Radebeuler Miniaturen

Feuerfest

Die Kellnerin, die Kathi, hat schon die Hand am Zapfhahn, wie ich pünktlich mit Glockenschlag in den Gastraum trete. Mit dem bezauberndsten Lächeln dessen sie fähig ist, stellt sie das Frischgezapfte vor mir auf den Tresen.

Danke, sag ich, das hab ich jetzt bitter nötig.

Mit gespielter Neugier schaut sie mich an. Im Ernst, sag ich, wir brauchen eine neue Heizung.

Ach du Sch…reck, entfährt es ihr, nun wirklich betroffen, da wirst du dir bald kein Bier mehr leisten können, jedenfalls nicht bei mir …

Naja, sag ich, so schlimm wird’s wohl nicht werden, die Versicherung könnte dabei sein, wenigstens anteilig, denke ich mir.

Ich nehme einen tiefen Zug aus dem Glas. Nur rede schon, wird die Kathi ungeduldig, jetzt will ich alles wissen!

Also dann hör zu: Eines schönen Tages erhalte ich einen Anruf, in dem mir eine fremde Stimme mitteilt, mein Geld sei in Gefahr. Ich weiß, hab ich gesagt, das ist es in diesen Tagen immer, besonders vor Weihnachten. Nein, sagt er, er wäre nicht der Weihnachtsmann, sondern von der Sparkasse, und ich solle ihm doch sicherheitshalber ein paar sensible Daten rüberreichen. Wozu, frag ich, ich hab mein Geld gar nicht bei der Kasse, sondern in einer feuerfesten Kiste im Brennraum meiner Gasheizung. Keine Ahnung, ob der am anderen Ende die Schnauze überhaupt wieder zubekommen hat. Jedenfalls war die Angelegenheit für mich erledigt.

Gestern waren wir dann im Kino, und heute früh sagt Ulrike, ich solle mal nachsehen, die Heizung wäre kalt, und das ist ja bei dem Wetter nicht der Sinn dieser Einrichtung. Ich geh also runter, und da haben wir die Bescherung: Alles kaputt: die komplette Verkleidung weg, abgeruppt, kannste sagen, alles verbogen und verdreht…

Und dein Geld? Die Kathi ist ganz aufgeregt.

War natürlich nicht im Brennraum, ich verrate denen doch nicht meine Verstecke – möchte nicht wissen, wie die geflucht haben …

Und wie nun weiter?

Naja, großer Bahnhof eben. Polizei, Versicherung, Protokolle … und jetzt muß ich sehen, wie ich zu einer neuen Heizung komme, und zwar schnell, denn es ist kalt, jedenfalls behauptet das Ulrike.

Dann zum Wohl, sagt die Kathi, und stellt mir ein frisches Glas hin.

Später reiche ich ihr zum Abschied einen Schein übern Tresen.

Wieso issn der so schwarz, will die Kathi wissen.

Ruß, sag ich, das ist Ruß. Ich habs doch im Schornstein verborgen, mein Geld, direkt neben der Heizung, da fliegt manchmal welcher drin rum – mußt’e einfach abwischen …

Thomas Gerlach

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