Vom Versuch, in Reichenberg ein Putzbild zu retten
… und dann passiert es plötzlich: Ein Detail der Hülle erweist sich als wertvoller als der ganze Rest. So geschehen neulich in Reichenberg. Der im Kern mehr als 400 Jahre alte Gasthof hat längst seine Schuldigkeit getan: Es kehrt niemand mehr ein, und im Ort gibt es wohl auch kein Interesse mehr an lautstarken Tanzvergnügen. Häuser aber nehmen das Leerstehen übel und beginnen zu verfallen, wenn keiner nach ihnen schaut. Meist beginnt es mit den Fenstern: eine nach der anderen splittern die Scheiben, weil sie niemand mehr putzt…
Als sich schließlich doch jemand bereitfand, „noch was draus zu machen“, war das vollständig aus Bruchsteinen aufgeführte Mauerwerk rettungslos verschlissen. So standen die Zeichen auf Abriss – wenn nicht ein namhafter, freilich zu seiner Zeit eher beargwöhnter, Künstler sich gemeinsam mit seiner Frau an der Fassade zu schaffen gemacht hätte: Das Sgraffitto-Putzbild von Hermann Glöckner machte die Außenhaut wertvoll, weshalb es von den Professoren Werner Schmidt und Gerhard Glaser zum bedeutenden zeitgenössischen Kunstwerk erklärt worden war.
Eine Schüssel Klöße, ein Bierglas, eine Trompete, ein Bass, ein Pflug und ein Hahn: Das mehrere Meter hohe Bild zeigt, was der Gast 1947 bei der Einkehr erwarten konnte: gute Böhmische Knödel zum Bier, dafür war die Küche berühmt, Geselligkeit und Tanz – und alles auf der Basis eigener Landwirtschaft: Über Generationen hinweg war das gut gegangen; über Generationen hinweg war das Gut in der Familie geblieben. In den Nachkriegsjahren gab es die Hoffnung, dass es so bleiben würde. Der Künstler hatte das Leben sinnfällig umgesetzt in klaren Bildern und solidem Handwerk. Sowas kann einer nach runden siebzig Jahren nicht einfach wegreißen.
Kann Putz bestehen ohne das Mauerwerk, an dem er klebt, einem Putz zumal, der selbst die beste Zeit hinter sich hat und schon vom bloßen Hinschaun bröckelt?
Als Eigentümerin des Gebäudes ist die Firma BAUHAUF dafür bekannt, Schwierigkeiten nicht aus dem Wege zu gehen. Nach dem Motto „wenn mir einer sagt, wies geht, dann machen wir das!“ setzte sich auch die Chefetage hinter die Bücher, um nach einer Lösung zu suchen.
Sie fanden keine. Putzflächen dieser Dimension lassen sich nicht schadensfrei von der Wand nehmen. Selbst das allheilige Wundermittel „Digitalisierung“ half nicht weiter, war doch die Wirklichkeit hier nichts weniger als virtuell. Experten tagten. Restauratoren tüftelten. Ratlosigkeit machte sich breit, bis einer sagte, „dann nehmen wir eben die Wand vom Putz“.
Und schon wurde gesägt und ein Rahmen geschweißt und eine Schutzschicht auf das Bild aufgetragen. Dann kams drauf an: Stein für Stein und natürlich mit der Hand (ja – auch das ist noch möglich im 21. Jahrhundert!) wurde die Wand abgetragen, Lage für Lage die frei stehende Bildträger-Putzschicht gesichert, ein innerer Rahmen mit dem äußeren verschweißt und das Ganze schließlich mit einem Kran zu Boden gebracht – geschafft!
Noch weiß niemand, ob und wie das zu rettende Bild die Prozedur überstanden hat. Immer noch ist ein Scheitern möglich, immer noch ist Hoffnung auf endgültiges Gelingen.
Diese Hoffnung rechtfertigt einen Versuch, der in unserer auf „Effizienz“ getrimmten Zeit alles andere als selbstverständlich ist. Allein dafür hat sich die Firma BAUHAUF ein großes Dankeschön für diesen ungewöhnlichen Vorgang verdient.
Thomas Gerlach