„Ich tu, ich weiß nicht was!“

Das Dresdner H.O.Theater startete mit „Was ihr wollt“ am Theaterhaus RUDI ins Jahr 2013

Dass die alten Rittersleut schon immer dem Wein sehr zugetan waren ist eine altbekannte Erkenntnis. Zu Lebzeiten William Shakespeares nun war der Alkohol längst zum ständigen Begleiter dieser Spezies geworden. Geld hatten die Ritter meist mehr als Verstand und so avancierten sie daher auch zu den beliebtesten Gästen in den Wirtshäusern und Spelunken. In der aktuellen Inszenierung des Dresdner H.O.Theaters nun schlüpften Konrad Voigt und Simon Kimmeskamp in die Rollen der versoffenen Ritter Tobias Rülp und Andreas Bleichenwang. Sie eröffneten mit ihrem permanenten Herumtorkeln in der Szenerie wie auch mit ihrem unaufhörlichen Lallen das turbulente Spiel um die zahllosen Wirrnisse im täglichen Miteinander der Spezie Mensch. Eingeführt in die Handlung werden die beiden durch einen leise gespielten Musettewalzer vom Akkordeon. Überhaupt, die Akkordeonmusik von Veronika Wende untermalte ganz wunderbar und stets auf sehr zurückhaltende Weise die gesamte Inszenierung von Rita Schaller der restlos ausverkauften Premiere am 5. Januar.

Der Narr (Renate Michel), Malvolio (Heinz Kitsche) und Olivia (Alexandra Tuschka)

Der Narr (Renate Michel), Malvolio (Heinz Kitsche) und Olivia (Alexandra Tuschka)


An und für sich manifestiert „Was ihr wollt“ den Wechsel William Shakespeares weg von den großen Königsdramen und hinein in das sozusagen „leichte Fach“ der Komödie. Dass gerade die aber auch ihre Tücken haben kann war dem produktiven Briten sehr wohl bewusst. Umso intensiver schien er nämlich seine Figuren zu formen und umso detaillierter schmückte er die Geschichten mit skurrilen Nebenschauplätzen aus. Das kann den ungeübten Theaterbesucher zeitweise durchaus verwirren. Bei „Was ihr wollt“ ist daher nicht nur die Fantasie, sondern vor allem auch die unbedingte Aufmerksamkeit des Zuschauers gefordert. Für ein Amateurtheater aber ist die Einstudierung gerade dieser so immens doppelbödigen Komödie unbedingt eine Herausforderung. Denn die unzähligen Haken, Kurven und Windungen des Geschehens verlangen nicht nur der Regie und den Darstellern, sondern eben auch dem Publikum allerhand ab. Da mag noch erklärbar sein, wenn sich unter die Musikauswahl mit „Azzurro“ ein alter Schlager von Adriano Celentano mischt. Oder wenn mit dem Trinklied  „Als Büblein klein an der Mutter Brust“ ein kurzer musikalischer Ausflug in die Welt der Oper („Die lustigen Weiber von Windsor“/Otto Nicolai) erfolgt. Der Versuch einer zeitlosen Erzählform wird mitunter allerdings etwas fragwürdig; so z.B. wenn sich an einer Stelle die schnarrende Stimme Hitlers in den Vordergrund drängt. In solchen – zugegeben sehr seltenen – Momenten bekommt die Inszenierung einen leichten Hauch von thematischer Überfrachtung. Eine Kritik, die dennoch den guten Gesamteindruck und das fesselnde Spielvermögen der Darsteller keinesfalls schmälern soll. Unter denen sei vor allem auf die sehr eindringliche Rollengestaltung von Conny Haufe hingewiesen, die in Männerkleidung unter dem Namen Cesario auf der Suche nach ihrem Bruder Sebastian (Jörg E. Fischer) ist. In den wiederum hat sich die Gräfin Olivia (Alexandra Tuschka) verliebt.

Da sind aber auch die stets absolut stabilen Felsen in der allgemein schäumenden Brandung des Theaterspiels und in der besonderen Spezifik des H.O.Theaters selbst. So wie es bspw. Heinz Kitsche ist, der die Rolle des Malvolio – des überkorrekten Haushofmeisters Olivias – übernommen hat. Der ist Opfer eines makabren Streichs geworden. In dessen Ergebnis er sich deshalb vom Hofnarren (ausgezeichnet von Renate Michel gespielt) mit der Frage tadeln lassen muss „Wie seid Ihr nur um Eure fünf Sinne gekommen?“ Gerade die beiden Letztgenannten erwiesen sich als die darstellerischen Gallionsfiguren im Spiel des H.O.Theaters.

Allzu vordergründig aber sucht die Regie manchmal die Zeiten zu überspringen. Das mag bei der Wahl der Kostüme noch erklärbar sein. Beim gemeinsamen lauten Absingen des Schlagers „Es gibt kein Bier auf Hawaii“ und bei einer nachfolgenden Polonaise wirkt das allerdings weniger komisch als vielmehr überflüssig. Oder – mit anderen Worten gesagt – diese Passagen hätte man getrost einsparen können. Gräfin Olivia sinniert ganz am Anfang des Spiels mit den Worten „Ich tu, ich weiß nicht was!“. Dieser Stoßseufzer aber ist allein dem Verliebtsein geschuldet und keineswegs der Inszenierung.

Wolfgang Zimmermann 

Weitere Spieltermine: 21. u. 22.2., 18. u. 19.4.; 11. u. 12.5.

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