Eine Glosse

Gartenstadt kontra Händler

Wie sagte meine Mutter immer: „Man kann nicht gleichzeitig beides haben.“ In heutigen Zeiten hat sich das allerdings etwas gewandelt. Die Leute wollen meist immer alles. Mitunter schiebt man das auf die schwere Kindheit von Einzelkindern. Die mussten ja nie teilen! Ob die Lenker und Leiter in unserer Gesellschaft Einzelkinder sind, entzieht sich meiner Kenntnis, aber teilen wollen sie offensichtlich auch nicht gern – zumindest nicht ihre Meinung mit anderen. Auch der Radebeuler OB hat unlängst verkündet, sich auch künftig nicht ändern zu wollen.
Und so ist es wohl beschlossene Sache, dass auf dem mittleren Teil der Radebeuler Bahnhofstraße künftig eine innerstädtische grüne Oase entstehen soll, denn statt Parkplätze sollen nun Bäume gepflanzt werden. Wenn man dann, die beiden in jüngster Zeit zur Abstimmungen gelangten Sanierungsvarianten für die nun endgültige Verschönerungskur der Bahnhofstraße zusammenrührt, könnte mit den 27 vorgesehenen Bäumen gar ein richtiger kleiner Wald entstehen. Und nun lassen wir mal – nur so zum Spaß – unsere Phantasie schweifen, etwa so wie damals in der Bahnhofshalle die CDU-Granden unserer Stadt – was da noch so alles möglich sein könnte! Neue und vor allem mehr Bänke sollen sowieso aufgestellt werden, obwohl die neu-alten auch erst ca. fünf Jahren auf ihren Lehnen haben. Aber was soll’s, wir haben‘s ja. Wenn schon Oase, dann aber richtig! Auf der Fahrbahn könnte eine Wiese mit schönen Forsythia-Gewächsen und Schmetterlingsfliedern angelegt werden. Da lassen sich gleich noch einige Punkte für den Artenschutz sammeln. Und wenn dann die letzten verbliebenen Händler Nistkästen für die Vögel spenden, entwickelt sich mit der Zeit in der Bahnhofstraße ein richtiges kleines Paradies. Vielleicht wäre auch noch ein niedlicher kleiner plätschernder Bach im Sanierungsbudget drin, womit wir auch gleich noch etwas gegen das aufgeheizte innerstädtische Klima tun könnten. Und eines steht dann felsenfest fest: Die Touristen aus aller Herren Länder werden strömen, das Beherbergungsgeschäft wird blühen und auch die letzten freien Flächen können dann, der Konjunktur und den ewigen Meckerern zum Trotz, nun endlich mit modernen Mehrfamilienhäusern zugebaut werden. Nachahmenswerte Beispiele haben wir ja in unserer Stadt zur Genüge.
Auch mich würde das sehr erfreuen, und an so manchen Tagen würde ich gern in der Bahnhofstraße, die dann von jedem stinkenden Motorverkehr endlich befreit wäre, die Beine baumeln lassen und das eine oder andere öffentliche Nickerchen machen.
Klar, die „Klasse der Radfahrer“ können wir bei diesem Vorschlag nicht so einfach ignorieren. Ein separater, eingegrenzter Schnell-Radweg müsste da doch noch drin sein, und die dazu notwendigen Fußgängerampeln dürften ja auch kein Problem darstellen.
Ehrlich gesagt, fände ich so eine Anlage im Herzen unserer Stadt einfach toll. Und wenn dann noch das ohnehin nur halb belegte SZ-Haus abgerissen wird, kann auch der Apothekerpark wieder zu neuem Leben erweckt werden, der durch die Abtrennung des Spielplatzes jetzt eher ein mickriges Dasein fristet.
Endlich könnte Radebeul-West mit Radebeul-Ost mithalten, wenn auch nicht im Einzelhandel (eine Gedenktafel könnte ja an einstige Zeiten erinnern). Wir hätten dann etwas, was sicher keine Gemeinde in Sachsen aufzuweisen hat und zukunftsweisend für den Umbau der Städte zu klimafreundlichen Zonen sein könnte. Das wäre auf alle Fälle ein Beispiel für eine innovative Stadtsanierung, von der auch die Bürger etwas hätten.
Nun ja, man wird halt mal träumen können. Selbst wenn ich jetzt vielleicht als Pessimist verschrien werde, kann ich nicht glauben, dass es nach der Sanierung zu einer Belebung der Bahnhofstraße kommen wird. Der Bahnhof wird weiter verkommen, der Vorplatz wird zugestellt, die Autofahrer werden sich um die Stellplätze in der Güterhofstraße streiten und die Nummer mit dem Wochenmarkt ist auch vom Tisch. Welch ein Geschrei…! Erst alle Bäume umsägen und nun so viel Bäume pflanzen wollen, wie nur möglich! Ein seltsamer Wandel. Das klingt wie, „wir haben zwar keinen Plan, fangen aber erst mal an“. Meine Mutter hatte schon recht, als sie mich vor Leuten warnte, die immer alles wissen und sich angeblich nie irren, meint
Euer Motzi

 

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