

Am zweiten Tag bildete zweifellos der vielgestaltige Festumzug den Höhepunkt mit rund 250 Mitwirkenden. In 30 Bildern wurde die Geschichte und Entwicklung des Dorfes dargestellt. Im ersten Wagen saßen die Ehrengäste, darunter der ehemalige Vorsitzende des Wahnsdorfer Heimatvereins Heinz Mattusch (89) und der ehemalige Ortschaftsratsvorsitzende Siegfried Schneider (84). Eingereiht hatten sich in den Festzug Vertreter aus Nachbargemeinden und befreundeten Vereinen wie dem Dorf- und Schulverein Naundorf oder dem Heimatverein Boxdorf, um den Jubilaren ihre Grüße zu übermitteln. Selbst eine Nachbildung der Boxdorfer Windmühle hatte man mitgebracht. Zu bestaunen waren reich geschmückte Pferdewagen und laute knatternde Traktoren sowie landwirtschaftliches Gerät aus vergangenen Zeiten. Eine Augenweide war der Festwagen mit einem Brautpaar und der traditionell gebundenen Hochzeitsranke.

Mit einem kleinen Abschiedsfeuer auf dem Dorfteich klang das Fest schließlich am dritten Tag besinnlich aus. Was bleibt, ist das gute Gefühl, dass es hier eine Dorfgemeinschaft gibt, die ihr Lebensumfeld sehr bewusst und aktiv mitgestalten will.

Vielleicht würde eine bessere Straßenverbindung die Radebeuler Tal- und Bergbewohner einander noch ein wenig näherbringen. Auch eine Neuauflage der Veranstaltungsreihe „Radebeuler Begegnungen“ wäre vorstellbar. Hatte doch die erste Expedition im Jahr 2001 von Kötzschenbroda nach Wahnsdorf geführt. Seitdem wurden bis 2018 in loser Folge alle zehn Ursprungsgemeinden von den Radebeulern freudig inspiziert.

Ergänzend sei hinzugefügt, dass man beim Heimatverein noch ein Exemplar der gut gestalteten und sehr informativen Ortschronik aus dem Jahr 2000 zum Sonderpreis von 4 Euro erwerben kann. Ein weiterer Veranstaltungshöhepunkt ist der Wahnsdorfer Weihnachtsmarkt, der am 3. Advent stattfinden wird und schon längst kein Geheimtipp mehr ist. Ein Blick auf die Homepage des Vereins lohnt sich jedoch allemal (www.heimatverein-wahnsdorf.de).

Karin (Gerhardt) Baum

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