Der Gasthof Serkowitz aus einem anderen Blickwinkel

Er müsste eigentlich als ehemaliger Gasthof bezeichnet werden, denn er ist seit etwa 2005 nicht mehr bewirtschaftet. Mit einer ersten Erwähnung von 1337 als frühere Erbschänke dürfte es sich, zumindest in Teilen, um den ältesten Gasthof Radebeuls handeln. Fast allen Zeitungsberichten der letzten Jahre war der Gasthof aber nur der Verdacht eines möglichen Treffs rechter Gruppen und dem Verhindern derartiger Treffen, bzw. dem „Lügenmuseum“ und seinem Verbleib an der Stelle wichtig gewesen. Meine Intention aber war, und da kommt der andere Blickwinkel ins Spiel, die lange und wechselvolle Geschichte dieses Gasthofs und die denkmalpflegerischen Werte des Hauses darzustellen.

Gasthof Serkowitz um 1900
Foto: Archiv D. Lohse

1. Bau- und Nutzungsgeschichte

Solange nicht andere Erkenntnisse genannt werden können, sagt die erste Erwähnung aus dem Jahr 1337 aus, dass es sich hier um den ältesten Profanbau in der Lößnitz handeln dürfte. Zum Vergleich: das „steinerne Haus“ (sogen. Bennoschlößchen), Bennostraße 35, wurde um 1580 errichtet. Der barock anmutende Schlussstein über dem Haupteingang des Gasthofs, der auch die Jahreszahl 1337 zeigt, ist viel jünger und erinnert nur an die mittelalterliche Zahl. Mit den Buchstaben – M H M – im Schlussstein wird klar, dass er sich auf die Übernahme des Gasthofs durch Familie Huhle, die hier längere Zeit die Wirtschaft führte, bezieht. Die Erbschänke aus dem 14. Jh. war sicherlich viel kleiner gewesen als der uns bekannte Gasthof Serkowitz, leider sind uns keine bildlichen Darstellungen der Erbschänke bekannt. Über die Jahrhunderte wurde viel um- und angebaut, möglicherweise hatte auch der 30-jährige Krieg Spuren am Gasthof hinterlassen. Wir unterscheiden den eigentlichen Gasthof und den angefügten Saalbau von 1877. Der Gasthof hat eine spätbarocke Form mit Mansarddach, einem schlichten Portal und der regelmäßigen Fensteranordnung nach den Straßen. Er ist heute der Kötzschenbrodaer Straße 39 zugeordnet. An dem unsanierten Haus stören auf den ersten Blick die zu großen Schleppgaupen (die früheren, kleineren Gaupen mit Satteldächern entsprachen mehr dem barocken Charakter), wohl durch Arch. Max Czopka um 1960 errichtet, und die alte Pappschindeldeckung. Aber ich will meinen Kollegen und Kolleginnen der Denkmalschutzbehörde in Großenhain nicht vorgreifen, sie müssten ja einem noch nicht vorliegenden Antrag zustimmen oder ihn genehmigen und dazu ggf. Auflagen erteilen.

Wie in vielen anderen sächsischen Gasthöfen wurde einst auch hier Gericht gehalten. Über die Jahrhunderte war mit dem Gasthof wiederholt Bierstreit vorgekommen. Für den Gasthof an der alten Handels-, Post- und Heerstraße in der Nähe der Stadt Dresden war vorgeschrieben, dass da nur Dresdner Bier ausgeschenkt werden durfte. Aber die Wirte schenkten gelegentlich auch Bier aus Meißen oder Radeberg aus. Da machte die Residenzstadt dann regelmäßig Ärger! Bis ins späte 18. Jh. gehörte zu den Aufgaben dieses Gasthofs außer der Beköstigung der Reisenden auch die Unterkunft und der Pferdewechsel. Ab 1612 kam der Gasthof für kurze Zeit in adlige Hände: Otto von Starschedel, dem Graf Reinhold von Taube folgte. Im Jahr 1784 konnte ein tragischer Unfall bei Hochwasser und Unterspülung der Straße nahe beim Serkowitzer Gasthof verhindert werden. Zwei Kutschen des Hauses Wettin mit Kurfürst Friedrich August dem Gerechten und Prinz Anton hatten es eilig und wären bei Hochwasser und schlechtem Wetter sicherlich über die Abbruchkante der Straße in die Elbe gestürzt, wenn nicht zwei couragierte Kötzschenbrodaer Marktweiber die Expresskutsche zum Stehen gebracht und damit die hohe Reisegesellschaft vorm Ertrinken gerettet hätten. Komisch, die Namen der Adligen weiß man heute noch, die der tüchtigen Marktweiber dagegen nicht. 100 Jahre später wurde ein Gedenkstein an der Stelle errichtet, der an die Rettungstat erinnern sollte. Der Sandsteinblock steht heute 120m westlich vom Gasthof an neuem Standort auf der nördlichen Seite der Kötzschenbrodaer Straße. Nach diesem Geschehen verlegte man die Poststraße weiter weg von der Elbe in die Linie der heutigen Meißner Straße. Seit 1788 übernahm dann das „Weiße Roß“ (Meißner Straße 148) ein paar Aufgaben des Serkowitzer Gasthofs, der sich nun über ausbleibende Kundschaft beklagen musste. Als Friedrich August Huhle 1862 den Gasthof übernahm, ging es wirtschaftlich bald wieder bergauf. Zunächst ließ er die Bausubstanz überprüfen und dann einen teilweisen Abbruch und Neubau ausführen. Die Keller, Teile des EG und wohl auch des Dachstuhls (eine dendrochronologische Untersuchung ergäbe hier Erkenntnisse) blieben, aber das Fachwerk- OG wurde durch massive Wände ersetzt. 1877 kam der neue Tanzsaal, der dann 1899 erweitert wurde, hinzu. Familie Huhle führte den Gasthof, der dann auch Huhles Gasthof genannt wurde, und auch die Fleischerei fast 100 Jahre. Der Tod von Margarethe Huhle in den 60er Jahren bedeutete das vorläufige Ende der Gastwirtschaft. Es folgte dann eine artfremde Nutzung durch VEB Novitas als Schneiderbetrieb. 1973 übernahm dann die GPG Frühgemüsezentrum Kaditz den Gasthof. Familie Hildmann waren engagierte Wirtsleute und der Gasthof Serkowitz lief wieder gut. Davon konnte ich mich bei gelegentlichen Besuchen selbst überzeugen und ein guter Bekannter aus Dinkelsbühl, der in den 50er Jahren als Kind die DDR verlassen hatte, erinnert sich, dass er bei späteren Besuchen in Radebeul gern hier einkehrte und das Angebot recht gut war. 1987 wurde das 650-jährige Jubiläum des alten Gasthofs in den Räumen feierlich begangen.

Der ehemalige Gasthof, 2024
Foto: D. Lohse

2. Das Innere des Gasthofs

Im Hausflur finden wir Sgraffitoarbeiten des Dresdner Künstlers Hermann Glöckner (1889 – 1987). Es zeigt in einer landkartenähnlichen Darstellung das Elbtal zwischen Dresden und Meißen mit Stadtsilhouetten und Wappen. Im Gastraum befinden sich an den Wänden figürliche Sgraffitos mit altertümlichen Zechern. Im zweiten Gastraum erkennen wir schließlich auf einem großen, gemalten Wandbild die Schenkung des Dorfes Serkowitz von 1337 vom Burggraf zu Meißen an die Domkirche Meißen. Glöckner schuf die Arbeiten zwischen 1935 und 40. Ob sich alle Arbeiten neben dem derzeitigen Museumsbetrieb erhalten haben, ist mir nicht bekannt. Diese inneren Sgraffitoarbeiten sind deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie gegenüber Sgraffitos im Außenbereich (Ladenwerbung, Schmuckformen u. Sonnenuhren) in Glöckners Schaffen eher selten sind. Ob Herr Zabka, der bisherige Mieter, die Arbeiten Glöckners wahrgenommen und geschätzt hat, kann ich mir schwer vorstellen.
Der große Saal aus der Gründerzeit wird von einer Stuckdecke mit Jugendstilmotiven abgeschlossen, eine interessante Mischung! Radebeul hatte 1990 noch etwa zehn Gasthofsäle, nicht alle in gutem Zustand aber noch da. In der Zeit danach verschwand einer nach dem anderen aus unterschiedlichsten Gründen – heute sind es noch zwei: der Saal des Goldenen Ankers in Kötzschenbroda und der Serkowitzer Saal. So viele Säle sollte eine Stadt von über 30 000 Einwohnern schon brauchen für Musik und Tanz, für Versammlungen und Kulturveranstaltungen. Deshalb ist der Serkowitzer Saal wichtig und sollte auch nicht zu Wohnzwecken (ich weiß nicht, ob diese Idee noch aktuell ist) geopfert werden.

Sgrafitto von H. Glöckner im Vorraum
Foto: D. Lohse

3. Zum z.Z. noch da befindlichen Lügenmuseum

In der Tat, es gibt nicht wenige Menschen – Radebeuler und auswärtige Besucher – die das Lügenmuseum mögen. In diesem Heft haben sich in letzter Zeit einige für den Erhalt, bzw. für den Verbleib in Radebeul ausgesprochen. Zum Lügenmuseum und dem Erfinder desselben habe ich aber eine andere Meinung; vielleicht muss ich damit leben, ein Außenseiter zu sein! Es fängt schon beim Namen an, warum Lüge, warum Museum? Der Künstlername von Herrn Zabka „Gigantikow“ fällt auch nicht gerade bescheiden aus und passt ein russisch klingender Name gerade jetzt nicht so gut. Seine z.T. räumlichen Gebilde aus Schrott, Abfällen und anderen Materialien mögen von Fantasie, Witz und auch handwerklichem Geschick zeugen, aber muss man es gleich Kunst nennen? Jeder Mensch zieht die Grenze, was er persönlich für Kunst hält, oder was nicht, sicherlich etwas anders – das ist normal. Auch ich war, als es neu war, schon im Lügenmuseum gewesen, ich habe an manchem Exponat gestaunt oder auch geschmunzelt, mich aber nicht in einem Kunstmuseum gefühlt. Mit einem Kulturdenkmal, was der Serkowitzer Gasthof ist, sollte man auch als Mieter anders, respektvoller umgehen. Die Art der Werbung oder das massenhafte Ankleben von Witzen, Parolen und Sprüchen an die Fassade passt eher nicht an ein Kulturdenkmal. Die Denkmalschutzbehörde, die leider nicht mehr in Radebeul sitzt, kann so was höchstens temporär dulden, muss aber darauf achten, dass das Denkmal, auch wenn die Sanierung noch nicht ansteht, nicht beschädigt oder gar zerstört wird. Teile des Vorplatzes wurden auch im Sinne des Museums gestaltet. Da der Vertrag mit der Stadt nicht verlängert werden wird, bedeutet das das Ende des Museums an dieser Stelle, so zu lesen in der Tagespresse. Eine denkmalgerechte Behandlung wird, abgesehen von Notsicherungen, erst mit einer neuen Nutzung des Gasthofs zu erwarten sein. Und diese künftige Nutzung ist z.Z. nicht greifbar. Der Artikel war von mir nicht als „Wünsch dir was – Beitrag“ gedacht, eine Lösung sehe ich aber weder in der Verlängerung des Lügenmuseum noch in der mal angedachten Einrichtung vieler Wohnungen auch im Saal. Vielleicht braucht es etwas Zeit, ehe die geeignete Idee für den Gasthof gefunden ist. Die Zeiten zum Betreiben von Gastronomie könnten sich auch wieder bessern, man sollte mit etwas Geschick einen interessierten Wirt finden (Eigentümer und Wirt muss ja nicht die gleiche Person sein, aber kann …) und dann könnte der Gasthof Serkowitz vielleicht noch einmal aufblühen.

Dietrich Lohse

Quellen:
1. Radebeul, Stadtführer durch Vergangenheit und Gegenwart, Liselotte Schließer, Edition Reintzsch, 1996
2. Stadtlexikon Radebeul, Anette Karnatz und Mitarbeiter, Große Kreisstadt Radebeul, 2021

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Ein Kommentar

  1. Maxe
    Veröffentlicht am Di, 3. Dez. 2024 um 20:41 | Permanenter Link

    Danke Dietrich Lohse, ich fühle mich an die Geschichte von des Kaisers neuen Kleidern erinnert.

    Ein buntes Kunst und Kulturzentrum mit Konzerten, Bällen, kleinen Festen, Diskussionsrunden, Umsonstladen, Babytreff, Café und Kleinkunst, diversen Kurse von Tanz, Yoga bis … – das wäre schön. Das, was das Weiße Haus nicht schafft, könnte hier in einem schönerem Ambiente entstehen.

    Es sollte künstlerisch breit aufgestellt sein und sich nicht nur um eine Person drehen.

    Und bitte politisch neutral oder in ganzer Breite, offen für Traditionelle, Leistungsorientierte, grüne Sensible und Integrale.

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