„Ein Glöckner“ kam zurück

Über Hermann Glöckners (1889-1987) Kunst und da speziell über seine Sgrafittoarbeiten zu schreiben, scheint ein Steckenpferd von mir zu sein. Ja, das liegt mir am Herzen, wohl weil ich in diesen Arbeiten einen Schnittpunkt zwischen Kunst und Handwerk sehe. Doch halt, als Letzter schrieb Thomas Gerlach etwas zu dem Thema, nämlich die Abnahme des historischen Putzbildes (korrekterweise müsste man von Bild und Schrift sprechen) vom ehemaligen Gasthof Reichenberg – sh. V+R 05/17. Und genau dazu gibt es jetzt etwas Neues zu berichten.

Ehemaliger Gasthof Reichenberg mit der Wiederanbringung des Sgrafittos von Hermann Glöckner
Bild: D. Lohse


Der alte Gasthof in Reichenberg, OT von Moritzburg, hatte schon seit Jahren geschlossen. Nach Leerstand und ohne Hoffnung auf einen neuen Betreiber der Gaststätte kam schließlich die Idee auf, hier Wohnungen entstehen zu lassen. Die Prüfung der Bausubstanz ergab für die Coswiger Baufirma BAUHAUF den Abriss und einen Neubau von ähnlicher Kubatur. Aber was sollte dann mit der Arbeit Glöckners an der Fassade, die von Vielen als wertvoll anerkannt wurde, geschehen? Herr Gerlach berichtete über die Mühen bei der Abnahme, bei der schon die Radebeuler Baufirma Bialek und der Restaurator Stephan / Freiberg beratend beteiligt waren, des originalen Putzbildes Hermann Glöckners von der Ostseite. Es wurde geborgen und eingelagert. Es ist ein schönes Beispiel, wie verschiedene Betriebe und Fachleute an einer speziellen Aufgabe auch zusammen arbeiten können. Die Schriftzeile auf der Südseite des Gasthofs konnte aber nicht gerettet werden.

Bild: D. Lohse


Nun war der Plan, dass am Neubau das Putzbild mit Schriftzeilen auf der Ostseite als Sgrafitto neu entstehen sollte. Die Herren Fuchs (BAUHAUF) und Bialek (Baufirma Bialek) einigten sich, dass in einem Zeitfenster des Gesamtbauablaufs die Sgrafittoarbeiten von Robert Bialek und Reiner Tischendorf, ein Restaurator, der schon an den Sgrafittos im Dresdner Schloss mitgewirkt hatte, durchgeführt werden konnten. Früher beherrschten die meisten Putzfirmen unter den Betrieben die Sgrafittotechnik noch, heute traut sich das meines Wissens im Raum Dresden nur die Firma Bialek zu. Die Ausführung geschah dann am 6. und 7. Oktober 2018, einem Wochenende mit geeignetem Wetter. Dabei wurde auf dem Gerüst sehr konzentriert und flott gearbeitet, schließlich muss zweilagiger Putz naß-in-naß verarbeitet werden. Das Ergebnis – in der oberen, hellen Putzschicht wurden Bilder und Buchstaben ausgeschnitten, so dass da die untere, umbrafarbene Putzschicht zum Vorschein kam – kann man seit der Abnahme des Gerüstes erkennen. Es ist die gelungene Rekonstruktion einer wichtigen Sgrafittoarbeit Glöckners aus dem Jahre 1947!

Hier haben wir nach meiner Kenntnis den einzigen Versuch, eines von Glöckners Putzbildern zu rekonstruieren, vor uns. Reparaturen an derartigen Sgrafittos – Ladenwerbung oder Schmuckform – hatte es schon gegeben. Aber hier entstand so etwas neu und dabei sehr nahe an der „Handschrift“ Glöckners. Ich würde bei dieser Rekonstruktion von einer denkmalpflegerischen Arbeit sprechen wollen, auch wenn Denkmalpflege in erster Linie ein Original am ursprünglichen Standort erhalten will.

Bild: D. Lohse


Ich will nicht unerwähnt lassen, dass es leider viel häufiger zum Verlust (traurigstes Beispiel Turnerweg 1, ehem. AWD-Klubhaus) einer derartigen Arbeit Glöckners kommt als der originale Erhalt bzw. als eine Rekonstruktion. Wenn eine Ladenwerbung nicht mehr mit dem neuen Inhalt eines Geschäftes übereinstimmt, verschwindet leider die alte Werbung meistens, auch wenn sie von Glöckner stammt. Man muss von einem Glücksfall sprechen, dass sich hier die Herren Fuchs, Bialek und Tischendorf zusammenfanden, den Mut zur Rekonstruktion hatten, an og. Termin punktgenau zusammenarbeiteten und eine gute Qualität des Sgrafittos erreichen konnten.

Vielleicht sollte noch eine kleine Tafel neben dem Eingang erklären, wann die Glöcknerarbeit selbst angebracht, bis wann die Gaststätte betrieben wurde und wann und warum die Rekonstruktion des Sgrafittos erfolgte. Das sollte als Erklärung genügen, warum es hier kein Bier mehr gibt, auch wenn noch Gasthof dran steht.

Mein Gruß und Dank gilt den an der Arbeit Beteiligten, die vielleicht meinen Artikel „Lücke in Glöckners Werk kann geschlossen werden“ in V+R 12/15 gelesen haben könnten, wo es auch um diesen Gasthof ging und ich in ähnlicher Richtung gedacht hatte.

Dietrich Lohse

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