»Hörst Du die Stille atmen?«

Fotos von Gabriele Seitz in der Hoflößnitz

Vor 10 Jahren bekam Gabriele Seitz den Tipp, mit der Kamera den Anklamer Stadtbruch zu besuchen. Der mit Künstlerfreundin Rita Geißler gemeinsam unternommene Besuch dieses Schutzgebietes war der entscheidende Moment: Das Thema Moor ließ sie nicht mehr los. Es folgten zwei Moorbücher und nun diese Ausstellung.
Warum sind Moore so faszinierend? Bis ins Industriezeitalter hinein waren sie für den Menschen eher lebensfeindliche Landschaften – weder Land noch Wasser, schlecht nutzbar und gefährlich. Mit der Romantik entdeckte man aber zunehmend auch ihre schönen Seiten. Hier gab es noch bizarre Baumgestalten sowie Tiere und Pflanzen, die man an Haus, Garten, Feld und Wald nicht fand. Zu nennen sind etwa der Sonnentau, der Mikrokosmos aus unterschiedlichsten Moosen, die Wollgräser oder die Moosjungfern, grazile Insekten, die nach vielen Jahren im Wasser nur ein paar Wochen lang als Libellen akrobatische Flugkünste vollziehen. Auch Kraniche, Waldwasserläufer und andere scheue Vögel fühlen sich im Moor wohl, dieser letzten Wildnis in Mitteleuropa. Die großformatigen, mit analoger Technik entstandenen Schwarz-weiß-Fotografien von Frau Seitz machen ihre Faszination greifbar.

Anklamer Steinbruch I, Fotografie auf Leinwand, 2015, Foto: G. Seitz

Moore findet man vor allem dort, wo es viel regnet und eher kühl ist, denn sie brauchen einen stetigen Wasserüberschuss. Sachsen ist aufgrund des Klimas seit jeher moorarm. Moore sind meist tausende Jahre alt. Bei günstigen Bedingungen wachsen sie etwa 1 Millimeter pro Jahr. Durch Luftabschluss entsteht aus abgestorbenen Pflanzenteilen Torf, eine Vorstufe der Kohle. Weltweit speichern Moore auf 3 Prozent der Landfläche mehr als doppelt so viel Kohlenstoff wie alle Wälder zusammen. Seit der Industrialisierung wurden Moore aber vielfach entwässert, der Torf abgebaut und die Flächen landwirtschaftlich genutzt. Aktuell gelten über 95 Prozent der Moorlebensräume in Deutschland als zerstört, und der Nutzungsdruck hält an: In der Laußnitzer Heide z. B. werden die Moore durch großflächigen Kiesabbau und Bauschuttverkippung im Einzugsgebiet bedroht.
Moore gehören heute zu den gefährdetsten Biotoptypen überhaupt, ebenso sind ihre spezialisierten Bewohner häufig vom Aussterben bedroht. Aber es gibt auch Hoffnung: Moore lassen sich wiederbeleben! Regenwasser gezielt in der Landschaft zu halten und die Moore wieder zu vernässen, ist eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe geworden. Der Anklamer Stadtbruch, durch einen Dammbruch bei einer Sturmflut von selbst wieder vernässt, wurde vom Naturschutzbund Deutschland e.V. erworben und seitdem sich selbst überlassen. Gibt man der Natur Raum, kehrt sie zurück.
Gabriele Seitz hat ein gutes Auge für die Schönheiten der Moore. Die Ausstellungsbesucher erwarten beeindruckende Landschaftsbilder aus dem Anklamer Stadtbruch oder vom Georgenfelder Hochmoor, auch von den Großdittmannsdorfer Mooren sind Aufnahmen zu sehen. Die Fotografin bringt uns typische Tiere und Pflanzen näher, ohne dass wir nasse Füße bekommen müssen. Die Ausstellung »Hörst du die Stille atmen?« macht Lust auf mehr.

Dr. Holger Oertel, NSG-Betreuer im NABU Sachsen e.V.


Die Schau mit Moorfotos und Stillleben von Gabriele Seitz läuft noch bis 13. Juli im Weinbaumuseum Hoflößnitz, Knohllweg 37 in Radebeul. Der Eintritt zur Sonderausstellung im Bergverwalterhaus ist frei.

Foto: G. Seitz, Im Anklamer Stadtbruch, 2017]

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