Das Auge der Fotografin

Die Radebeuler Künstlerin Susan Paufler im Porträt

von Dr. Claudia Woldt

“Das Auge des Fotografen schaut weit geöffnet durch den Sucher, das andere, das geschlossene, blickt in die eigene Seele.” Was Henri Cartier-Bresson hier über Fotografie und Fotografierende schreibt, trifft ganz bestimmt nicht auf jeden zu, der hier und da ein Bild mit der Kamera festhält, um sich später erinnern zu können. Mit Sicherheit beschreibt es aber die Arbeit einer Künstlerin, die in Dresden geboren und in Radebeul aufgewachsen ist, heute als freie Fotografin in Berlin ihren Lebensmittelpunkt hat, jedoch regelmäßig nach Radebeul zurückehrt, um sich von Menschen und Orten inspirieren zu lassen. Nicht zuletzt hat die Gegend um Dresden für ihren Weg zur Kunst eine ganz entscheidende Rolle gespielt.

Susan Paufler (Foto: Tabea Marten)

Ihre künstlerische Auseinandersetzung mit Erinnerung, Herkunft, Weg und Raum ist bis heute wesentlich von ihren Erfahrungen mit der DDR geprägt. Aufgewachsen in einer durchaus systemkritischen Familie, konfrontiert mit erwarteter Systemtreue in der Schule, hat sie sich bereits früh mit dem Zweifel am eigenen Blick auf die Welt auseinandergesetzt und mit ihren Möglichkeiten, diese Welt für sich selbst zu erschließen und zu begreifen.

Waldstück aus der Serie »Temporäre Hinterlassenschaften III«

Sie begann während ihres ersten Studiums in Berlin, ihre Heimat, ihre Familie, die Orte der Kindheit und sich selbst mit der Kamera zu erkunden. Dabei experimentierte sie mit der Lochkamera, der “klassischen” Spiegelreflexkamera und zunächst nur sporadisch mit der Digitalkamera und schuf erste Serien von Aufnahmen, die bereits deutlich ihre Handschrift tragen: Verschwommen sind Häuser, Landschaft, Personen zu erahnen, Schärfe und Unschärfe stehen in spannungsreichem Kontrast, die meisten Bilder sind schwarz-weiß und tragen doch für den Betrachter deutlich wahrnehmbare Stimmungen und Farben in sich: Von ihrem Großvater sieht man zunächst nur die große Brille, die auf einer gehäkelten Tischdecke liegt. Sie scheint eine Aufforderung zu sein, hindurchzublicken und dahinter ihren Träger zu erkennen, der jedoch nur zu erahnen bleibt. Ihre Landschaftsbilder, wie z.B. in der Serie „Temporäre Hinterlassenschaften“, zeigen oft Hindernisse, die sich dem Blick der Fotografin in einen Raum hinein in den Weg stellen, das Erfassen des Sichtbaren verlangsamen und den Betrachter gleichsam dazu zwingen, in den eigenen Vorstellungen das Nicht-Sichtbare zu ergänzen. Oft fragt Susan Paufler so nach dem Wesen, der Richtung und den Möglichkeiten unseres Blicks, erkundet sie Räume als scheinbar homogene Zusammenhänge, die sich auf den zweiten (ihren) Blick hin als “zerteilt – geteilt – enteilt” erweisen. In einer gleichnamigen Ausstellung, die 2009 in Hamburg und später, gemeinsam mit anderen Arbeiten, in der Radebeuler Stadtgalerie unter dem Titel “Der Schein des Seins” zu sehen war, geht sie diesem Phänomen fotografisch nach. “In meinen Arbeiten umkreise ich verschiedene Aspekte des Zweifelns an Erinnerungen und am visuell Wahrgenommenen” – so beschreibt sie ein Hauptanliegen ihrer Fotografie. Besonders intensiv ist sie diesem Zweifel und den (eigenen wie fremden) Erinnerungen in ihrem Buch „Der Zweifel im Schuh“ nachgegangen, in dem sie Fotografien und Texte, die in Havanna entstanden sind, zu einem Parcours durch eine ihr fremde und zugleich vertraute Welt vereinigt hat. Darin entsteht ein Bild vom heutigen Kuba, das gleichzeitig ihr eigenes Erinnern an die sozialistisch geprägte Kindheit ist.

Großvater aus der Serie »Heimat«

Neben der Verbindung von Fotografie und eigenen Texten sind in den letzten Jahren auch einige Installationen entstanden, z.B. Leuchtkästen, in denen aus dem fahrenden Zug aufgenommene, durch Geschwindigkeit und Überlagerung verfremdete und in ein eigentümliches Licht getauchte Landschaftsaufnahmen zu sehen sind. Sie scheint zu fragen, welche der vielen flüchtigen Bilder stark genug sind, eine Spur im Gedächtnis zu hinterlassen. Eigene Vorstellungen werden in einen Außenraum projiziert, der aus dem Zuginnern jedoch unzugänglich bleibt.

Buch, Fotoserien und Installationen waren bisher in Hamburg, Berlin, Radebeul und München zu sehen.

Anregung und Anleitung zu eigener Beschäftigung mit dem fotografischen Sehen gibt sie in Kursen, die nicht nur in Berlin, sondern in Zukunft auch in Radebeul angeboten werden. “Mir ist wichtig, dass die Teilnehmer meiner Foto-Kunst-Kurse ihren Sinn für das fotografische Sehen (weiter)entwickeln. Ich rege sie an, Fotografien auch von ihrer Wirkung her zu beurteilen und das Bild als komplexes Zusammenspiel ästhetischer, gestalterischer und technischer Komponenten zu beurteilen und seine emotionale und sinnliche Wirkung im Wechselspiel mit den eigenen individuellen Vorstellungswelten und Interpretationsweisen zu erfahren. Das heißt zu lernen, Bilder unter verschiedenen Aspekten genau anzusehen und das fotografische Bild mit den eigenen inneren Bildern abzugleichen. Ich begleite die Kursteilnehmer in ihrem Prozess, eigene Bildvorstellungen zu entwickeln und diese sowohl technisch als auch künstlerisch umzusetzen.”

Wer ihre Kunst kennen lernen möchte, kann sich auf ihrer Homepage www.susanpaufler.de einen ersten Eindruck verschaffen. Darüber hinaus ist es möglich, einzeln oder auch in kleinen Gruppen die eigene Fotografie mit ihr zu besprechen und dabei sowohl das eigene Sehen als auch die eigenen technischen Fähigkeiten weiter zu entwickeln.

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