Die ersten Gaslaternen in Kötzschenbroda

Zur Zeit laufen die Vorbereitungen für die Umstellung auf Erdgas, die sicher von vielen Gasnutzern begrüßt wird. Damit durften wohl auch in absehbarer Zeit die in vielen Vorgärten aufgestellten Gasbehälter wieder verschwinden, die wahrlich kein Schmuck für unsere Stadt sind. Zu gegeben, man soil sich das Leben so angenehm wie möglich machen, und Gas ist nun mal ein unentbehrlicher Helfer im Haus, steht – wie auch die Elektrizität -Tag und Nacht zur Verfügung, ganz selbstverständlich. Wer denkt heute noch daran, daß vor wenig mehr als 100 Jahren die Bewohner unserer Lößnitzgemeinden noch bei Petroleum-Lampen arbeiteten, obwohl in Dresden seit Jahrzehnten ein Gaswerk bestand. Blättern wir mal in der Geschichte zurück. Erste Versuche, Gas zu Beleuchtungszwecken zu nutzen, waren bereits Ende des 18. Jh. in England und Frankreich unternommen worden, 1814 brannten die ersten Gaslampen in London. – In Sachsen beschäftigte sich 1797 Prof. Lampadius an der Bergakademie in Freiberg damit und stellte 1799 im Dresdner Schloß seine ,,Thermolampe“ vor, mit wenig Erfolg. Erst 1816 erteilte König Friedrich August l. den Auftrag, ,,Vorschläge für einen Versuch im Großen“ zu unterbreiten, um die Dresdner Straßen mit Gas zu beleuchten. Unter den Einreichern war auch Rudolf Sigismund Blochmann, z. Z. Inspektor des Mathematisch Physikalischen Salons, der sich schon privat eine Gasbeleuchtung an seinem Haus geschaffen hatte. Allerdings kam die Sache erst in‘s Rollen, als sich 1824 eine englische Firma um den Auftrag bewarb. Ob wohl das vorteilhaft erschien, lehnte man ab, da es ,,für die vaterländische Industrie sehr niederschagend wäre, von Ausländern ein Werk ausführen zu lassen, dem die inländischen Techniker ebenfalls gewachsen sein dürften.“ So erhielt R. Blochmann die Genehmigung, probeweise das Schloß mit Gas zu beleuchten, danach aber zunächst 50 Straßenlaternen mit Gas zu versorgen. So wurde er zum Begründer der ersten Dresdner Gasanstalt und einer selbständigen deutschen Gasindustrie. Drei Jahre später, am 27.4.1828, erstrahlten die ersten gußeisernen Kandelaber in Dresden. – In unseren Lößnitzorten blieb es noch lange finster. Erst 1872 begann man in Kötzschenbroda mit der Aufstellung von Petroleum-Lampen zur Straßenbeleuchtung. Das Gas kam 20 Jahre später, also genau vor 100 Jahren. Am 15. Oktober 1892 brannten die ersten Gaslaternen, und sogar aus dem eigens erbauten Gaswerk. Den Beschluß hatte der Gemeinderat am 13. Februar 1892 gefaßt. Das erworbene Gelände lag in günstiger Entfernung zur Bahn (für die Zufuhr der benötigten Steinkohle) und über der Hochwasserlinie der Elbe. Die Größe ließ auch spätere Erweiterung zu. Die Baupläne hatte Direktor Pflücke aus Meißen entworfen, dem später die technische Leitung übertragen wurde. Als Maximum der täglichen Gasproduktion hatte er 10000 m3 angenommen, aber auch Ausbau der Anlage vorgesehen. Es war ja zu erwarten, daß sich die Nachbargemeinden anschließen wurden. Man mußte mit dem Wachstum der Gemeinden, der Industrie usw. rechnen und konnte voraussehen, daß die Gaswerke in nicht zu ferner Zeit außer für Licht-, auch für Kraft- und Wärmeversorgung dienen würden. Der angenommene Tageskonsum, der manchem etwas hoch erschien, war also begründet. Außerdem hatte man bereits eine Liste von Gasabonnenten vorliegen. – Im Mai 1892 begann das Verlegen der Rohre, und der Bau der Gebäude ging gut voran. So konnte der Gasausschuß am 7. Oktober 1892 dem Gemeinderat berichten, ,,daß die Hochbauten der Gasanstalt, nach erfolgter Garantieübernahme für das Dach des Apparatehauses, vertragsgemäß fertiggestellt sei und zur Übernahme empfohlen werde“. Die Eröffnungsfeier wurde auf den 15. Oktober festgelegt. Die Kötzschenbrodaer Zeitung gab ihren Lesern eine ausführliche Beschreibung der Fabrikanlagen, um damit nicht nur die interessierten, sondern wohl auch die kritischen oder gar etwas ängstlichen Einwohner zu informieren. Es war schon beachtlich, was in so kurzer Zeit geschaffen wurde: An der Straße das Verwaltungsgebäude, dahinter die Produktionsanlage mit dem Ofenhaus mit 2 Öfen. einem für 2 und einem für 3 Retorten, von denen jede etwa 200 m3 Gas pro Tag liefern konnte. Daneben der Kohlenschuppen, der 22 Doppelwaggons Kohle faßte. Ferner gehörten dazu die Räume der Kondensations-Abteilung zur Abkühlung des von den Öfen kommenden Gases und einem Kondensator zum Ausscheiden des Ammoniaks, sowie mehrere Reinigungsapparate. Schließlich gelangte das Gas in den Stationszähler, um die produzierte Menge festzustellen, bevor es in den Gasbehältern bzw. zu den Straßenlaternen und Privatkonsumenten geleitet wurde. Soweit die kurze Zusammenfassung des Zeitungsartikels, Doch die Entwicklung ging weiter. Auer von Welsbach – er lebte von 1858-1929 erfand das Gasglühlicht, indem er den Bunsenbrenner mit einem Glühkörper aus feinem Gewebe versah und damit die Leuchtkraft bedeutend erhöhte. Als dann Niederlößnitz den Bau eines Elektrizitätswerkes plante und um Abnehmer zu werben begann, befürchteten die Kötzschenbrodaer natürlich Rückgang der Gasnutzung. Sie lehnten die elektrische Beleuchtung ab und stellten versuchsweise erst mal 5 Straßenlaternen mit dem Gasglühlicht auf. Die Helligkeit überzeugte. 1895 erstrahlte die Meißner Straße in dem neuen Glanz, und im Jahr darauf wurden alle Straßen in Kötzschenbroda so beIeuchtet. 1896 entschloß sich auch der Gemeinderat von Naundorf für die Gasbeleuchtung. Inzwischen hatte das ,,heIlere und billigere Gaslicht“ auch in den Haushaltungen, Geschäften und Werkstätten Einzug gehalten. Altere Einwohner erinnern sich sicher noch an die Gaslampen, die allerdings meist weit einfacher waren, als die hier angebotene von 1892. Bis 1922 lieferte das Kötzschenbrodaer Werk das Gas, danach kam es aus dem um die Jahrhundertwende errichteten Werk in Dresden-Reick. Nun wird das ,,Stadtgas“ bald vom ,,Erdgas“ abgelöst.

Liselotte Schließer

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