Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
der Kultur e.V. Radebeul und das Radebeuler Monatsheft e.V. „Vorschau & Rückblick“ initiierten im vergangenen Jahr eine „Schreibwerkstatt“: 10 Schüler und Schülerinnen des Lößnitzgymnasiums und des Gymnasiums Luisenstift aus den Klassen 6-12 werden durch zwei erfahrene Tutoren – Thomas Gerlach aus Radebeul und Volker Strübing aus Berlin – bei dem Schreiben von Texten beraten. Deren Themen kreisen um das Lebensgefühl in und um Radebeul. Mit großer Empathie und sprachlichem Feingefühl führen die Tutoren die Autorinnen und Autoren zu unverwechselbaren Eindrücken und sprachlichem Anspruch. Die Texte werden Sie nun in den nächsten Monaten kennenlernen. Vielleicht wächst hier eine neue Generation von kreativen Köpfen auch für “Vorschau & Rückblick ” heran!
Angela Hintz
Lehrerin am Lößnitzgymnasium Radebeul
Zurück und Voraus – meine Erinnerungen an Radebeul und ein Mädchen, das etwas ändern will
Wenn ich durch meine Haustür trete, sehe ich vor mir einen großen Wald und gleichzeitig die Häuser meiner Freunde und Nachbarn. Ich stehe vor einer Hitzewand, wegen der ich nur begrenzt draußen auf meinem Board fahren kann, bevor es zu heiß wird und ich mir von drinnen ein Glas Wasser holen muss.
Ich stehe vor einer matschigen, nur noch zum Teil mit weißem Schnee bedeckten Straße, auf der ich jetzt aber versuchen soll, Fahrrad zu fahren?
Ich stehe vor einem jedes Jahr neu erblühenden Kirschbaum und immer öfter hoffend, dass dieses Jahr ein besseres wird. Ich wusle mit meinen schwarzen Stiefeln durch’s Laub und wünsche mich zurück in die freien Kinderjahre.
Ich sehe meine Vergangenheit, merke, was ich hier plötzlich nicht mehr erkenne, was mir fehlt, merke, dass ich hier nicht mein ganzes Leben lang bleiben will, aber sehe auch die Schönheit, noch so viel Natur um mich zu haben. Im Wald gespielt zu haben, schnitzen mal gekonnt zu haben, Obst von Bäumen gepflückt zu haben, viele Male in meinem Garten zelten gekonnt zu haben, gelacht, geweint, beglückt, trauernd… die Natur hat alles miterlebt. Auch wenn ich sie immer öfter nur aus dem Fenster sehe, ist es schön immer wieder zurück zu ihr gehen zu können und ihr zu danken dafür, dass sie mir das Gefühl gibt, wie wertvoll ein Leben sein kann, wie wertvoll unser aller Leben ist.
Immer noch vor meiner Haustür sehe ich links meinen ehemaligen ersten Schulweg und rechts meinen jetzigen, hoffend, dass ich durch den jetzigen irgendwann auch ein Stück weiter hinausgehen kann. Bei den Nachbarn sehe ich eine Künstlerin, die Yoga-Lehrerin, die Verwandtschaft, die alte Freundschaft, aus der wohl nichts mehr wird, die Alten, die freundlich, aber nicht zu unterschätzen sind, die Reichen und die Stillen, von denen man nichts mitbekommt, aber immer das Gefühl hat, beobachtet zu werden, vielleicht aber auch selbst ab und zu neugierig und beobachtend.
Wer erkennt mich wohl alles und wer sieht mich als Fremde? Nun, vielleicht sehe ich mich ja manchmal selbst als Fremde. Dann hoffe ich, dass die Natur, unbekannt oder bekannt, mich wiedererkennt.
Wie wird es wohl sein, irgendwann hierher zurückzukommen? Werden meine Gefühle mich überrumpeln? Werde ich alles wiedererkennen können? Werde ich sauer oder dankbar sein?
Melancholisch oder enttäuscht?
Wenn sich ein Tourist an Radebeul erinnert, denkt er vielleicht an den Wein oder an Karl May. Für mich wird Radebeul immer voller Erinnerungen an meine Kindheit sein, auch wenn ich nicht jeden Moment hier genieße. Hier bin ich schließlich aufgewachsen. Ich glaube nicht, dass ich auch nur ansatzweise eine typische Radebeulerin bin. Ich will es auch nicht sein. Ich habe in meinem Geist immer mein eigenes Radebeul erschaffen und so auch gelebt. Dafür werde ich immer dieses Haus und ein paar besondere Plätze und Menschen in lebendiger Erinnerung behalten. Es ist immer wichtig zu sehen, was man hat und was man nicht hat und dass es im Moment – so wie es ist – gut ist.
Frieda Wenzel
(Klasse 10 – Lößnitzgymnasium Radebeul)