Kötzschenbroda und seine Apotheker

Zum Pflanztag im »Apothekerpark« am 9. Mai 2015

Wenn man sich in der Geschichte der Lößnitz umtut, dann stößt man auf erstaunlich viele Apotheker. In der Frühzeit hatte das wohl mit deren besonderem Verhältnis zum Geist des Weines zu tun. Kaum eine Arznei kommt ohne Alkohol aus, und da kann es nicht schaden, an der Quelle zu sitzen. Viele der herrschaftlichen Weinbergsgrundstücke von Zitzschewig bis Oberlößnitz weisen in der Reihe ihrer Besitzer Apotheker auf, teils schon im 17. Jahrhundert.

Frank Andert zur Eröffnung des Apothekergartens Bild: K. U. Baum; K. (Gerhardt) Baum

Frank Andert zur Eröffnung des Apothekergartens
Bild: K. U. Baum; K. (Gerhardt) Baum


Kötzschenbroda, der alte Hauptort der Lößnitz, hatte im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts sogar schon eine eigene Apotheke, dort, wo die »Alte« heute – auf andere Art – für das leibliche Wohl sorgt. Diese damals einzige Offizin zwischen Dresden und Meißen bestand wohl nicht durchgehend, wird aber immerhin 1803 in den Rügen unseres Marktfleckens erwähnt, war also eine feste Institution. Wenn die heutige Stadtapotheke Radebeul ihr Gründungsjahr mit 1826 angibt, ist das demnach wohl eher untertrieben.

In der Ankündigung der Sächsischen Zeitung las ich, der heute neu zu eröffnende »Apothekerpark« sei »nach dem Begründer der Radebeuler Stadt-Apotheke benannt«. Da auch einer der ersten Redakteure der Kötzschenbrodaer Zeitung Apotheker war und seine Nachfolger bei der SZ heute aus ihren Fenstern täglich auf diesen schönen Park blicken, muss man ihnen wohl glauben. Wie dieser Begründer hieß – vermutlich nicht »Apotheker« – stand nicht dabei. – Ich muss gestehen, dass ich es auch nicht genau weiß. Überhaupt wusste ich, als ich um einen kleinen historischen Redebeitrag gebeten wurde, kaum mehr über diesen Park, als dass es ihn gibt. Im Stadtlexikon und in dem »Beitrag zur Stadtkultur«, der 2010 unseren Schmuckplätzen gewidmet war, sucht man ihn vergebens. Was ist das also für ein Park? Und wer war der berühmte Herr Apotheker?

Bei Durchsicht alter Stadtpläne fand ich an dieser Stelle bis 1970 stets nur einen Nutzgarten eingezeichnet. Kein Hinweis auf öffentliche Zugänglichkeit, die aber damals, nach Aussage von Eingeborenen, schon gegeben war. Dass man Stadtplänen nicht in allem trauen darf, zeigt der Blick auf den letzten aus DDR-Zeiten, von 1990. Der verzeichnet hier einen »Illgenpark«. Ilgen, wie häufig, falsch geschrieben mit doppeltem L. Ilgenpark also, na klar! Der berühmte »Geheimrat« muss es gewesen sein, der sich hier ein weiteres Denkmal gesetzt hat, von seinen – angeblich – in Kötzschenbroda mit Mäusegift verdienten Millionen…

Hermann Ilgen, 1856 in Wurzen geboren und vor ziemlich genau 75 Jahren, am 15. April 1940, in Dresden verstorben, war sicherlich der schillerndste unter den Besitzern der Kötzschenbrodaer Apotheke, die er von 1882 bis 1891 führte. Schillernd nicht wie Schiller, sondern eher wie Karl May, der damals gleich um die Ecke wohnte und mit dem Ilgen – neben einer erstaunlichen Ähnlichkeit der Gesichtsbehaarung – auch der Hang zur Aufschneiderei verband. Hatte er sich vielleicht ein Beispiel daran genommen, dass »Old Shatterhands« einstiger Obstgarten in Radebeul 1932 zum öffentlichen Park umgewidmet worden war?

Verdienste um Kötzschenbroda hat sich Hermann Ilgen ohne Zweifel erworben, am nachhaltigsten sicher durch seine Beteiligung an der Gründung der örtlichen Sparkasse 1887. Dass die Straße, an der unsere Sparkassenfiliale und der Apothekerpark heute liegen, 1936, also noch zu Lebzeiten, Ilgens Namen erhielt, war aber eher eine Verlegenheitslösung. Aus Liebedienerei mit dem neuen Regime wurde die alte Gartenstraße 1933 nach einem frisch gebackenen Ehrenbürger in Hindenburgstraße umbenannt, die Harmoniestraße am anderen Ende des Parks, wo sich das alte Gemeindeamt befand, zeitgleich in Adolf-Hitler-Straße.

Vor 80 Jahren bekam das neue »Groß-Radebeul« dann ein Problem: So sehr man den »Führer« und seinen inzwischen verstorbenen Steigbügelhalter auch verehrte, zwei Hitler- und Hindenburgstraßen durfte es in einer Stadt nicht geben. Auch in diesem Wettbewerb machte Radebeul das Rennen. Das alte Kötzschenbrodaer Gemeindeamt bekam wieder seine harmonische Adresse, und da Ilgens 80. Geburtstag bevorstand, wurde aus der Hindenburg- die Hermann-Ilgen-Straße.

Die im Rathaus dafür vielleicht erhoffte Million hat Ilgen damals nicht überwiesen, und als Ehrenbürger Radebeuls war er – anders, als manchmal behauptet wird –, nie im Gespräch. Das Ehrenbürgerrecht seiner Geburtsstadt hatte er sich mit der Finanzierung der dortigen Domrestaurierung teuer erkauft. Auch sonst war der »sächsische Nobel« – andernorts – sehr spendabel. Kötzschenbroda war für ihn aber nur eine Durchgangsstation vor Beginn seiner eigentlichen Karriere im Immobiliengeschäft gewesen, und wegen seiner Mäusegift-Manufaktur an der Güterhofstraße hatte er hier zum Schluss einigen Ärger gehabt. Mit dem Apothekerpark hat Ilgen nichts zu tun.

Apotheker gehörten in alter Zeit schon durch ihr wichtiges Amt zu den »Honoratioren«. Die aktive Beteiligung am politischen Gemeindeleben war da quasi Ehrensache. Woldemar Vogel, der die hiesige Apotheke 1870 aus dem heutigen »Bürgergarten« an die Bahnhofstraße verlegte und vermutlich auch dieses Grundstück hier erwarb, war ab 1876 sogar vierzehn Jahre lang Gemeindevorstand, also ehrenamtlicher Bürgermeister von Kötzschenbroda.

Das gleiche Amt übernahm 1923 kommissarisch auch Medizinalrat Curt Schnabel, der die Kötzschenbrodaer Apotheke 1903 erworben hatte und sie so umbauen ließ, wie wir sie heute kennen. Gut zwei Jahrzehnte saß Schnabel im Gemeinderat; in seinen elf Monaten als amtierender Bürgermeister managte er 1923/24 die Vereinigung der westlichen Lößnitzgemeinden zur Stadt Kötzschenbroda, die ihm dafür 1926 – als erstem überhaupt und mit gutem Grund – die Ehrenbürgerwürde verlieh. Auch der Name Stadtapotheke – »Stadtapotheke Kötzschenbroda« wohlgemerkt – geht auf ihn zurück und zeigt, dass er stolz war auf »seine« Stadt.

Doch zurück zum Park. Die einzige faktenbasierte Publikation, die ich zu dessen Entstehungsgeschichte finden konnte, stammt von Christa Kunze, die viele Jahre in der Stadtapotheke gearbeitet hat. In Ermangelung eigener Erkenntnisse will ich hier die entsprechende Passage aus ihrem 1999 – nach der letzten Verschönerung – im »Radebeuler Reporter« erschienenen Artikel zitieren, der die Überschrift trägt »Was man in Radebeul vom ›Apothekerpark‹ wissen sollte«: »Zu [Curt Schnabels] Zeit war der Garten noch eine Art Streuobstwiese. Er gestaltete dann diese in einen Park um unter vorläufiger Beibehaltung einiger Obstbäume, die erst nach und nach verschwanden. Es gab im hinteren, der Harmoniestraße zugewandten Teil zwei Teiche, den runden und den langen. Und da alle Apotheker schon von Berufs wegen viel Kenntnis von der Botanik hatten, so gab es immer auch seltene Pflanzen. […] Frau Apotheker Else Behme geb. Schnabel vermachte bei ihrem Tod im Jahre 1975 testamentarisch – sicher nicht ganz freiwillig […] – das Apothekengrundstück und die beiden Parzellen des Parkes der Stadt Radebeul. Bis zu seinem Tod im Jahre 1978 hatte Herr Apotheker Behme noch das Nutzungsrecht. Der Garten war seine große Liebe und er hat viel in ihn investiert, sowohl an finanziellen Mitteln wie auch an Ideen und Arbeit. Ungefähr 90 Jahre haben Apotheker diesen Park gehegt und gepflegt. Es ist schön, dass er nun hoffentlich vielen Anwohnern zur Nutzung offen steht. «

Wenn man sich gegenwärtig in der Lößnitz umtut, dann stößt man auf erstaunlich viele Apotheken. In allen kann man natürlich alles bekommen, was das Herz begehrt – oder das Asthma, der falsche Blutdruck und andere Gebrechen. Aber der Mensch lebt nicht von der Arznei allein. Das dachte sich wohl auch Bettina Lange, die heutige Chefin der Stadtapotheke Radebeul, als sie vor 13 Jahren beschloss, ihrer Kundschaft aller zwei Monate neben wertvollen Werbebotschaften auch eine »Kötzschenbrodaer Geschichte« mit auf den Weg zu geben. Interessantes und Schönes, wovon es zu erzählen lohnt, gibt es hier schließlich genug. Und: (Nicht nur Alt-) Kötzschenbroda soll leben!

Manches, was einstmals schön war, könnte eine neuerliche Verschönerungskur freilich gut vertragen, wie sie der Apothekerpark jetzt erhält. Da wäre z.B. unsere alte Post. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es 1854 ein Apotheker war, der in Kötzschenbroda das erste Postamt einrichtete. Frei nach Goethes Faust möchte man der Stadt da ins Stammbuch schreiben: »Was du ererbt von deinen [Apothekern] hast,/ Erwirb es, um es zu besitzen./ Was man nicht nützt, ist eine schwere Last,/ Nur was der Augenblick erschafft, das kann er nützen.«

Frank Andert

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