Unter diesem Thema stand am 1. April, dem Geburtstag des ersten Reichskanzlers, ein Festvortrag von Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll, Professor für Europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der Technischen Universität Chemnitz (Kroll ist Präsident der Werner-Bergengruen-Gesellschaft, Vorsitzender der Preußischen Historischen Kommission sowie Mitglied des Wissenschaftlichen Beraterkreises der Bundesstiftung Flucht, Vertreibung, Integration und zudem Beiratsmitglied renommierter historischer Forschungseinrichtungen wie dem Institut für Zeitgeschichte München und dem Deutschen Historischen Institut Warschau). Der mit großem Interesse aufgenommene und diskutierte Vortrag wurde im Rahmen des zweiten öffentlichen Spendenessens (im Vorjahr sprach Dr. Ulf Morgenstern) des Vereins zugunsten des Treppenbauvorhabens im Bismarckturm gehalten, dem über 30 Personen gefolgt waren. Als Kurzresümee des etwa 40minütigen Vortrages lässt sich Folgendes festhalten:
Otto von Bismarck (1815-1898), Preußischer Ministerpräsident und seit 1871 Kanzler des von ihm geschaffenen Deutschen Reiches, war nicht nur in politischer Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung. Auch als „schriftstellernder“ Staatsmann (man erinnert sich an Churchill), als “homme des lettres” ragte er schon im Kreise seiner Zeit- und Zunftgenossen deutlich hervor. Seinen umfänglichen Bildungsschatz erwarb er sich in ausgiebigem Selbststudium während jener frühen Jahre, die er als Gutsherr auf seinen pommerschen Besitzungen verbrachte. Fast die gesamte Weltliteratur, philosophische Texte, doch auch viele zeitgenössischen Schriftsteller gehörten zu seiner damals – im doppelten Sinne – erlesenen Lektüre. Sein Sprach- und Redestil profitierte ebenso davon, wie sein politisches Gespür (ob dies nicht auch vielen unserer heutigen Politiker anstünde, besonders denen, die nach dem „Erfahrungsschatz Studium“ direkt und ohne lästige Berufsumschweife ein Mandat anstreben)? Denn Kultur, Bildung und Wissen waren für den Reichskanzler niemals nur Selbstzweck oder bloßer ästhetischer Genuss. Nein, sie dienten unmittelbar politischen Zwecken, waren für ihn stets bezogen auf die politischen Formkräfte und Entwicklungsperspektiven der sie umgebenden und von ihr mitgestalteten staatlichen Wirklichkeit. Dieses spezifische Verhältnis Bismarcks zur deutschen Kultur wird wie in einem Brennspiegel deutlich im Blick auf sein Verhältnis zu Theodor Fontane – jenen preußischen Dichter, der Bismarcks Leben und Werk fast ein halbes Jahrhundert lang kritisch begleitete und kommentierte. Fontane schätzte und verehrte einerseits den Kanzler als Begründer der deutschen Nationaleinheit. Doch andererseits verachtete er ihn zugleich wegen seiner menschlichen Kleinheit, seiner Rachsucht und seines “bösen Charakters”. Er vermochte damit nicht zu der Erkenntnis durchzudringen, dass sich persönliche und politische Moral nicht immer zu decken vermögen, dass zwischen dem Privatmann und dem in verantwortlicher Tätigkeit stehenden Staatsmann ein Unterschied klafft, der in kaum einem anderen deutschen Politiker sichtbarer hervorgetreten ist als – eben in Otto von Bismarck. … Wenn man dies bedenkt und zudem in Rechnung stellt, dass Bismarck selbst immer den Ausgleich mit Russland suchte, so ist ein Reduzieren von Bismarck auf „Zuckerbrot und Peitsche“ eine unzulässige Verkürzung seines Wirkens. Dies zeigt nicht zuletzt ein immer wieder aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat (auch dies können wir leider oft beobachten): „Wir Deutsche fürchten Gott, aber sonst nichts in der Welt! …[U]nd die Gottesfurcht ist es schon, die uns den Frieden lieben und pflegen lässt.“
Vereinshinweis – sind Sie dabei? Busexkursion zur 1. Brandenburgischen Landesausstellung
Vor 200 Jahren – 1814/15 – wurde Europa im Ergebnis des Wiener Kongresses neu geordnet. Große Teile Sachsens fielen an Preußen (u.a. Niederlausitz und Teile der Oberlausitz). Die Ausstellung „Preußen und Sachsen – Szenen einer Nachbarschaft“ zeigt das Spannungsfeld zwischen den beiden Nachbarländern – den kulturellen und wirtschaftlichen Austausch genau so wie Rivalität bis zur offenen Feindschaft zwischen ihnen. Ausstellungsort ist das Renaissanceschloß Doberlug, vormals ein kurfürstlich-sächsisches Schloß, heute die sächsische Perle Brandenburgs, das nach umfassender Restaurierung wieder der Öffentlichkeit zugänglich ist. Der Radebeuler Verein für Denkmalpflege und Neues Bauen organisiert für Sonnabend, den 28. Juni, eine Busexkursion zur Ausstellung. Abfahrt Radebeul-West, Drogerie Rau 9.00 Uhr, weitere Einstiege nach Absprache. Teilnehmerpreis: 38,- €, für Vereinsmitglieder 30,- €. Anmeldungen über Staudte, Tel. 0351-8360338.
Dr. Jens Baumann