Ein Wanderer zwischen den Welten

Erinnerungen an Frank Hruschka
(geb. 15.September 1961; verst. 25. Oktober 2019)

Frank Hruschka zwischen 1995 und 1996 aufgenommen, Foto: Michael Lange

Im September wäre Frank Hruschka 59 Jahre alt geworden. Als es im Oktober des vorigen Jahres hieß, der Frank ist tot, war das für viele von uns kaum vorstellbar. Trotz des traurigen Anlasses glich die Feier, welche nach der Beerdigung im „Atelier Oberlicht“ stattfand, einer großen Party und alles schien nur darauf zu warten, dass Frank plötzlich um die Ecke kommt, wie immer, mit vielen neuen Ideen im Kopf.
Von seinem schweren Herzleiden haben nur wenige gewusst.

Schon an diesem Tag gab es erste Überlegungen, dass man die vielen Geschichten, die sich mit Frank verbinden, einmal aufschreiben müsse. Hatte er doch über zwei Jahrzehnte die alternative Kunst- und Kulturszene von Radebeul mitgeprägt. Doch wer sollte das tun? Frank Hruschka war ein Wanderer zwischen den Welten und oftmals mit mehreren Dingen gleichzeitig befasst.

Meine eigenen Erinnerungen an Frank beziehen sich hauptsächlich auf die unmittelbare Nachwendezeit. Er wurde mir durch den Radebeuler Maler Peter PIT Müller vorgestellt. Ich selbst leitete damals die „Kleine Galerie“ in Radebeul-Ost auf der Ernst-Thälmann-Straße (heute Hauptstraße). Da meine Kollegin Petra Clausnitzer wieder in ihrem Beruf als Architektin arbeiten wollte, wurde für sie ein Nachfolger gesucht. Frank war vielseitig ambitioniert und als freischaffender Ausstellungsgestalter, Fotograf und Gebrauchsgrafiker aktiv. Obwohl er keine für die Tätigkeit erforderliche Ausbildung besaß, verlief das Einstellungsprozedere aus heutiger Sicht erstaunlich unkompliziert. Er bewarb sich, wurde für geeignet befunden und im Bildungs- und Kulturamt ab April 1991 als „Sachbearbeiter für Ausstellungen und Gestaltung“ eingestellt. Allrounder wie Frank waren damals gefragt. Improvisation stand auf der Tagesordnung. Die Aufbruchstimmung und der damit verbundene Enthusiasmus ließen wenig Raum für Bürokratie.

Die kleine kommunale Galerie entwickelte sich bei laufendem Ausstellungs- und Veranstaltungsbetrieb nun auch zu einer Art Basislager für Stadtteilkultur. Cornelia Bielig (heute Sachgebietsleiterin für Feste und Märkte), Frank Hruschka und ich waren u.a. für die Konzeption, Organisation und Dokumentation von Großveranstaltungen zuständig. Oft arbeiteten wir bis in die Nacht hinein. Stechuhren sowie Rauch- und Musikverbote in Diensträumen gab es damals noch nicht.

Das erste Herbst- und Weinfest in Altkötzschenbroda, welches vom 27. bis 29. September 1991 stattfand, wurde innerhalb von zwei Monaten auf die Beine gestellt. Auch der erste Nachwende-Weihnachtsmarkt in Radebeul-Ost fiel in unsere Zuständigkeit. Die Dezernentin Frau Dr. Ellen Brink und der Amtsleiter Dr. Dieter Schubert gewährten amtlichen Beistand und hielten ihre schützenden Hände über uns. Als praxiserprobte Eingreiftruppe waren wir nun auf unterschiedliche Weise in mehrere Projekte eingebunden. Das Jahr 1992 hatte es in sich. Auf die ersten Karl-May-Festtage Mitte Mai, folgte bereits Ende Mai die erste Gewerbemesse und im Juni die Eduard-Bilz-Festwoche. Danach fanden im September wieder das Herbst- und Weinfest sowie Anfang November der Grafikmarkt statt. Zahlreiche Flyer, Broschüren, Logos, Plakate, Gestaltungselemente aus jener Zeit tragen Frank Hruschkas Handschrift.

Von Frank Hruschka gestaltetes Logo für das Radebeuler Herbst- und Weinfest

Nachdem ich mit meiner Kollegin Cornelia Bielig unters Dach einer Villa auf dem Körnerweg gezogen war, arbeiteten wir trotz der räumlichen Trennung auch weiterhin mit der Vor-Ort-Besatzung von der Stadtgalerie eng zusammen. Personelle Verstärkung hatte Frank Hruschka inzwischen durch Cornelia Müller erhalten. Beide harmonierten sehr gut miteinander, denn auch sie bewährte sich als kreatives Multitalent.

Bemerkenswert war u.a. die Gemeinschaftsausstellung „Schon mal gesehen“ (1992), vereinte sie doch die Werke der in das ehemalige DDR-Gebiet zurückgekehrten Künstler Cornelia Schleime und Ralf Kerbach sowie der dagebliebenen, nicht minder widerständigen Künstler Peter PIT Müller und Reinhard Sandner. Für kontroverse Diskussionen und mediale Aufmerksamkeit sorgten auch die Ausstellungen mit kommunalpolitischem Bezug wie „Hingerichtet – ist der Blick auf die Jugend“ (1993) oder “Familienfreundliches Radebeul“ (1994).

Das vorläufige Aus für die Galerie kam dann ziemlich abrupt. Der Hausbesitzer hatte die angemieteten Räume per 30. Juni 1995 gekündigt. Das Gute daran war, dass die Sanierung des Dreiseithofes Altkötzschenbroda 21, wo ja ohnehin seit 1990 der künftige Galeriestandort vorgesehen war, endlich wieder Fahrt aufgenommen hatte. Fortan ging die Galerie für zwei Jahre ins Exil. Da Frank ausgesprochen kommunikationsfreudig war, fiel es ihm nicht schwer, zahlreiche temporäre Ausstellungsmöglichkeiten zu erschließen. Selbst die noch unsanierten Räume in der sogenannten „Kulturschmiede“ (zeitweilige Bezeichnung für das Objekt Altkötzschenbroda 21) wurden in ihrem ursprünglichen Zustand für Ausstellungszwecke genutzt.

Unsere Wege begannen sich 1996 zu trennen. Als Geschäftsführer des neu gegründeten Vereins „Kultur im Umland“ wendete sich Frank Hruschka anderen Aufgaben zu. Hin und wieder kam es zur projektbezogenen Zusammenarbeit wie beim Gedenkkatalog für den verstorbenen Künstler Ingo Kuczera (1964-2004).

Von Frank Hruschka gestaltetes Logo für die IG JazzGEFLÜSTER

Die Stadtgalerie wurde schließlich im September 1997 am neuen Standort eröffnet. Franks Kommentar lautete knapp: „Viel zu klein!“. Er dachte eben immer groß. Auf Initiative des Münchner Investors Dr. Christoph Dross, der im Sanierungsgebiet Altkötzschenbroda gern auch Künstler ansiedeln wollte, bot sich die Möglichkeit, zu bezahlbaren Konditionen ein zentral gelegenes Gemeinschaftsatelier anzumieten. Die Künstler Homayon Aatifi, Nikolai Bachmann, Julius Hempel, Frank Hruschka, Ingo Kuczera und Markus Retzlaff ergriffen die Chance und gründeten 1999 die Produzentengalerie „Atelier Oberlicht“. Die ursprüngliche Idee vom gemeinsamen Arbeiten, Reden und Feiern funktionierte mal mehr und mal weniger. Legendär und immer gut besucht, waren die Veranstaltungen der IG Jazz, die sich im Jahr 2005 gegründet hatte. Vom lebhaften „JazzGEFLÜSTER“ wird noch heute geschwärmt. Bei vielen Aktionen war Frank ein wichtiger Motor. Schließlich verließ er nach zehn Jahren das Gemeinschaftsatelier und zog 2009 ins Loschwitzer Künstlerhaus. Damit begann für ihn ein völlig neuer Lebensabschnitt. Den Radebeuler Künstlern – vor allem Markus Retzlaff, der das „Atelier Oberlicht“ bis heute weiterführt – blieb er bis zu seinem frühen Tod freundschaftlich verbunden.

Frank Hruschka 1994 nach getaner Arbeit im Hof des Bildungs- und Kulturamtes auf dem Körnerweg Foto: Privatarchiv

Frank Hruschkas innige Beziehung zur Lößnitzstadt kommt vor allem auch in zahlreichen Fotografien zum Ausdruck. Er hatte einen sicheren Blick für das Besondere im Alltäglichen. Eine Vorliebe galt der schwarz/weiß-Analog-Fotografie. Was nicht ausschloss, dass er auch digital und farbig fotografierte. Sehr stimmungsvolle Aufnahmen existieren aus den Anfangsjahren der Radebeuler Feste. Und immer wieder fotografierte er in Altkötzschenbroda, so zum Beispiel vor der Sanierung, während des Hochwassers oder in den stillen Stunden der Nacht. Ungewöhnliche Momentaufnahmen sind auf Reisen mit Künstlerkollegen nach Frankreich, Kuba und Italien aber auch in der Radebeuler Partnerstadt St. Ingbert entstanden.
Das 30. Radebeuler Herbst- und Weinfest bietet den Anlass, an Frank Hruschka und sein fotografisches Schaffen zu erinnern.

Karin (Gerhardt) Baum

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Ein Kommentar

  1. Barbara Plänitz
    Veröffentlicht am Di, 22. Dez. 2020 um 17:18 | Permanenter Link

    Ein wunderbarer Artikel, der Frank Hruschka und sein Wirken lebendig werden lässt und zugleich ein Stück Radebeuler Geschichte. Wer erzählt weiter?

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