„Häuser und ihre Besitzer“

„Zu Besuch in der Villa der Familie Fuchs – „Villa Annabella“,
Lößnitzgrundstraße 41-43

„Dem Himmel ein Stück näher“ fühlt man sich, wenn man von der Terrasse der „Villa Annabella“ besonders an heiteren Abenden ins Überelbische schaut, dann, wenn das Licht die Einzelteile der Landschaft zusammenzieht und vom Tal nur das Rauschen der Baumwipfel zu spüren ist. Ab und zu erinnert dann ein kurzes Pfeifen der Lößnitzgrundbahn daran, das es da unten noch eine andere Realität geben muss.

Das Licht und die Sicht musste man sich als Besucher aber erst einmal erarbeiten, fast 100 Stufen steigen oder den neu angelegten Serpentinenweg nehmen, der an einem warmen Maientag auch nicht ohne Anstrengung war.

Hausherr Hendrik Fuchs
Foto: G. u. H. Täubert


Der Hausherr und Bauunternehmer Hendrik Fuchs, war uns als Gastgeber pünktlich leichtfüßig entgegengekommen und bereitete uns freundlich auf die kommende Anstrengung vor. Diesen Weg war er schon hunderte Male gegangen, ihm machte das Hinauf- oder Hinuntersteigen nichts mehr aus.

Er selbst hatte in den letzten zwanzig Jahren ganz andere Hürden nehmen müssen. Die größte stellte sich ihm gleich im Jahre 1997, als ihm, dem jungen Bauunternehmer, das verfallene und zugewachsene Grundstück, das sich über den ganzen Hang bis hinauf zum Spitzhausweg zog, zum Kauf angeboten wurde.

Frau Gay, die letzte Besitzerin und Erbin war 96-jährig gestorben und das Grundstück stand zum Verkauf. Alle Bekannten und Verwandten rieten ihm von dieser Unternehmung ab. Tilo Kempe, der Architekt und Freund, war der einzige, der nicht fassen wollte, dass man bei so einem Angebot noch zögern konnte.

Die Frage, kannst Du Dir das leisten, stellte er nicht. Er wusste, dass es 26 Erben, die weit und nicht nur über Deutschland verstreut waren, gab, und er nicht über ein großes Vermögen oder über Erbschaften verfügte. Er wusste aber auch, dass er den Mut, die Fähigkeiten und die Möglichkeiten besaß, das weitläufige Landgrundstück zu beherrschen, es komplex zu sanieren und ihm wieder zu altem Glanz zu verhelfen – ein Traum, den schon in ähnlicher Weise Karl Helmer, der Erbauer der Villa, vor hundert Jahren in Dresden geträumt haben musste.

Zu Besuch in der »Villa Annabella«
Foto: G. u. H. Täubert


André Schröder, mit dem ich diese Veranstaltung vorbereitete, schrieb mir zu diesem Sachverhalt:

„Der Bauherr, der Schlossermeister Karl Helmer und später sein Sohn, besaßen in Dresden auf der Carolastraße 10, ein großes Mehrfamilienhaus mit einer Werkstatt im Hintergebäude. Im Firmenverzeichnis des Adressbuches von 1896 zeichnet er sich noch mit anderen Gewerken aus. So dürften viele Arbeiten aus seiner Hand und in Eigenregie in den Bau eingeflossen sein.

Der Baumeister Hans Wallbaum aus Neukaditz wird in den Adressbüchern als Zeichner und dann als Bautechniker beim Städtischen Tiefbauamt angegeben. Trotzdem bleibt mir immer ein Rätsel, wie solche Vermögen in den Gründerjahren erwirtschaftet wurden. Die Villa kam in den dreißiger Jahren des 20. Jh. in den Besitz des Bücherrevisors Max Gay. Seine Tochter wohnte und lebte bis in die neunziger Jahre hochbetagt auf diesem Grundstück.“

Foto: G. u. H. Täubert


Ich kannte den Vater und die Tochter Gay auch. Sie waren oft bei meiner ehemaligen Hauswirtin, Frau Kohls, auf der Lößnitzgrundstraße 9 zu Gast.

Den Gays schrieb ich aber immer nur das Bedienstetenhaus über der großen Mauer als Wohnstätte zu. Eine Villa mit Turm vermutete ich in ihrem unübersichtlichen Gelände nie. Fräulein Gay wohnte tatsächlich bis zuletzt in ihrem Haus. Wie viele Male mag die kleine, zierliche Frau in ihrem Leben den steilen Weg zur Villa hinaufgegangen sein, immer den großen spitzen Turm als Ziel vor sich und jedesmal noch ein paar Kohlen im Gepäck.

Jetzt ist das Grundstück noch immer etwas verwunschen, aber es gibt gepflegte malerische Kies-, Sand- oder Steinwege und sogar mit Beleuchtung, eine Fahrstraße, einen Brunnen, Blumenrabatten und schöne Rasenflächen.

Mit der Übernahme durch die Familie Fuchs nach 1998 wurden alle Außenanlagen nach historischen Plänen saniert und technisch modernisiert und vor allem auch die Villa wieder bewohnbar gemacht.
Diese Aufgabe übernahm 1998 Tilo Kempe, der inzwischen verstorbene Radebeuler Architekt und Freund des Gastgebers. Ihm lag bei allen seinen Werken immer die Erhaltung der originalen Bausubstanz und die Wiederverwendung vorhandener Materialien am Herzen. Unter seiner Leitung wurde nicht nur der Hausschwamm beseitigt, sondern auch die Turm- und Dachdeckung aufwendig restauriert, die alten Wand-, Türen- und Glasmalereien im Innenraum freigelegt und die Fußböden restauriert. So viel an besonderer Dekoration und künstlerischer Ausstattung in diesem Haus hatte keiner von uns erwartet und auch nicht so ein nett dekoriertes Abendessen. Das lud natürlich zum Bleiben ein und wir genossen das Essen, den Wein, das Wetter, die anfangs beschriebene freie Sicht und das Gefühl, hier dem Himmel wirklich ein Stück näher zu sein.

Gudrun Täubert

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