Laudatio für Eckhard Kempin

von Jürgen Stegmann

Eckhard Kempin beging unlängst seinen 70. Geburtstag. Ist das jemandem aufgefallen? Wer ist überhaupt Eckhard Kempin? Ach ja, der mit dem Rauschebart, der immer nur Fahrrad fährt, ein Kauz, ein Radebeuler, ein Künstler. Ist das jemandem aufgefallen? Dass er ein Radebeuler Künstler ist? Wie oft warst du, lieber Leser, schon im KunstKabinettKempin auf der Meißner Straße? Ach, das kennst du gar nicht. Und du kennst auch Eckhard Kempin nicht. Woher auch. Selbst die Ausstellung zu seinem eigenen 70. Geburtstag musste er sich in seinem eigenen Kunst-Kabinett selbst gestalten. Bescheidenheit tut not. Gibt es doch sonst kaum Möglichkeiten in Radebeul für einen Radebeuler für Radebeuler auszustellen. In der Stadtgalerie z.B. sollten ja nur Radebeuler Künstler ausstellen und möglichst anlässlich eines runden Geburtstages. Das war zumindest mal ein Credo, oder? Oder haben wir das vergessen? Und den Geburtstag obendrein? Vielleicht hätte das Kulturamt an das Jubiläum des Jubilars erinnern können. Oder hat man es auch da nicht gewusst? Oder auch nur vergessen? Immerhin, ein paar Pflichtgratulationsminuten waren möglich, am arbeitsreichen Montag inmitten der Schulferien. Aber ein paar Minuten sind nicht sehr viel für 70 Jahre gelebtes Leben. Mehr geht eben heutzutage nicht mehr. In diesem schnelllebigen Leben, voller Termine und Verabredungen. Mehr ist eben nicht drin. Oder ist mehr nicht gewollt? Sind die schnellen und lauten und virtuellen Erscheinungen um uns herum wirklich wichtiger als die Menschen, die die wahre Kultur (er)schaffen? In aller Stille und Bescheidenheit. Dieser Tugenden kann sich Eckhard Kempin rühmen. Auch wenn er es genau deswegen nie tun wird. Deswegen wird er auch nie auffallen. Schäm dich, Radebeuler. Du hast die Kunst und Kultur um die Ecke, auf der Straße, vor der Nase. Die Künstler dazu, gratis fast. Darauf bist du doch so stolz. Damit brüstet sich die Wein- und Gartenstadt doch allerorten. Wenn schon von den subventionierten Institutionen nur heiße Luft kommt, sollten doch gerade diese Künstler hofiert werden. Es ist ein groß Ergetzen – sich in den Geist der Zeiten zu versetzen – zu sehen, wie vor uns ein weiser Mann gedacht – und wie wir’s dann zuletzt so herrlich weit gebracht.

Aber auch ohne Goethes Gedankenanschub ist es ein großes Ergetzen, zu lauschen und zu schauen, was 70 Jahre Leben zu erzählen habe. Das KunstKabinettKempin aber muss um seine Existenz bangen. Radebeuler, sag, können wir es uns leisten, die einheimischen Künstler zu vergessen? Oder ist das so gewollt? Dann müssen wir Alten uns doch ganz schön umstellen und die schnelle, böse, neue Zeit endlich akzeptieren. Zeit ohne Geheimnisse und ohne Zweifel. Zeit ohne Überraschungen und ohne Lachen. Ohne Kultur.

Es lebe Eckhard Kempin!

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