Radebeuler Miniaturen

Was aber folgt?

„Geschichte bleibt folgenlos“
Das im Juli-Gedicht „Fortsetzung folgt nicht“ von Michael Wüstefeld anklingende sarkastische Fazit beschreibt eine leider alltägliche Erfahrung, die jeglicher Hoffnung entgegensteht: „Geschichte bleibt folgenlos“.
Spontan fühlte ich mich an ein Ereignis erinnert, das nun bereits mehr als dreitausenddreihundert Jahre zurückliegt. Die Ortschaft Kadesch, in der Nähe der heutigen Stadt Homs in Syrien gelegen, war damals Schauplatz eines mörderischen Krieges zwischen dem ägyptischen Pharaonenreich und dem Reich der Hethiter. Beflügelt, wie erzählt wird, durch die Erfindung des „leichten Streitwagens“ fühlten sich die Hethiter unter ihrem König Hattusilis III. den Ägyptern überlegen und schlugen zu. Die jeweiligen Chronisten versäumten nicht, den Verlauf und vor allem den Erfolg der Schlacht dem jeweils eigenen Königs zuzuschreiben, weshalb das tatsächliche Geschehen, wie es heute hieße, „unabhängig nicht überprüft werden kann“. Wir brauchen uns also nicht weiter damit aufzuhalten.
Erhalten blieb der auf silbernen Tafeln geschriebene Friedensvertrag. Dieser ist schon insofern bedeutsam, als er der bisher einzige Friedensvertrag der gesamten Menschheitsgeschichte ist, der nie gebrochen wurde.
Wer Ohren hat, der höre!
Der Vertrag brachte den beteiligten Staaten eine über siebzig Jahre währende Phase Frieden – auch das hat es in den folgenden Jahrtausenden bis in unsere Tage auch nicht noch einmal gegeben. Leider gerät der Wert einer solchen Epoche zunehmend aus dem Blick – 70 Jahre Frieden, was ist das schon!
Bekräftigt wurde der damalige Vertrag zehn Jahre später. Da heiratete Pharao Ramses II. die älteste Tochter des Hethiterkönigs Hattusilis III. Es war dies eine rein strategische Hochzeit, bei der der Pharao die neue Frau nicht einfach seinem Harem zuführte, sondern zur „Hauptfrau“ erhob. Auch wenn dies zunächst nur eine Verbeugung vor dem Hethiter bedeutet, dürfte es Ramses nicht schwergefallen sein, fand er doch die Prinzessin …“schön wie eine Göttin…“. Sie hatte den ägyptischen Namen Ma`atnefrure angenommen, was soviel bedeutet wie „Die Wahrheit ist die Schönheit des Re“.

Der Vertrag hatte auch dann noch bestand, als die Schönheit längst vergangen war. Mit dem Zerfall des Hethiter-Reiches, an welchem Ägypten keinen Anteil hatte, wurde er irgendwann gegenstandslos.
„Geschichte geschieht“.
Wer Ohren hat, der lege sie an.

Thomas Gerlach


(Zu den historischen Hintergründen vgl. C.W.Ceram, Enge Schlucht und Schwarzer Berg, Rowohlt 1955, S. 134ff)

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