Vor wenigen Wochen verstarb der Schauspieler Horst Mendelsohn in Radebeul
Eines hatte sich Horst Mendelsohn ganz fest vorgenommen. Er wollte nicht irgendwann einmal von der Bühne getragen werden müssen, sondern wollte sie auf jeden Fall aus eigener Kraft verlassen. Das machte der Schauspieler auch tatsächlich wahr. Das neue Jahrtausend war gerade mal sechs Monate alt, als Horst Mendelsohn seinen letzten Arbeitstag an den Landesbühnen Sachsen antrat. An jenem Theater, in dem der gebürtige Berliner von 1960 an in unzähligen Rollen auf der Bühne stand und für die langjährigen Radebeuler Theatergänger immer schon „irgendwie dazu gehört“ hatte. Es war Michael Frayns Komödie „Der nackte Wahnsinn“, in der Horst Mendelsohn am 6. Februar 2000 seine letzte Premiere als Schauspieler erlebte. Und Horst Mendelsohn war darin in der Rolle eines 70-jährigen Schauspielers zu erleben. Zufall oder nicht; jedenfalls feierte Horst Mendelsohn zwei Tage nach der Premiere seinen eigenen – den realen – 70. Geburtstag. Da stand es aber für ihn längst schon fest; es sollte die letzte Spielzeit sein, in der er vor sein Publikum treten würde. Mit der ihm eigenen Konsequenz begründet er damals seine Entscheidung. Sagte „Ich möchte nicht irgendwann mal hilfsbedürftig auf der Bühne stehen wie manch anderer, der glaubt, nicht aufhören zu können.“
Mit dem Ende der Spielzeit 1999/2000 schied Horst Mendelsohn aus dem Radebeuler Schauspielensemble aus, dem er seit 1960 angehört hatte. Den älteren und besonders treuen Theaterbesuchern blieb er in Erinnerung als ein Schauspieler, der stets mit Akribie und Konsequenz an die Erarbeitung seiner Rollen gegangen war. An einen, der noch zu jenem – mittlerweile längst ausgestorbenem – Schauspielertyp gehörte, der jede Rolle als seine wichtigste momentane Aufgabe betrachtete. Es waren zahlreiche solcher Rollen, die dem Theaterbesucher im Gedächtnis blieben. Ganz am Anfang seines Engagements in Radebeul die Rolle des Raimund in der „Jungfrau von Orleans“ bspw. oder 1963 die des Mephistopheles im „Urfaust“. Der Peachum in der „Dreigroschenoper“ gehörte dazu, der Oberon im „Sommernachtstraum“, Napoleon in „Krieg und Frieden“ und zahllose andere mehr. Nicht zu vergessen natürlich die Figur des Prof. Grey in der unverwüstlichen „Feuerzangenbowle“. Trotz der Vielzahl seiner Rollen – „Ein Brüller war ich nie!“ – schätzte Mendelsohn sich einmal selbst ein. Womit er zum Ausdruck bringen wollte, dass ihm statt der lauten die eher stillen Charaktere doch mehr lagen.
Auch als zupackender Macher wird Horst Mendelsohn in Erinnerung bleiben. Denn damals – im wilden Herbst 1989 – stellte er sich mit ganzer Kraft einer völlig anderen Aufgabe. Gemeinsam mit dem späteren Intendanten Christian Schmidt und dem damaligen Kapellmeister Matthias Liebich führte er das Theater durch eine komplizierte Zeit.
Insgesamt sechs Intendanten erlebte Horst Mendelsohn in seinem Schauspielerleben allein in Radebeul. Sie kamen und gingen wieder, Horst Mendelsohn aber blieb. Die Stadt Radebeul ehrte den Schauspieler 2000 mit der Verleihung des städtischen Kunstpreises. Unter anderem dafür, dass er „…stets seine ganze Kraft und Persönlichkeit in den Dienst des Theaters gestellt hat“.
Während an seinem einstigen Theater eine Neuinszenierung des „Nackten Wahnsinns das Publikum begeisterte hat sich Horst Mendelsohn ganz leise verabschiedet. Er hat nun auch die Bühne des Lebens verlassen. Am 12. Februar 2013 verstarb der Schauspieler kurz nach seinem 83. Geburtstag.
Wolfgang Zimmermann