Ich las in alten Chroniken und mir fiel auf, dass Kötzschenbroda oft zu den Flutopfern zählte. Das ist erstaunlich, denn der zweite Teil des Ortsnamens, das „broda“ bedeutet im Slawischen Furt oder Überfahrt und weist darauf hin, dass es hier eine flache Stelle gab, die zur Überfahrt mit Pferd und Wagen genutzt werden konnte. Die Elbe war mit Sicherheit in früheren Zeiten flacher und breiter und bestand aus mehreren Armen. Man sollte also annehmen können, dass sich ihr auch bei Hochwasser genügend Fläche bot, um die Wassermassen von den Siedlungen fern zu halten. Trotzdem werden in den alten Chroniken immer wieder Hochfluten zu unterschiedlichen Jahreszeiten beschrieben, die teilweise erhebliche Schäden anrichteten.
So soll 1342, eine andere Quelle spricht von 1343, die Elbe eine solche Höhe erreicht haben, dass sie unter anderem über den Altären der Franziskanerkirche in Meißen (In ihr ist heute das Stadtmuseum untergebracht) gestanden hat. Auch für 1400 ist die Rede davon, dass die Elbe gleich verheerend gewesen sei. In den Jahren 1212, 1275, 1413, 1481 und 1566 wird von Hochfluten des Eiswassers, allerdings ohne nähere Angaben, berichtet. 1431 soll ein durch Wolkenbruch aufgetretenes Hochwasser mehrere Gewölbe der alten Dresdner Elbbrücke zum Einsturz gebracht haben und die Meißner Brücke ganz weggerissen worden sein. Das Hochwasser von 1443 riss wieder von der Meißner Brücke 2 Joche fort. Am 14. August 1501 riss die Flut das große Brückenfach der Meißner Brücke weg. Für 1635 und 1652 werden bedeutende Eisfahrten (also Hochwasser bei auftauender Elbe) beschrieben. „1655 vom 6.-8. Februar aber hat sich auf harten Winter durch unvermutete Wärme und Tauwetter auch die Elbe dermaßen heftig ergossen, dass dadurch alles überschwemmt, Mühlen, Brücken und Stege an vielen Orten weggerissen, auch Menschen und Vieh ersäuft wurden. In Kötzschenbroda ging die Flut noch 1 Elle über die Kirchhofsmauer und führte Stücke Eis in Größe eines Fasses Bier über dieselbe hinein“, ist in einer Denkschrift von Pfarrer Prescher zu lesen. Am 1. März 1674 und am 15. Juni 1675 ist wieder von grausigen Wasserfluten die Rede, die nur um weniges geringer gewesen sein sollen wie die 1655. Von einer ähnlichen Flut ist auch am 24. Juni 1688 die Rede. In einer Denkschrift von Pfarrer Behrisch lesen wir, dass 1703 die Elbe so hoch gewesen sei, dass man das Getreide mit Kähnen wegfahren musste und der gleiche Pfarrer beschreibt, dass 1709 die Elbflut 15 Scheffel Feld teils wegriss, teils mit Sand und Kies bedeckte. (1 Scheffel war zu dieser Zeit auch Flächenmaß und bedeutete so viel Land, wie man mit 1 Scheffel Getreide besäen konnte.) 1736 war die Elbe während der Heuernte so angestiegen, dass zwischen Kötzschenbroda und den Bergen über der Elbe nichts als Wasser und die Spitzen der Bäume zu sehen waren. Fast die gesamte Ernte wurde dadurch vernichtet. Das Jahr 1768 brachte wieder eine bedeutende Eisfahrt und 1784 erreichte die Elbe eine Höhe wie 1655. Großen Schaden richteten die Fluten dadurch an, dass sie erhebliche Teile Land abrissen. Dadurch drohte der Fluss seinen Lauf direkt auf Kötzschenbroda zu zunehmen und seinen Hauptlauf in den nördlichen Flussarm zu verlegen. Wie bedeutend dieser Landabriss war, zeigt sich auch dadurch, dass 1792 6,1/2 Hufe (als Hufe bezeichnet man das Land, das zu einem Bauerngut gehörte, meist 30 – 60 Morgen, wurde auch als Einheit zur Besteuerung verwendet) abgeschrieben werden musste. Das bedeutete rund den sechsten Teil des Landes, auf das Steuern erhoben wurden.
Dazu kam die Anschwemmung bedeutender Sand und Geröllmengen, die das Land ebenfalls unbrauchbar machten.
Die Gemeinde drängte die kurfürstliche Regierung zum Bau eines Elbdammes. Die Forderung nach einem Damm wurde durch einen Vorfall unterstützt, der dem Kurfürsten, Friedrich August dem Gerechten mit seinem Bruder, Prinz Anton, und der begleitenden Jagdgesellschaft das Leben rettete. Die Straße, die auf dem Steilufer zwischen Serkowitz und Kötzschenbroda hinführte war durch das Hochwasser 1784 derart unterspült worden, dass sie durch die Erschütterung eines auf ihr fahrenden größeren Wagens eingestürzt wäre. Zwei Marktfrauen aus Kötitz und Naundorf hatten die gefährliche Stelle bemerkt und konnten die heranfahrende Gesellschaft rechtzeitig warnen. Sie wurden dafür fürstlich belohnt und erhielten bis zu ihrem Lebensende 2 Taler monatlich sowie ein Geschenk von 1 Taler jeweils am Jahrestag des Ereignisses. Ein Gedenkstein erinnert heute noch an diese Errettung aus großer Gefahr. Er wurde 100 Jahre später aus Spenden von Serkowitzer Einwohnern finanziert und befindet sich an der Straße, hinter dem Zaun des Grundstückes auf dem das „Weiße Haus“ steht
Nun wurde mit dem Bau eines Elbdammes begonnen, der von 1785 – 1789 dauerte und 41265 Taler kostete. Er verlief vom sogenannten Serkowitzer Heger bis nach Kötzschenbroda. Er schützte die Gemeinde vor weiteren Schäden und drängte die Elbe wieder in ihr altes Bett zurück. Der nördliche Elbarm ist heute noch bei Hochwasser Überschwemmungsgebiet. Die Straße, die ursprünglich nur ein Kommunikationsweg war, verbindet heute als Kötzschenbrodaer Straße Kaditz mit Kötzschenbroda. Auch im 19. Jahrhundert wird vom Auftreten verschiedener Hochwasserereignisse berichtet. 1827 beschreibt Pfarrer Trautschold, dass das Wasser die Kirchhofmauer erreicht hat, die Flut von 1845 ist wesentlich höher und erreicht fast den Marktplatz von Kötzschenbroda. Am Pillnitzer Schloss lässt sich der damalige Wasserstand, der mit dem von 2002 vergleichbar ist, ablesen. Vom 2. – 3.Februar 1862 ereignete sich ein weiteres Hochwasser, das in Dresden nur 1 Elle niedriger war als das von 1645. Trotzdem wurde besonders Fürstenhain überschwemmt. In den niedriger gelegenen Häusern stand das Wasser bis zu den Decken der Erdgeschossräume so dass Keller und Öfen einstürzten. Die untere Hainstraße war bis zur Hälfte unter Wasser und Eis gesetzt
Die Angaben zu den aufgeführten Hochwassern wurden folgenden Chroniken entnommen:
Gustav Wilhelm Schubert, Chronik und Topographie der – den mit Städtegerechtigkeit begabten Marktflecken Kötzschenbroda nebst Dörfchen Fürstenhain, die Orte Hof- und Niederlößnitz, ingleichen die Dörfer Naundorf, Zitzschewig und Lindenau umfassenden Parochie Kötzschenbroda, nebst historischen allgemeinen Notizen
Moritz Lilie, Chronik der Lößnitzortschaften
A.Schruth, Die Elbaue:; Bilder der sächsischen Heimatkunde, Beilage zum Generalanzeiger. Dezember 1934
Werte unserer Heimat, Lössnitz und Moritzburger Teichlandschaft, Akademieverlag Berlin 1973
Die ausführlichsten Darstellungen finden sich bei G.W. Schubert. Bei ihm findet sich auch der Versuch, die Häufigkeit der Hochfluten anzugeben. Danach sind sie im März am häufigsten, so dass sie in diesem Monat alle 3 – 4 Jahre zu erwarten sind, die Sommerhochwasser finden vorwiegend im Juni statt. Mit niedrigen Wasserständen ist am häufigsten im August zu rechnen. Leider sind die Maßeinheiten wie Scheffel und Hufe ziemlich ungenau. Vergleiche zu heutigen Wasserständen lassen sich daher eher durch die Angaben anhand von Gebäuden und Plätzen ziehen. Eine Skizze der Überschwemmungsgebiete von 1845 In dem Buch „Werte unserer Heimat“ zeigt große Ähnlichkeit mit denen von 2002.
Dr. Ursula Martin