HAUS BREITIG – Maxim-Gorki-Straße 22 (Teil 2)

Nutzungen des Anwesens Haus Breitig

Der Zweck zur Errichtung 1650 war natürlich der Weinbau, um den sich alles drehte – die Weinkeller, die Wohnung eines Winzers war zunächst im EG, nach 1735 dann im östlichen Seitengebäude. Ein Pressraum kann im EG vermutet, aber bisher nicht nachgewiesen werden. Räume im OG waren für die adlige oder wohlhabende Besitzerfamilie (sie hatte in der Regel einen Hauptwohnsitz in Dresden) vorbehalten. Sie kamen zu gelegentlichen Aufenthalten, wie zur Weinlese. Nebenbei fanden auch ein paar landwirtschaftliche Arbeiten zur Selbstversorgung der Winzerfamilie statt, so sollen zeitweilig zwei Kühe zum Hof gehört haben.

Ansicht Haus Breitig von S-W, 2024

Nach dem Niedergang des Weinbaus im ganzen Elbtal durch die Reblaus – nach 1885 – lagen die Weinberge lange Zeit brach, bzw. dienten ersatzweise dem Obstanbau. Es gab keine Weinlese und demzufolge auch keine Kelterei. So wurden viele brachliegende Weinberge in den flacheren Bereichen von 1885 bis etwa 1912 parzelliert und nach und nach mit Wohnhäusern bebaut. Die bekannte Serkowitzer Fa. Gebr. Ziller bebaute damals die mittlere Eduard-Bilz-Straße mit Villen und Landhäusern. Die Flächen vom Haus Breitig wurden bis in die 1960er Jahre dagegen langsamer bebaut, sodass Familie Breitig bis zum Verkauf 1952 noch als Gartenbaubetrieb wirken konnte. Dann betrieb Frau Rödenbeck hier noch einen Reitstall mit bis zu sechs Pferden, wo auch einige Radebeuler Kinder das Reiten gelernt haben dürften. Diese Nutzung erwies sich aber für Haus und Grundstück als eher nachteilig, der Verfall schritt fort. 1972 übernahm die Stadt Radebeul / Gebäudewirtschaft das Grundstück ohne dass saniert worden wäre. Schließlich konnte die Familie Jäger das Grundstück kaufen und begann ab 1984 mit der Rekonstruktion mit dem Ziel einer eigenen Wohnnutzung. Bald schon wurden im südlichen Vorland wieder Weinstöcke gesetzt, sodass man beim Einzug schon mit eigenem Wein anstieß!

Andere Ansätze das Haus zu erhalten

Nachrichten über historische Erhaltungsmaßnahmen sind leider nicht dokumentiert. Von 1953 gibt es Teile einer studentischen Bauaufnahme durch den Studenten Herrmann Kraft an der TH Dresden, Fachrichtung Architektur, darunter sehr gute Fensteraufmaße. Es war aber nur eine Übung ohne praktische Bedeutung. In der Denkmaltopografie der Stadt Radebeul wird für Haus Breitig eine unbekannte Sanierung von 1964 erwähnt – nach Auskunft des LAfD war da eine Dachreparatur geplant aber nicht zustande gekommen.


Aber ich erinnere mich an noch einen Ansatz um 1975, das fast zur Ruine gewordene Haus zu retten: die jungen Radebeuler Familien von Dietmar Kunze, Peter Richter und Dietrich Lohse wollten das Haus erwerben und Dr. Dietmar Kunze hatte eine Studie mit zwei Nutzungsvarianten zu Papier gebracht. Die eine Variante sah einen Dreispänner (wie ein Reihenhaus) mit drei Treppen vor, die realistischere Variante ging von drei übereinander liegenden Wohnungen mit nur einem Treppenhaus aus. Der Plan scheiterte nicht am Kaufpreis, wohl aber, man ahnt es, an den Kosten von Sanierung und Umbau. Die Skizzen von damals existieren heute leider nur noch in Resten.

Dr. Wolfram Jäger, inzwischen zum Professor ernannt, hatte mit dem Erwerb 1983 und dem Baubeginn 1984 mehr Glück und vor allem den eisernen Willen, die Rettung von Haus Breitig zu stemmen. Hinzu kam, dass seine berufliche Laufbahn – Lehre als Zimmermann, Bauingenieurstudium an der TU Dresden, Anstellung bei der Bauaufsicht und danach im Bauamt der Stadt Radebeul – auf diese Bauaufgabe geradezu zugeschnitten schien. Dass sich die Realisierung schließlich bis 1990 hinzog, lag an der Größe der Aufgabe und an der schwierigen Materialsituation in der damaligen DDR. Allein die Holzbeschaffung in der Größenordnung stieß immer wieder auf Probleme – zugewiesen bekam man nur den Teil, der für einen Neubau Typ EW 65 nötig gewesen wäre. Es blieb nicht aus, nach anderen Quellen zu suchen, so ein kirchlich verwaltetes Waldstück in der Lausitz.

Stabiles Fachwerk über zwei Geschosse (S-O-Ecke), 2024

An dieser Stelle will ich an zwei nicht mehr lebende, einander bekannte Persönlichkeiten – den Radebeuler Baumeister Franz Jörissen und Prof. Hans Nadler vom Landesamt für Denkmalpflege Dresden – erinnern, die so oder so immer ein Auge für diese Baustelle hatten und gute Ratschläge und anerkennende Worte fanden.

Wenn ich mich heute an die Situation von Haus Breitig vor 1983 und an den drohenden Verlust denke, muss ich sagen, daß der Kauf durch Familie Jäger ein wahrer Glücksfall für das Kulturdenkmal war. Die Arbeit ging nicht nur ins Geld, sondern auch in die Knochen!

Teil des Wohnraumes im 1. OG, 2024

Ob Wolfram Familie Jäger, inzwischen Professor geworden, und seine Familie den 400. Geburtstag des Hauses im Jahr 2050 feierlich begehen kann, weiß heute noch niemand, schön wäre es ja.

Dietrich Lohse

Anhang Besitzerfolge (soweit nachweisbar)

1627 Besitz des Flurst. / Weinberg: kurfürstl. Schösser Johann Täucher
1650 Errichtung des Winzer- u. Herrenhauses
1714 Besitz der Witwe von Hofrat Schramm
um 1730 Besitz von Weinbg. u. Haus Frau Sekretär Wernerin
1735 Stallanbau u. zT. neue Gaupen wohl unter Hoftäschner Girkhoff
1786 Besitz der Erben von Johann Gottfried Allich
1791 Verkauf an Johann Gottlieb Findeisen, Kaditz
1897 Erwerb durch Familie Breitig, zuletzt bis 1952 Hermann Breitig, Gärtner
1952 Besitz von Frau Rödenbeck, Reitstall
1972 Erwerb durch die Stadt Radebeul / Gebäudewirtschaft
1983 Erwerb durch Familie Jäger, bis jetzt

Literaturhinweise:
Landesverein Sächs. Heimatschutz, Band XIII, Heft 5/6, 1924 (Grüne Hefte)
Vorschau 03/58, „Eckenbreitig u. Russenbreitig“, Curt Reuter
„Radebeul – Stadtführer durch Vergangenheit u. Gegenwart“, Liselotte Schließer,
Verl. Edition Reintzsch, 1996
„Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland – Stadt Radebeul“, Volker Helas
u. Mitwirkende, Sax Verlag, 2007
* „Sächs. Weinland – historische Weingüter und Winzerhäuser im Elbtal“, Matthias Donath,
Redaktions- u. Verlagsgesellschaft Elbland mbH, 2010
* „Stadtlexikon Radebeul“, Große Kreisstadt Radebeul, 2021

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