Editorial

Radebeul ist in Richtung Moritzburg von einigen beschaulichen Badeseen umgeben.

Besonders in diesem Jahr aber bemächtigt sich eine geradezu invasorische Sportart der wehrlosen Teichlandschaft. Gemeint ist das sogenannte Stehpaddeln, oder cooler ausgedrückt: Stand-Up-Paddling. Verlangte die Ausübung des Sports vor Jahren noch das beschwerliche Herankarren des überaus sperrigen Stehpaddelbretts, so schaffen dafür heutzutage aufblasbare Modelle im Rucksackformat Abhilfe.

Und so vergeht kein Tag mehr, wo Menschen in Badekleidung »quasi jesusgleich« über die Wasser wandeln.

Dem Treiben schon manches mal durchaus mit Wohlwollen zugeschaut, bleibt mir seine Sinnhaftigkeit jedoch bisher noch weitgehend verborgen. Zwar propagiert die Werbeindustrie gekonnt mit einem Ganzkörpertraining und suggeriert gestählte Muskelgruppen, tatsächlich aber rühren sich die wankenden Probanden im Kampf ums Gleichgewicht nur kaum, um nicht kläglich vom Brett ins kühle Nass zu fallen. Wer nun aber glaubt, dass sich dieser Sport gänzlich geräuschlos für die dahindämmernden Badegäste gestaltet, der irrt. Das nicht selten von mehreren Seiten deutlich zu vernehmende minutenlange Aufpumpen ist im Grunde eine Disziplin für sich und wohl das eigentliche Workout.

Wer es ganz mühelos will, und wie schon mehrfach erlebt, bedient sich gar eines elektrischen Kompressors. Umso schneller geht es später, wenn nach den Strapazen dem prallen Brett der Stöpsel gezogen wird und sich mit einem durchdringenden Zischgeräusch blitzartig der Druck entlädt.

Ja, der Fortschritt fordert halt seinen Tribut und zieht in allen Winkeln ein.

Nun bleibt nur zu hoffen, dass sich in Bälde hier nicht noch ein Kreuzfahrtschiff verirrt. Denn in Venedig dürfen sie ja nicht mehr rein!

Sascha Graedtke

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