Endstation Radebeul

Buntes Radebeul – Ein neues Bündnis setzt sich für Asylsuchende ein

Der Anlass: Ein Apfel und seine Gurkentruppe
Ende November vergangenen Jahres versuchte die NPD mit einer Kundgebung vor der Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende Aufmerksamkeit zu erregen. Das schaffte sie auch – allerdings mit einem wahrscheinlich unerwarteten Ergebnis. Als die Nachricht der sogenannten NPD-Brandstifter-Tour die Runde machte, war nach relativ kurzer Zeit klar: die Chefideologen der NPD wollen auch in Radebeul Halt machen. Ein Wochenende musste vergehen, der Oberbürgermeister, die Fraktionen und das Ordnungsamt in Radebeul wurden informiert, tauschten sich mit dem Landkreis aus und konnten die Tourdaten bestätigen. Ein LKW mit Beschallungsanlage sollte auf der Kötitzer Straße in Radebeul die Propaganda der NPD verbreiten, es gäbe zu viele Ausländer, Moscheen und Asylsuchende in Sachsen… Wer sich auch nur einen kurzen Überblick über die Zahlen verschafft, wird schmunzeln. Bei einer – wahrscheinlich erschreckend niedrigen – Ausländerquote von unter 3% (drei Prozent) und den kaum zählbaren Minaretten muss die NPD auf gehörigen Widerhall in weiten Teilen der Bevölkerung stoßen. Glaubt man einer neueren Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, gelingt ihr das allerdings wirklich. Nun – in Radebeul jedenfalls nicht.

Widerstand wächst
Der Radebeuler Oberbürgermeister ruft kurzerhand eine Krisensitzung zusammen und die herbeieilenden Städträtinnen und Stadträte werden über den Sachstand informiert. Die Stadt beschließt zwei Plakate mit dem Spruch „Die Würde des Menschen ist unantastbar – aller Menschen.“ aufzuhängen, jeweils eins gegenüber vom Asylsuchendenheim und eins an das Rathaus. Gleichzeitig gibt der Oberbürgermeister aber zu verstehen, dass die Stadt selber keine Gegenveranstaltung anmelden wird. Dies war dann der Startschuss für das Bündnis „Buntes Radebeul“. Am Donnerstagabend verständigen sich Martin Oehmichen und David Schmidt (der Autor des Textes, mag es dann doch nicht von sich in der dritten Person zu schreiben und lässt dies von nun an), dass irgendjemand eine Demonstration anmelden müsse. Wir entschieden uns prioritär für einen Landtagsabgeordneten (wegen der Immunität), letztlich war es egal, Johannes Lichdi war schließlich nicht im Urlaub und schaffte es am Freitag noch, etwas beim Landkreis anzumelden. Obwohl so viel Eile nicht nötig gewesen wäre, gab dies doch dem Ganzen einen gehörigen Schwung.

Bildet Bündnisse!
Jetzt war es Freitag geworden. Eine Woche ist vergangen, seit dem ich vom NPD-Tourgebahren Kunde vernahm. Mein Telefon, Facebook-Chat und das Mail-Programm kamen nicht zur Ruhe. Auf allen digitalen Kanälen ging es jetzt darum, Menschen für ein Bündnis zusammenzubekommen. Martin Oehmichen (im Folgenden nur noch ‚Martin‘) fuhr durch die Straßen und machte Hausbesuche, ebenfalls sehr erfolgreich. Ein erstes Treffen wurde ausgemacht, Samstag im Noti (Noti: Der Noteingang – damit sind die Clubräume des Jugend- und Kulturvereins Noteingang e.V. auf der Kötzschenbrodaer Straße gemeint). Bis dahin wurde noch fleißig organisiert, wobei es schon auffällig war, dass unglaublich viele Menschen im Urlaub waren – ob die NPD damit gerechnet hatte? Samstagabend war es schließlich so weit. Nach zähem und stundenlangem Ringen fanden wir einen Namen, entschieden uns für eine Website und strickten uns schon grob ein paar Veranstaltungsideen. Am Sonntag war ich in Sachsen-Anhalt unterwegs und ich muss sagen: Es ist erstaunlich, wie viel man mit einem Smartphone aus der Ferne alles machen kann (ich habe keinen Sponsoringvertrag).

Organisation ist alles, zumindest fast die Hälfte
Am Montagabend hatten wir dann die Internetseite fertig. Ein Treffen mit 20 Leuten im Noti fand statt und das Bündnis wuchs und wuchs. Am Wochenende fanden noch wir unseren Demospruch „Die Würde aller Menschen ist unantastbar.“ Es ist nicht leicht, sich mit 10 Leuten auf einen Namen, einen Spruch und einen Ablauf zu einigen, zumal alles irgendwie basisdemokratisch ablaufen soll. Zum Glück bin ich so was ja gewohnt. Unsere Idee, den Spruch an die Stadt- und OB-Idee anzupassen, kam allerdings nicht bei allen so gut an. Eigentlich hatten wir gedacht, da unser Bündnis ja sowieso überparteilich und offen ist, nehmen wir genau diesen Spruch, damit sich OB, Stadträtinnen und Stadträte und alle couragierten Bürgerinnen und Bürger irgendwie wiederfinden. Aber es kam anders. Plötzlich stand unser Bündnis im Verdacht, ein rot-grünes Parteienbündnis zu sein und den Spruch aus einer geheimen Sitzung quasi entwendet zu haben, daraufhin unterschrieb der Oberbürgermeister dann den Aufruf nicht. Ja, da war noch etwas, der Aufruf. Der Aufruf wurde am Sonntag geschrieben, am Montag hatten wir die Flyer fertig und am Dienstag die Pressekonferenz mit Fernsehen und Zeitungen.

Die Geschichte wie wir dann Getränke, Transpis, Lautsprecheranlage, Stellplatz, Strom und Kulturprogramm organisierten, ist schließlich auch Schnee von gestern. Was mich besonders beeindruckte waren die vielen engagierten Menschen. Von denen, die halfen, unterschrieben und Verantwortung übernehmen lebt ein Gemeinwesen. Die wenigsten Menschen hatten und haben etwas mit Parteien zu tun. Besonders die Vereine Noteingang e.V. und Courage-Preis-Verein unterstützten mit ihren Mitgliedern die Aktivitäten gegen die NPD. Doch auch die Zusammenarbeit der Parteien ist in Radebeul vorbildlich gewesen, nicht nur im Stadtrat, sondern auch im Bündnis konnte man das gemeinsame Engagement gegen Rassismus erleben. Hier arbeiteten SPD, Grüne, Linke, Piraten und Freie Wähler Hand in Hand. Die Mahnwache am Freitag war ein voller Erfolg. Rund 300 Radebeulerinnen und Radebeuler stellten sich der NPD in den Weg. Die Nasen um Fraktionschef Holger Apfel froren dann auch ziemlich einsam, mittendrin schimpfend und unzufrieden Petra Müller, die Radebeuler NPD-Stadträtin. Im Internet gibt es genügend Film- und Textmaterial, auf der Seite www.buntes-radebeul.de haben wir einiges dokumentiert.

Das bunte Bündnis macht weiter
Schon während der Gründungsphase wurde von vielen der Wunsch geäußert, sich längerfristig für Asylsuchende in Radebeul zu engagieren. Noch im letzten Monat des alten Jahres konnten so einige Veranstaltungen organisiert werden: eine Diskussionsveranstaltung mit Pfarrer Pohl aus Großenhain, eine Party und eine Winterkleidungssammlung mit anschließender Adventsvesper im Asylsuchendenheim. Einen großen Dank möchte ich an dieser Stelle aussprechen an die ITB Dresden für den Raum in der Gemeinschaftsunterkunft, den Landesbühnen für ihr Engagement und an den Noteingang für ganz vieles. Flyer wurden zum Teil von Lößnitzdruck gestellt, die Stadt Radebeul beteiligte sich mit der Grundförderung und auch der Lokale Aktionsplan konnte noch helfen. Die Adventsvesper wurde vor allem auch durch den Courage-Preis-Verein möglich und es waren hunderte Radebeulerinnen und Radebeuler, die gute Wintersachen im Noti als Spende abgegeben haben.

Was erwartet uns 2013? Wer immer auf dem Laufenden bleiben will, kann sich online in den Newsletter eintragen. Seien Sie sicher, unser Engagement für Menschenfreundlichkeit und gegen Rassismus geht weiter. Haben Sie Lust bekommen, hier mitzumachen? Nur zu – wir sind ein offenes Bündnis!

David Schmidt

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