VON HIER AUS

Malerei und Grafik von Friedrich Porsdorf in der Hoflößnitz

Noch bis zum 22. Juni zeigt das Sächsische Weinbaumuseum Hoflößnitz Arbeiten des Berliner Malers Friedrich Porsdorf (*1938), großenteils Landschaften und Bildnisse der letzten anderthalb Jahrzehnte mit Motiven aus seiner Geburtsstadt Radebeul. Ungefähr so lange ist seine letzte Ausstellung in der Lößnitz her, und die letzte größere, »Porsdorf 50«, damals noch in der kleinen Galerie auf der Ernst-Thälmann-Straße, schon um einiges länger. Seit seiner Emeritierung als Professor an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee 2004 ist Porsdorf – zumindest mit einem Bein und mit Pinseln und Farben – wieder in seine Heimat zurückgekehrt. Im Folgenden dokumentiert die ›Vorschau‹ leicht gekürzt die Laudatio zur Ausstellungseröffnung am 27. April. Das Museum Hoflößnitz in Radebeul, Knohllweg 37, ist täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

Selbstporträt
Foto: F. Porsdorf


Von hier aus… das ist ein Satz für Fremdenführer: Von hier aus sehen Sie bei gutem Wetter die Zugspitze; von hier aus begann Napoleon den Feldzug nach Moskau; von hier aus leitete König Heinrich den Angriff auf die Burg Gana… Jede und jeder von uns kennt solche Erinnerungspunkte, die, mehr oder weniger schwerwiegend, dem kollektiven Gedächtnis bedeutsam sind oder der eigenen Biografie einen Ort geben.

Irgendwann, stelle ich mir deshalb vor, eines vielleicht gar nicht mehr so fernen Tages könnte hier unten an der ehrwürdigen Mauer des Berg- und Lusthauses Hoflößnitz eine Tafel aus weißem Marmor angebracht werden oder, besser, eine aus rotem Granit mit grünlichen und bläulichen Einsprengseln. Und sie könnte die Worte tragen: Von hier aus begann Friedrich Porsdorf seinen Weg zur Malerei. Das wird dann nicht nur ein Satz für Fremdenführer sein, sondern auch der Wahrheit so nahekommen, wie ein in Stein gemeißelter Satz der Wahrheit nur nahekommen kann.
Tatsächlich ist es für den Maler eine wahrhaftige Freude, nun, nach einem erfüllenden aber noch keineswegs erfüllten Malerleben mit einer Ausstellung in dieses fürstliche Haus geladen zu sein, denn – siehe oben.

Friedrich Porsdorf ist 1938 in Radebeul geboren. Es war von seiner Wohnung nicht weit zur Hoflößnitz. Er hat in seiner Kindheit und Jugend viel Zeit hier oben verbracht, und er sieht sich heute noch so manches liebe Mal mit der Mutter die Treppen aus dem Grund zum Schloß hinaufsteigen. Er weiß noch genau, wie er sich fühlte in diesen Tagen, und auf dieses sorgsam bewahrte Gefühl nimmt diese Ausstellung Bezug.

Es gibt sogar noch einige der Blätter in seinem Besitz, die er bei solcher Gelegenheit auf dem Gelände zeichnete. Diese frühen Arbeiten haben – vom persönlichen und künstlerischen mal abgesehen – inzwischen auch dokumentarischen Wert. Sie zeigen zugleich, mit welcher Ernsthaftigkeit und mit welchen Intentionen der junge Mann sein Studium in Berlin begonnen hatte.

Freilich: Noch fehlts an Farben im Revier… Die Farben sind im Laufe der Jahre Friedrich Porsdorfs eigentliche Leidenschaft geworden, um derentwillen er immer wieder zum Pinsel greifen muß. Die konkreten Ansichten, die topografischen Gegebenheiten haben gegen die Farben keine Chance: sie dienen bestenfalls als Alibi, eine Vielzahl von Sekundär- und Tertiärfarben nach Herzenslust, möglichst ausgewogen und doch spannungsreich auf der Leinwand zu verteilen.

Friedrich Porsdorf war noch keine zwanzig Jahre alt, als er sich zum Studium aufmachte und seiner Heimatstadt den Abschied gab. Und auch wenn er dann aus beruflichen und familiären Rücksichten Berlin zum Dreh- und Angelpunkt seines Lebens machte – so ganz hat er Radebeul nie verlassen. Das hat viel mit der Hoflößnitz zu tun. Zudem hat er auch über all die Jahre die alten Freundschaften gepflegt, vielleicht auch neue hinzugewonnen – die hier gezeigten Portraits sprechen besonders in dieser Hinsicht eine beredte Sprache.

Mit größtmöglicher Naturnähe haben die Portraits, wenn wir so wollen, den geringsten Abstraktionsgrad unter den Gemälden Friedrich Porsdorfs. Auch hier geht es natürlich um Farbe – ich hätte nie gedacht, wie vielfarbig ein grauer Bart sein kann – vor allem aber geht es hier um Gegenseitigkeit. Anders als zur Zeit des Barock, als Kurfürst Johann Georg sich selbst in diesem Hohen Haus verewigt sehen wollte, ist das Portrait heute eine besondere Form der Kommunikation, in der alles mitschwingt, was uns an gemeinsamen Erinnerungen verbindet. Und wie jedes andere Bild auch, wird das Portrait geprägt von der Persönlichkeit des Malers: Mit dem Gegenüber malt er zugleich auch sich selbst. […]

Foto: F. Andert


In seinen Landschaften läßt der Maler die Zügel lockerer. Ich stelle mich in die Natur, sagt er, um zu sehen, wie die Dinge zueinander stehen. Natürlich geht es in erster Linie um die Farben, die die Dinge haben, die unterschiedlichen Rottöne in den Dachlandschaften Meißens oder Radebeuls etwa oder die Blau- und Grünvariationen auf den Hängen unterm Spitzhaus.

In seinen Lößnitzlandschaften bleibt Friedrich Porsdorf immer noch vergleichsweise eng am Gegenstand. Immerhin gibt es auch von hier assoziative Fensterbilder, auf denen die Fleckhaftigkeit überwiegt und die Farb-Fabulierkunst des Malers sich frei entfaltet. Er hat seine Freude an der Wechselwirkung zwischen mehr dem Gegenständlichen verhafteten erzählenden Bildern und eben den assoziativ-fabulierenden, bei denen das Sujet im Hintergrund bleibt und allein die Farben den Ton angeben.

Bei allen Differenzierungen bleibt Friedrich Porsdorf stets er selbst. Seine Farben sind seine Farben, die er hingebungsvoll mischt und wohlausgewogen aufträgt. Hat er irgendwo etwas zu viel Blau erkannt, ist es an der Zeit, mit Grün oder Gelb gegenzusteuern, wobei er ohnehin reine, also primäre Farben tunlichst vermeidet. Die Bauhaus-Troika Blau-Rot-Gelb ist ihm bei weitem zu wenig. Das Licht bestimmt die Mischung der Farben.

Seine Landschaften entstehen meist unterwegs. Sie werden auch unterwegs vollendet. Spätere Korrekturen im Atelier verbieten sich: Da ist das Licht weg, da ist die Stimmung durch Weg und Lärm verflossen, die Spannung aufgelöst, da läßt sich nichts bessern. So bleibt das Unmittelbare erhalten, das auch die Betrachter anspricht, die sich, wer weiß, beim Schauen an einen ähnlichen Tag erinnert fühlen oder vielleicht gar die Geschichten fortspinnen, die das Bild erzählt.

Von hier aus blickt Friedrich Porsdorf nun zurück. Nahezu fünfunddreißig Jahre lehrte er an der Kunsthochschule Berlin, also genau dort, wo er selbst das malerische Rüstzeug erworben hatte, künstlerische Grundlagen, Farbtheorie und Zeichnung.

Und so kommt es, daß er nun wieder von hier aus, überall, wo er sich zum Malen niederläßt, aus einem Ozean an Erfahrungen schöpft, woraus sich für uns die Gewähr ergibt, daß er nicht so schnell damit aufhören wird. Der Meeresspiegel steigt nicht nur klimabedingt, bei Friedrich Porsdorf vertieft er sich – von hier aus wie von überall – mit jedem Bild.

Thomas Gerlach

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