Radebeuler Miniaturen

Konsum-Gut

In römischen Siedlungen gab es schon vor Beginn der modernen Zeitrechnung und auch nördlich der Alpen öffentliche Badehäuser und Aborte mit Wasserspülung. Zu nämlichem Zwecke wurde ein Bach durch den entsprechenden Raum geleitet, in welchem die Bürger in geselliger Runde saßen, während alles, was sie hinter sich ließen, sofort unter ihnen weggespült wurde.

Freiheitsliebende germanische Heimatfreunde haben uns jedoch recht bald wieder von diesem kulturellen Joch befreit. Das zeigt zunächst, daß es nicht so einfach ist, Kulturgut in fremde Länder zu tragen. Es hat nahezu zweitausend Jahre gedauert, bis hinsichtlich der öffentlichen Hygiene ein ähnlicher Stand wieder erreicht wurde. Zum anderen ist der Ruf nach Freiheit immer noch und immer wieder virulent, doch bis heute stellt kaum einer die Frage: “Freiheit wovon?!“

In meinem Elternhaus gab es noch über viele Jahre ein einfaches „Plumps-Klo“. Dabei fiel auf direktem Wege alles Überflüssige in eine darunter befindliche gemauerte Grube, die in regelmäßigen Abständen geleert werden mußte. Vorzüglich (des Geruches wegen) bei Regenwetter wurde der Grubeninhalt im Garten verteilt, auf daß die Tomaten gediehen, die auf dem felsigen Untergrund sonst nicht viel zu lachen hatten.

Das hatte alles nichts mit Krieg oder Nachkrieg zu tun, das entsprach dem ganz normalen Stand der Technik und war allgemein üblich. Dennoch hatte auch der Krieg einen gewissen Einfluß aufs Geschäft.

Lange Zeit nämlich gab es nicht nur nichts, sondern gar nichts. Die Not machte – damals jedenfalls – erfinderisch, und also wurde zur Versorgung der Bevölkerung alles Mögliche und Unmögliche zu Konsum-Gut umgedeutet und auf diese Weise einer neuen Bestimmung zugeführt. So haben etwa pfiffige Erfinder ausgediente Militärstahlhelme mit einer Tülle für einen Stiel versehen und als Jauchenschöpfer verkauft – eine sinnreichere Verwendung dafür konnte (und kann!) es kaum geben. Zumal auch bei der Verwendung ein gewisser durchaus auch erheiternder Mahneffekt zu erwarten war. Es tut mir in der Seele weh, daß das Ding entsorgt wurde, als wir uns einen „richtigen“ Schöpfer leisten konnten.

Als ich später selbst genötigt war derartiges Gerät nicht nur am Gürtel, sondern auch auf dem Kopf zu tragen, hatte ich stets den Geruch der heimischen Grube in der Nase. Und ich frage mich mit zunehmender Eindringlichkeit, wie tief einer in der Sch… stecken muß, der sich von wem auch immer gezwungen sieht, sich so ein Ding überzustülpen …

Thomas Gerlach

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