Vom Roten Haus zur Streuobstwiese

Ausstellung mit Werken von Irene Wieland in der Radebeuler Stadtgalerie

Wie schön, dass es inmitten der winterlichen Tristesse einen Ort gibt, der an warme sonnige Tage erinnert. Gleich einer heiteren Ouvertüre lädt die erste Ausstellung des Jahres 2014 „Ins Grüne“ ein. Seltsame Stahl-Gewächse sprießen überlebensgroß aus der verschneiten Galerie-Hof-Wiese. Bilder in leuchtender Farbigkeit wecken Sehnsüchte, lassen Kälte und Dunkelheit vergessen.

Irene Wieland (Vordergrund) und Nina Reichmann (Hintergrund) zur Vernissage

Irene Wieland (Vordergrund) und Nina Reichmann (Hintergrund) zur Vernissage


Wer einmal Arbeiten der Malerin und Grafikerin Irene Wieland bewusst wahrgenommen hat, wird ihre kraftvolle unverwechselbare Handschrift immer wieder erkennen. Sie pingelt nicht. Sie fabuliert, mitunter recht grotesk. Ihre Bildgeschichten speisen sich aus dem unerschöpflichen Quell der Phantasie gepaart mit einem wachen Blick der Künstlerin für Wesentliches.

Irene Wieland wurde 1968 in Alzenau geboren. Vater, Mutter und Brüder sind in künstlerischen Berufen tätig. Dass der Skizzenblock von klein auf bei keinem Urlaub fehlen durfte, war eine Selbstverständlichkeit. Während der Studienzeit an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach entdeckte sie die grob laufende Rohrfeder als das ihr gemäße Ausdrucksmittel. Später entwickelte Irene Wieland während ihres einjährigen Texasaufenthaltes im Jahr 1998 den Cutterschnitt auf Passepartoutkarton. Die ungewöhnliche Kombination aus Rohrfederzeichnung und Cutterschnitt wurde Bestandteil ihrer eigenwilligen Formsprache.

»mit Lupe«, Cutterschnitt/Rohrfeder/Tusche, 2013

»mit Lupe«, Cutterschnitt/Rohrfeder/Tusche, 2013


In unsere Kleinstadt Radebeul hat es die Künstlerin mit ihrer Familie im Jahr 1999 verschlagen. Kaum angekommen, knüpfte sie erste Kontakte zur Dresdner Sezession 89 und zur Radebeuler Stadtgalerie. Beide Erstkontakte waren ihr wichtig und führten zu langjährigen Beziehungen, die sich bis heute recht produktiv gestaltet haben.

Dass über 60 Bildende Künstler in der Stadt Radebeul wirksam sind, hat Vor- und Nachteile. Das künstlerische Klima ist sehr aufgeschlossen und anregend, doch die Wartezeiten auf eine Personalausstellung in der Städtischen Galerie sind endlos lang. Und so beteiligte sich Irene Wieland zunächst an zahlreichen Gemeinschaftsprojekten, bis sie sich endlich mit dieser Ausstellung in ihrer Wahlheimat präsentieren konnte. Unter dem Motto „Ins Grüne“ zeigt sie nun aktuelle Arbeiten, die zum Großteil im Jahr 2013 unmittelbar vor der Natur entstanden sind.

Dem Aufruf folgend, das Rote Haus an den Dippelsdorfer Teichen „im Sinne seiner kunsthistorischen Bedeutung“ neu zu beleben, wurde von Irene Wieland im vergangenen Jahr sehr intensiv genutzt. Gemeinsam mit Künstlerinnen der Dresdner Sezession 89 erschloss sie sich das einstige Refugium der Brücke-Maler, die vor nunmehr über 100 Jahren inmitten ländlicher Idylle ungestört ihren Natur- und Aktstudien nachgegangen sind. Noch heute ist jener Ort zeitlos schön und animiert zur Arbeit im Freien. Morgenstimmung und Abenddämmerung sind hier von ungeahnter Intensität. Gänse und Hunde, Radfahrer und Spaziergänger, Badende und Lesende bereichern die Szenerie.

Insektenschwarm in der Stadtgalerie

Insektenschwarm in der Stadtgalerie


Alles hat sich für Irene Wieland im vergangenen Jahr künstlerisch recht gut gefügt.
Dem Kunstsommer an den Dippelsdorfer Teichen folgte der Kunstherbst auf den Streuobstwiesen von Altkötzschenbroda. Gemeint ist damit jener Streifen zwischen Dorfanger und Elbe-Damm mit den alten knorrigen Obstbäumen und dem saftigen Gras auf dem Schafe und Kühe weiden. Wo Vögel zwitschern und Insekten summen, wo das Hochwasser Zeichen setzte und die Stechmücken blutrünstige Orgien feiern.

Stoff in Hülle und Fülle für Irene Wieland zum Fabulieren mit der Rohrfeder und dem Cuttermesser.
Stoff in Hülle und Fülle auch für Hüllen aus Stoff, welche die Kostümbildnerin Nina Reichmann nach Baum-Motiven von Irene Wieland schuf und die ebenfalls in der Ausstellung zu sehen sind.

Von der Spontanität und Experimentierfreude beider Künstlerinnen haben während des Ausstellungszeitraumes zahlreiche Grundschüler profitiert. Angeregt durch die ausgestellten Exponate gestalteten sie in Workshops eigene Kunstwerke, die sich bezüglich ihrer Originalität mit der „großen Kunst“ durchaus messen können. Zusätzlich ins Programm wurde auch eine Finissage aufgenommen. Irene Wieland und Nina Reichmann werden anwesend sein und sich den Fragen des interessierten Publikums stellen. Mit Wein und Musik soll der letzte Ausstellungstag am 9. März ab 17 Uhr ausklingen.

Karin (Gerhardt) Baum

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