Wiener Walzer
Zum 1. Januar gehört für viele Leute das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker. 50 Millionen Fernsehzuschauer. Sehr feierlich das Ganze, die Lackschuhe blitzen um die Wette. Gegeben wird: Walzer. Einer nach dem anderen. Man lauscht ergriffen.
Warum das? Warum an der Schwelle zum Neuen zwei Stunden volkstümliche Klänge aus den Tagen von Kaiser Franz Joseph?
Vielleicht, weil rückwärts schauen sicherer ist als voraus. Weil die Schwelle zum Neuen nicht allen barrierefrei erscheint. Eher wie ein Startblock, von dem man springen soll, kein Ziel in Sicht. Neues Jahr: Wir wissen nicht, wie es wird. Wer hätte im Januar 2015 an eine Flüchtlingskrise gedacht, im Januar 2007 an eine Finanzkrise, in früheren Januaren an Arbeitslosen-, Atom- oder Ölkrisen. Die Krisen kommen unsortiert. Also erst einmal: Wiener Walzer. Der beruhigt die Nerven, denn offenbar hat die Welt ihre gute Ordnung noch.
Warmer Applaus, Händeschütteln, Zugaben, die Übertragung endet. Und wir müssen springen. Klatsch, 2017. Das Neujahrskonzert ist verklungen. Jetzt müssen wir wieder selber Ziele und Ordnungen suchen.
Haben Sie schon mal bei der Kirche etwas gesucht?
Beistand in Not, Verschwiegenheit für etwas, dass ich loswerden will, oder dass die Pfarrerin für mich betet; wohltuende, hilfreiche oder tröstliche Gedanken am Sonntag in der Predigt?
Sollten Sie es einmal probieren, werden Sie merken: da kann ich etwas finden. Sinn und Orientierung. Ein tröstendes Wort. Das göttliche „Trotz allem“, das den Sprung vom Startblock beflügelt, weil mir mein Ziel klarer wird.
Also, liebe Leserinnen und Leser: Die Welt hat tatsächlich ihre gute Ordnung noch, trotz allem. Da könnte man direkt einen Walzer tanzen.
Pf. Björn Fischer
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