Nicht allen wird es bekannt sein: Seit fast sechzig Jahren gibt es in Radebeul eine Gruppe, die sich besonders dem Vogel- und Naturschutz verschrieben hat. In DDR-Zeiten im Kulturbund organisiert, fand sie nach der Wende ihren Platz unter dem Dach des NABU.
Neben manchen anderen Aktivitäten der Gruppe wurde in diesem Jahr erneut ein Projekt aufgelegt, das sich der »Erfassung und Förderung der Rauchschwalben in Radebeul« widmet.
Ein Sprichwort sagt: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Neben seiner kaum zu bestreitenden Aussage drückt es nebenbei aus, dass diese Vögel fest im Bewusstsein vergangener Generationen verankert waren. Heute gehören sie leider nicht mehr zu den selbstverständlichen Mitbewohnern menschlicher Siedlungen.
Manche werden wissen, dass in unseren Breiten mehrere Arten von Schwalben beheimatet sind. Vielleicht haben Sie schon die vielen Schwalben wahrgenommen, die seit einigen Jahren ihre Nester an das Gebäude vom »Kaufland« auf der Kötzschenbrodaer Straße angeklebt haben. Es sind dies Mehlschwalben, leicht erkennbar an ihrer auffälligen rein-weißen Unterseite und dem relativ kurz gegabelten Schwanz. Viele ordnen auch die pfeilschnellen schwarzen Flieger mit den sichelförmigen Flügeln und den schrillen sriiieh-Rufen den Schwalben zu, was aber falsch ist, denn da handelt es sich um Mauersegler, die mit den Schwalben in keinem Verwandtschaftsverhältnis stehen.
Und dann eben die Rauchschwalben. Sie sind im Ganzen auch dunkel gefärbt, die Unterseite ist weißlich, sie haben aber, im Gegensatz zur Mehlschwalbe, eine rostrote Kehle, und – daran sind sie zu erkennen – extrem lange Schwanzfedern, die wie Spieße weit nach hinten abstehen.
Unterscheiden kann man sie auch leicht nach ihren bevorzugten Brutplätzen. Mehlschwalben heften ihr napfförmiges Nest aus Lehm und Grashalmen außerhalb von Gebäuden und senkrechten Flächen an, Rauchschwalben suchen das Innere auf, nisten in Ställen und Scheunen, knapp unter der Decke. Früher war das für sie kein Problem. Kuh-, Pferde- und Schweineställe gab es im ländlichen Raum in großer Zahl und die damit angelockten Fliegen waren eine schier unerschöpfliche Nahrungsquelle. Auch wenn durch ihren Appetit die Fliegenplage kaum gemindert wurde, sah der Bauer die Schwalben doch gern in seinem Stall. Und dass Fenster und Luken für sie offen standen, war ein gern gewährtes, selbstverständliches Gastrecht.
Dass Rauchschwalben ausgerechnet diese Lebensweise angenommen haben, ist ihnen in unserer Zeit zu einem existenzgefährdenden Problem geworden. Ställe sind rar geworden in unseren Siedlungsgebieten und Dörfern. Und damit hat auch ihr früher unbegrenztes Nahrungsreservoir spürbar abgenommen. Das alles hat dazu geführt, dass die Rauchschwalbe, eben anders als ihre Schwester, die Mehlschwalbe, einen besonders starken Bestandsrückgang zu verzeichnen hat, der alarmierend zu nennen ist. Aus diesem Grund sollen wieder einmal die Radebeuler Rauchschwalben in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt, ihre Zahl erfasst und, so gut es geht, ihre Lebensbedingungen verbessert werden.
Einige Mitarbeiter der NABU-Gruppe werden ab April an die Plätze gehen, wo in den vergangenen Jahren Rauchschwalben beobachtet wurden, werden sehen, wie sich die Lebensbedingungen für diese Vögel vielleicht verändert, verbessert oder verschlechtert haben, werden Altvögel zu zählen versuchen, Nester und darin befindliche Junge, die Ergebnisse auf Karten eintragen und in Tabellen zusammenstellen. So wurden in den Jahren 2005/06 einige Brutpaare in Serkowitz, Zitzschewig, Lindenau, Wahnsdorf, Kötzschenbroda und Naundorf erfasst. Einige wenige Einzelvorkommen wurden sogar in Wohngebieten der Ober- und Niederlößnitz und in abgelegenen Gehöften festgestellt.
Und deswegen nun auch unsere Bitte an Sie: Wenn Sie Rauchschwalben sehen, wie sie immer wieder einen Stall, einen Schuppen oder sonst ein Gebäude anfliegen und nach einem Einflugloch suchen, öffnen Sie ihnen, wenn es nur irgend geht, eine Luke oder ein Fenster zu einem Raum, der für einen Nistplatz in Frage kommen könnte. Ein kleines Brett, etwa 20 cm unterhalb der Decke angebracht, könnte ihnen eine dankbar angenommene Hilfe für den Nestbau bedeuten. Freilich müsste gewährleistet sein, dass diese Ein- und Ausflugöffnung bis etwa September frei zugänglich bliebe.
Und die andere Bitte: Wenn Sie ein- oder ausfliegende Rauchschwalben beobachten, alte oder neue Nester entdecken und Rauchschwalben an Lehmpfützen feststellen, wo sie ihr Nistmaterial holen, teilen Sie es uns bitte mit (Tel. 0351-8486925). Wir würden uns dann gern mit Ihnen in Verbindung setzen, austauschen und beraten, wie die Lebensbedingungen für diese liebenswerten Sommergäste eventuell noch verbessert werden können.
Johannes Woldt
[V&R 3/2010, S. 5f.]