Vom Leben und Feiern auf dem Lande

inmitten der Großen Kreisstadt Radebeul

Wie werden das die Naundorfer wohl gemeint haben, als sie das frisch vermählte Hochzeitspaar Brunni Kötzschenbroda und Heinrich Radebeul mit den Vertretern aller Radebeuler Ursprungsgemeinden unter behördlicher Aufsicht zur Melodie »Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n« auf einem Floß übern Dorfteich in die ungewisse Zukunft gleiten ließen?

Heute, zur »Kronjuwelenhochzeit« 75 Jahre später, kann man diese Zwangsehe durchaus als glücklich bezeichnen, wenngleich die Umstände, unter denen sie geschlossen wurde, einen bitteren Beigeschmack hatten. Und so sparte der Naundorfer Dorf- und Schulverein zum Stadtjubiläumsspektakel in seiner recht freien szenischen Umsetzung auch nicht mit versteckten Anspielungen auf jenes problematische Kapitel unserer Stadtgeschichte. Rund 30 Vereinsmitglieder standen auf der Bühne und waren beim großen Dorffest vom 18. bis 20. Juni noch mehrfach in wechselnden Kostümrollen zu erleben.

Auf unser Naundorf sind wir stolz (Foto K. Gerhardt)

Dass Naundorf ein schönes Stück Heimat ist, dessen sind sich die Bewohner durchaus bewusst. Ein kleines Paradies mit Dorfteich und Bauerngärten, umschlossen von einem schützenden Wall aus Dreiseithöfen, eingebettet zwischen Elbaue und Weinhängen, umgeben von wohl gesonnenen Nachbarn. Aber die Zeit ist auch an Naundorf nicht spurlos vorüber gegangen. Gaststätten, Lebensmittelgeschäfte, Bäcker, Fleischer und eine Post sucht man im Dorfkern vergebens. Handwerker und Schweine mussten für das Fest, welches unter dem Motto »Leben auf dem Lande« stand, ausgeliehen werden. Doch obwohl die Verstädterung nicht zu übersehen ist, haben sich die Naundorfer wichtige Eigenschaften bewahrt: Lebensfreude, Gemeinschaftssinn, Humor, Phantasie, Toleranz, Hilfsbereitschaft, Aufgeschlossenheit und, und, und …

Auch die Politprominenz – Landtagspräsident, Landrat und OB – konnte in Naundorf lernen, wie man zusammennäht, was zusammengehört (Foto K. Gerhardt)

Werte und Tugenden, heutzutage häufig beschworen, werden hier noch gelebt. Der Alltag hat einen Rhythmus, in dem die Alten und Jungen eingeschlossen sind. Und so war das ganze Dorf auf den Beinen, um mit rund 10.000 Gästen ein Fest zu feiern, das drei Tage und drei Nächte währte.

Nach dem Fest ist vor dem Fest, und das nächste wird besonders rund. Kaum hatten die letzten Besucher heuer den gastlichen Ort verlassen, saß man tags darauf zur Sommersonnenwendfeier schon wieder beisammen und schmiedete Pläne für das 10. Dorf- und Schulfest 2012.

Karin Gerhardt

[V&R 7/2010, S. 24f.]

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