In meiner Kindheit, das waren etwa die 50er Jahre, kannte ich in meinem Umfeld einige, die Briefmarken sammelten und ich hatte mich auch davon anstecken lassen. Viele glaubten damals an ein Hobby mit hohen Wertsteigerungsraten – vielleicht die bekannte Sachsen-Dreier im Hinterkopf – und meinten, dass die Zeit es brächte, reich zu werden.
Nüchtern betrachtet sind Briefmarken seit Postmeister Stephan eine Art Gutschein für eine noch zu erbringende Dienstleistung der Post oder eines anderen Anbieters dieser Leistung. Im Laufe der Geschichte kann man immer Schwankungen der Gebühr, meist mit Tendenz nach oben, beobachten. Das Sammeln von postfrischen Marken ist also gleichzusetzen mit dem Nichteinlösen eines Gutscheins und eigentlich negativ zu bewerten.
Am Anfang sollte ein Sammler versuchen, sein Sammelgebiet einzugrenzen, also nicht „quer Beet“ zu sammeln, sondern dem Ganzen eine Struktur geben. Eine klare Ansage war z.B.: ich sammle Deutschland und Deutsches Reich, BRD und DDR, das taten sehr viele. Das hohe Ziel war dann, eine vollständige Sammlung eines solchen Gebietes zu erreichen. Doch bald stellte man fest, dass bei bestimmten Jahrgängen und Sätzen die Vollständigkeit mit angemessenen Mitteln nicht eintreten würde. Es gab damals die Möglichkeit, über ein Post-Abo alle Neuerscheinungen von Briefmarken zu erhalten, da musste man natürlich etwas investieren. So bekam man regelmäßig Sondermarken,
ganze Sätze oder auch Blöcke. Wenn man per Abo aber 2x bestellte, war 1x postfrisch (also ohne Spucke auf der Rückseite) und 1x gestempelt. Dabei verzichtete der Sammler meist auf die Leistung der Post, einen Brief zu transportieren, siehe oben. Es gab aber hin und wieder noch eine Steigerung, wenn man einen Tauschpartner im Ausland, sagen wir in Frankreich, hatte. Dann konnte es passieren, dass man die Neuerscheinungen 3x kaufte. So entwickelte sich das Hobby schnell: die Ausgaben stiegen, auf die Werterhöhung jedoch hoffte man weiter, doch nun hatte man noch Marken eines anderen Landes. Das erweitert schon den Horizont eines Sammlers, man lernt Länder und deren Kultur kennen. In Zeiten der DDR eben auch Länder, die man würde nie bereisen können solange es die Mauer gab!
Mit der Frage von „er an sie“: habe ich dir eigentlich schon meine Briefmarkensammlung gezeigt? kann man heute wohl kein Mädchen mehr ins Private locken. Eine Briefmarkensammlung anzulegen, sollte auf jeden Fall andere, triftigere Gründe haben.
In mancher Sammlerbiografie gab es irgendwann einen Punkt, einen Berufs- oder Ortswechsel, Hochzeit und Kinderbetreuung oder ein anderes, stärkeres Hobby, wo das Briefmarkensammeln in den Hintergrund trat und manchmal auch in Vergessenheit geriet. Viel später bekam man dann auf dem Dachboden zwischen Büchern und Spielzeug sein Briefmarkenalbum wieder in die Hände. Bei einem raschen Überblick war dann klar, nein, die Wertsteigerung war immer noch nicht eingetreten. Teuer gewordene Besonderheiten, wie der Fehldruck einer DDR-Marke – ich glaube es war Robert Schumann, wo Porträt und Notenblatt im Hintergrund nicht zusammenpassten – waren eben nicht dabei, also wieder mal knapp am Millionär vorbeigeschrammt.
Irgendwann am Ende der zweiten Hälfte des 20. Jh. bekam das Briefmarkensammeln bei mir dann noch einen anderen Akzent. Ich fand Interesse am Motivsammeln, so wurden unter Zuhilfenahme der alten Sammlung Themen wie afrikanische Tiere, Fische weltweit oder auch Leuchttürme (DDR und BRD) bearbeitet. Da trat nun die grafische Gestaltung, das Bild der Briefmarke mehr in den Vordergrund und weniger der Wert, bzw. ein möglicher Gewinn. Beim Betrachten solcher Motivsammlungen fällt einem schon auf, dass beide deutsche Staaten gute Grafiker hatten, die für die Briefmarkengestaltung ihr Bestes gaben; da spürt man oft ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Auch bei dieser Art des Sammelns von Briefmarken kann man durchaus Tauschpartner finden. Das zuerst angedeutete, klassische Sammeln besteht bei einigen Sammlern durchaus weiter, nur finde ich für mich die Themensammlung preiswerter und sympathischer, zumal die Bundespost ab Juli dieses Jahres mal wieder die Preise erhöhen wird – u.a. den Normalbrief zu 0.80 statt bisher zu 0,70 €.
Zur zweiten Variante des Briefmarkensammelns passt auf jeden Fall ein der Redaktion von V+R im Mai 2019 überreichtes Geschenk, das alle in der Redaktionssitzung erfreut hat. Es handelt sich dabei um eine gerahmte Auswahl von Marken der DDR und BRD zum Thema Sachsen mit Erzgebirge, Lausitz, Dresden, Radebeul und Moritzburg, dazu Wappen und Textzeilen. Unser herzlicher Dank ging inzwischen an den Freund von V+R und ehemaligen Radebeuler, Herrn Volker Holstein, der jetzt in der Eifel lebt und sich intensiver mit Briefmarken beschäftigt. Leider haben wir noch kein Redaktionsbüro, wo wir das Geschenk aufhängen könnten – was nicht ist, kann ja noch werden!
Mit zwei Kapiteln des Sammelns – Münzen (Heft 06 / 19) und Briefmarken – sind längst nicht alle denkbaren Sammelgebiete erfasst. Da wären auch Grafik, Kleinplastik oder Bücher als Sammelgebiete zu nennen und last not least noch Bierdeckel, Eintrittskarten in Burgen, Museen und Kunstausstellungen oder bunte Bananenaufkleber aus aller Welt und, und, und, doch ich will’s dabei belassen.
Dietrich Lohse
2 Kommentare
Die Informationen, die Sie hier zum Thema Briefmarkensammeln mitteilen, sind sehr übersichtlich. Jetzt sollte ich eine bessere Entscheidung treffen können. Meiner Meinung nach sollte man dies immer auf eine gut informierte Weise tun.
Mein Sohn interessiert sich zufälligerweise für Briefmarken und hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, ihm welche zu kaufen! Gut zu wissen, dass es nicht immer um Gewinne gehen muss, sondern auch Motivsammeln gibt. Vielleicht informiere ich mich in der Gegend mal mehr darüber.