Klartext
Wir haben gegenwärtig, so scheint es mir, seit längerer Zeit einen eigentlich unhaltbaren Zustand in der Gesellschaft. Jeder kann heutzutage zu allem seinen Senf abgeben, was ja zweifelsfrei von dem so hochgehaltenen Begriff der „Freiheit“ gedeckt scheint. Dieses „den-Senf-dazugeben“ ist an und für sich nicht das Problem und belebt wohl den Diskurs. Wenn aber dieses Stammtischgeplapper über alles und alle gleichgestellt wird mit einer fachlich fundierten Aussage über eine Fragestellung und zu einer verallgemeinerten Meinung hochstilisiert wird, dann weiß ich wirklich nicht mehr, was ich davon halten soll.
Wer kann heutzutage noch Fake und Fakten auseinanderhalten, wo selbst sogenannte „seriöse“ Medien den Durchblick längst verloren haben. Dabei sei an dieser Stelle nicht erörtert, ob sie in Ahnungslosigkeit gehandelt oder in böswilliger Täuschung das Geschäft der Politik und Wirtschaft betrieben haben.
Woran aber mag es liegen, dass selbst die Vertreter der obersten Spitze in Staat und Gesellschaft glauben, sich nicht mehr an Wahrheit und Klarheit halten zu müssen und dem Volk die Hucke volllügen, wo es doch einzig um ein Handeln im Interesse der gesamten Gesellschaft gehen sollte? Und jene „ehrenwerten“ Damen und Herren an der Spitze, die eigentlich die moralischen Maßstäbe verkörpern, unsere leuchtenden Vorbilder, denen es nachzueifern gilt und Richtschnur unseres Handeln sein sollten, die Geschäfte nicht mehr im Griff haben?
Könnte es sein, dass sie etwas ganz anders im Schilde führen, als das Wohl und Wehe der Gesellschaft? Und wenn ich mir den ganzen Laden genauer ansehe, dann kann man diesen Zustand nicht nur in der obersten Etage feststellen. Solche großen und kleinen Könige, Minister, Hofmarschalle bis hin zu Ortsvorstehern gibt es ja wie Sand am Meer. Sie alle wollen Macht und Recht haben und biegen sich gelegentlich auch gern mal die Realität zurecht und beanspruchen vor allem auch die Meinungshoheit.
Verständlich, dass kaum einer überhaupt noch weiß, was er sagen kann, soll oder gar muss, sind doch die Töne rauer geworden, auch wenn sie sich mitunter hinter „Kleinen Anfragen“ verstecken. Da wird dann auch gleich mal die ganz große Keule rausgeholt. Bisher dachte ich wenigstens, dass dem Kabarett noch eine gewisse Narrenfreiheit zugebilligt wird. Aber damit scheint es offensichtlich auch vorbei zu sein.
Manchmal aber braucht es klare Worte, auch wenn sie nicht jedem gefallen. Selbst die falscheste Behauptung wird nicht wahrer, nur weil sie ständig wiederholt wird, wie man an der Riester-Rente sehen konnte.
Gegenwärtig kann ich mir nicht vorstellen, dass die Bahnhofstraße trotz aufwendiger Instandsetzung eine einladendene Einkaufsmeile wird, die zum Verweilen anregt, wie hinlänglich kolportiert. Zuviel Leerstand, zu wenig attraktive Geschäfte! Auch vom vormals unverzichtbaren Frischemarkt an diesem Ort will heute keiner mehr etwas wissen.
Als die Kasperiade einst von West nach Ost beordert wurde, musste die Belebung des Einzelhandels als Grund dafür herhalten. Jetzt, wo das Fest um das Karl-May-Museum und die Lutherkirche herum stattfindet, kräht danach kein Hahn mehr. Da könnte ich dutzende andere Beispiele herbeten, wo Begründungen, Rechtfertigungen, Erklärungen sich regelrecht in Luft aufgelöst haben, von denen man nun nichts mehr wissen will, die man noch vor gewisser Zeit vehement verteidigt hatte. Wie oft musste eigentlich das Sozialamt umziehen? Warum ausgerechnet Stadtarchiv und Kunstsammlung sich in den Wasapark einmieten mussten, der einer spanischen Investment-Gesellschaft gehört und jetzt abgerissen werden soll, versteht kein Mensch? Wer dann einige Jahre zurückschaut, wird erstaunt feststellen, dass für diesen Abriss die Initiative vom Bauamt der Stadtverwaltung ausging (s. DNN-Online, 19.11.2018). Und dann noch der ganze Hick-Hack bei der Suche nach einer Zwischenlösung für beide Einrichtungen, weil man sich um eine vernünftige Reglung lange Zeit nicht gekümmert hatte.
Wir Deutschen sind schon ein eigenartiges Völkchen. Entweder obrigkeitshörig oder wir rennen einem anderen Leithammel hinterher. Und Träumer sind wir allemal. Da kann ich mich noch sehr gut an den Spruch der neunziger Jahre erinnern: „Das könn‘ se doch mit uns nich machen!“. Könn‘ se doch, wie man sieht, meint
Euer Motzi