Serkowitzer Gasthof auf dem Markt
Nicht erst seit dem Beitrag im Stadt-Radebeul-Teil der Sächsischen Zeitung vom 2./3. Juli 2022 von Silvio Kuhnert war vielen Radebeulern klar, dass der Stadtrat und die Stadtverwaltung an der Erhaltung des Serkowitzer Gasthofes und des einmaligen Lügenmuseums nicht interessiert sind. In einem Dreispaltenbeitrag berichtete Kuhnert anlässlich der am 1. Juli dieses Jahres erfolgten „Ausschreibung für ein öffentliches Bieterverfahren“ ausführlich über die Situation des Objekts und die museale Einrichtung. Den Ausschreibungstext kann man im Juli-Amtsblatt der Großen Kreisstadt nachlesen oder auf der Homepage der Stadtverwaltungen unter dem Stichwort „Ausschreibungen“ einsehen.
Nun wird auch dem Letzten klar geworden sein, warum aus dem Stadtrat und dem Rathaus auf den Offenen Brief des Radebeuler Kultur e.V. vom 29. März 93 Tage lang keine Antwort erfolgte. Man schwieg sich aus, weil man nicht antworten wollte und bereits andere Pläne in der Tasche hatte. Diese sichtbare Ignoranz gegenüber dem Anliegen eines Teils der Radebeuler Stadtgesellschaft lässt ein Verhalten zu Tage treten, die einer demokratisch verfassten Gesellschaft schlecht zu Gesicht steht, weil diese nur dann gut funktioniert, wenn sie auf einem Miteinander aufbaut.
Um dieses Schweigen zu durchbrechen, stellte ich als Radebeuler Bürger zur ersten Stadtratssitzung nach der Wahl, gerichtet an den Stadtrat und den wiedergewählten Oberbürgermeister Bert Wendsche, die Frage nach den Gründen für das Ausbleiben einer Antwort. Sinngemäß erwiderte der Oberbürgermeister daraufhin, dass eine Antwort erst nach der Ausschreibung des Objektes erfolgen könne. Warum eigentlich…?
Ob nun gewollt oder nicht, aber mit dieser Erklärung nahm der Oberbürgermeister vorweg, was in einem möglichen Antwortschreiben des Stadtrates und der Stadtverwaltung vermutlich enthalten sein könnte. Es ist die unumstößliche Verweigerung jedweder Diskussion über eine andere Lösung, als die vom Stadtrat und der Verwaltung favorisierte. Man weigert sich, mit der Stadtgesellschaft in einen Austausch zu treten und gemeinsam zum Wohl von Radebeul nach anderen Lösungen zu suchen. Mit der erfolgten Ausschreibung gedachte man offensichtlich „vollendete Tatsachen“ zu schaffen und jeglicher Diskussion aus dem Wege gehen zu können. Es ist also stark zu vermuten, dass diese Position der Verantwortlichen auch unmittelbar nach dem Eingang des Offenen Briefes keine andere war als gegenwärtig. Mithin entpuppen sich letztlich das Schweigen und das Aussetzen der Ausschreibung bis nach den Wahlen als ein taktisches Manöver. Der Bürger muss sich getäuscht vorkommen. Was in diesem speziellen Fall überdeutlich sichtbar wird und exemplarisch für andere Vorgänge stehen mag, ist das Fehlen eines ergebnisoffenen Diskurses mit der Stadtgesellschaft. Ebenso unverständlich bleibt, wie ein 2007 gefasster Entschluss 15 Jahre später, ungeachtet aller Veränderungen und Entwicklungen, heute durchgesetzt werden soll.
Noch nachdenklicher wird man, wenn einem bewusst wird, dass sich die neuerliche Ausschreibung kaum von der vor reichlich neun Jahren unterscheidet. Auch damals favorisierte man vorzugsweise eine Nutzung des denkmalgeschützten Objektes als Gasthof unter Einbeziehung des Ballsaals. Der Verkauf kam nicht zustande, obwohl das gesetzte Mindestgebot weit unter den heute geforderten 310.000 Euro lag. Schon damals schien die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens nicht gesichert.
Wohl glaubt heute die Stadt, sich mit einer Reihe von Bedingungen absichern zu können. Auch soll die „Veräußerung frei von Nutzungsverhältnissen“ erfolgen. Eingedenk des Ergebnisses der ersten Ausschreibung scheint der Wunsch nach einer Nutzung als Gaststätte eine reine Beruhigungspille zu sein. Da aber das Gebiet um den ehemaligen Serkowitzer Gasthof im Flächennutzungsplan der Stadt als „Mischgebiet“ ausgewiesen ist, könnte rein theoretisch der künftige Besitzer das Gebäude auch als Tischlerei oder Tatoostudio nutzen. Mit einem Verkauf ist also noch lange nicht gesagt, dass auch alle Probleme vom Tisch sind.
Eines scheint allerdings sicher. Kommt es zu diesem unsäglichen Akt, erleidet die Stadtgesellschaft einen zweifachen schweren Verlust. Schon heute ist mit großer Wahrscheinlichkeit zu prognostizieren, dass der ehemalige Gasthof durch den Verkauf der Öffentlichkeit entzogen wird und bestenfalls als Wohnhaus (ver-)endet. Das Lügenmuseum freilich wird wohl ganz aus der Stadt vertrieben. Das aber kümmert offensichtlich den Stadtrat wenig. Hier wird vernichtet, was die wenigsten von ihnen kennen. Dafür kann man eigentlich keinen Beifall erwarten.
Auf meine zweite Frage an den Stadtrat, ob er sich künftig Radebeul ohne Lügenmuseum vorstellen könne, gab der Oberbürgermeister dann auch nur eine ausweichende Antwort.
Karl Uwe Baum