Natürlich eine Glosse

Theater, Theater…

Neulich hatte mich doch meine Dame überredet, mal wieder mit ins Theater zu gehen. Diese Neigung, wie ich unlängst schon erzählte, hatte ich bereits vor langer, langer Zeit abgelegt. Aber was tut man nicht alles aus Liebe…
Also, habe ich mich in Schale geworfen, Haare gekämmt, Schuhe geputzt und für alle Fälle ein sauberes Taschentuch eingesteckt. In früheren Zeiten habe ich dann auch noch einen ordentlichen Kulturbindfaden umgehängt. Den aber habe ich längst den Alttextilien anvertraut. Selbst zur Wiedereröffnungsfeier der Semperoper konnte mich keiner bewegen, dieses vermeintliche obligatorische Bekleidungsaccessoire anzulegen.
Aber was ich dann 38 Jahre später im sogenannten Kulturtempel „Theater“ zu sehen und zu hören bekam, verschlug mir dann doch die Sprache. Da hatte sich mittlerweile ja mächtig viel verändert! Das ganze Bim-Bam-Borium war nicht mehr wiederzuerkennen! Also…, die Bühne war zwar noch vorn, zumindest meist, neue Sitzreihen hatten sie auch eingebaut und sicher noch vieles Andere erneuert. Als wir aber ankamen, dachte ich, wir hätten uns im Gebäude geirrt. Die Besucher wurden vor Beginn der Vorstellung mit Blasmusik empfangen. Man hatte den Eindruck, eher im Biergarten als im Theater gelandet zu sein. Eine Unterhaltung oder gar Einstimmung auf den verheißungsvollen Abend war so unmöglich. Auch die Leute sahen teilweise aus, als wären sie rein zufällig vom Einkaufen vorbeigekommen. So mancher schien gerade gar von der Couch aufgestanden zu sein, um schnell ein neues Programm einzuschalten oder eine Sendestörung zu beheben. Nach der Pause strebten einige der Besucher bereits in Kutten und Anoraks ihren Sitzplätzen zu, als müssten sie wegen eines dringenden Termins die Vorstellung vor dem Ende verlassen. Sicher gab es auch eine nicht geringe Anzahl „Gestriger“, die von der früher üblichen Kleiderordnung nicht lassen wollten.
Als dann der Schlussapplaus verebbt war, hatte sich das Haus schneller geleert, als bei einem Feueralarm. Eh wir uns versahen, standen wir allein im Foyer und grübelten, was das wohl gewesen sein könnte, was uns da gerade vorgesetzt worden war. Das Ganze machte schon einen etwas merkwürdig hemdsärmlichen Eindruck.
Nun ja, Sitten und Gewohnheiten ändern sich eben im Laufe der Zeit. Die Theaterkarten hatten wir schließlich auch nicht mehr von der FDGB-Tante erhalten. Die müssen heutzutage lange vor dem Termin abgeholt werden. Wer weiß, wenn wir die Kritiken gelesen hätten…? Früher hatte ich keine Probleme zu kapieren, was da auf der Bühne abging. Das ist gegenwärtig schon rein akustisch kaum noch möglich. Auch daran kann man erkennen, wie sich Fernsehfilme und Theateraufführungen angeglichen haben. Ein weiterer Grund das Haus erst gar nicht zu verlassen, wenn man auch im Theater vorgesetzt bekommt, was ich im Fernsehen viel bequemer und vor allem preiswerter erhalten kann. Und dann der Haufen Schnick-Schnack, der immer mit dabei sein muss. Da fahren Videowände hoch und runter, Nebelschwaden hüllen die Zuschauerreihen ein und die werden zu allem Überfluss noch mit Duftstoffen betört wie in Wellness-Stätten des Vorderen Orients. Die Schauspieler müssen nicht mehr spielen das es regnet, da wird eben einfach die Dusche aufgedreht. Vor lauter Rückblenden verlierst du glatt das Zeitgefühl.
Bei den alten Griechen war das hingegen noch ganz klar geregelt. Da spielte der Plot – wie man heutzutage so zu sagen pflegt – immer in der Jetzt-Zeit. Das war eben clever. Für das Gestrige waren die Erzähler zuständig. Ist aber auch schon wieder eine Weile her. Wie soll das noch einer wissen, wo doch eh die Auffassung besteht, was gestern war interessiert mich nicht. Davon sollten eben auch die Alten was lernen. Und die machen das sogar! Nur mir geht das irgendwie gegen den Strich.
Früher, ja früher, als das Theater noch bilden und erziehen sollte, gewissermaßen die Zuchtanstalt der Nation war oder gar wie bei den Griechen Pflichtveranstaltung, da machte die Einrichtung noch einen Sinn. Aber heute…, mitunter der reinste Tingel-Tangel! Wie sagte da immer meine Mutter: Geld verdirbt halt den Charakter. Und wie man eben sehen kann nicht nur diesen. Eines aber habe ich bei dem erneuten Versuch mit diesem professionellen Haus auf alle Fälle gelernt: Theater ist auch nicht mehr das, was es mal war, meint
Euer Motzi

 

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