Was uns Archivakten zu sagen haben

Alt-Friedstein, von der Familien-Pension zum Pflegeheim – und was nun?

Am 18. Januar berichtete die Sächsische Zeitung, daß ein Dresdner Investor Alt-Friedstein zu einem Hotel-Garni ausbauen will und den Zuschlag erhielt. – Eine erfreuliche Nachricht für alle, die schon lange um das Schicksal dieses geschichtsträchtigen Bauwerkes bangen. Bekannt ist es vielen Einwohnern als „Pflegeheim“, denn als solches wurde es von 1965 bis 1987 genutzt. Seit 1927 war die Stadt Kötzschenbroda – sie bestand von 1924 bis 1935 – im Besitz des Gebäudes; sie hatte es als Rentnerheim für anfangs 10 Insassen gekauft. Und 1949 war daraus ein „Altersheim“ geworden. Wer nutzte es aber vor 1927? Lassen wir einmal die „frühe“ Geschichte, in der das Grundstück zusammengekauft wurde und privaten Zwecken diente, außer Betracht, so treffen wir im .Jahre 1878 Herrn Rentier Carl Lamsbach als Besitzer des großen Grundstücks, das damals bis an die Meißner Straße hinunter reichte. Die heutige Ludwig-Richter-Allee war schon damals mit schönen alten Bäumen bestanden. Durch diese Allee fuhren die Herrschaften in ihren Kutschen geradewegs auf das große Einfahrtstor zum „Friedstein“ hinauf. Und da das Gelände beiderseits der Straße zum Besitz gehörte, sie also lange Zeit ein Privat-Weg war, hieß sie einfach „Allee-Weg“, später „Friedstein-Allee“ und schließlich „Allee-Straße“. – Herr Lamsbach hatte große Pläne und wohl auch das nötige Geld. Schon 1878 ließ er eine Wasserleitung bauen, mit Brunnen, Bassin, Maschinenhaus und transportabler Kesselmaschine, geheizt mit Braun- und Steinkohle. Der Dampfmaschinenbetrieb diente der Wasserhebung aus dem Tiefbrunnen (Die Wasserversorgung wurde 1891 vom Niederlößriitzer Wasserwerk übernommen). Bauliche Erweiterungen durch neue Wirtschaftsräume folgten, und schließlich beantragte Herr Lamsbach im Februar 1895 die Genehmigung, den westlichen Seitenflügel des Wohnhauses um ein Stockwerk zu erhöhen. Gleichzeitig stellte er das Gesuch, eine Pension einrichten zu dürfen. Beides wurde genehmigt, und schon im Juli 1895 war der Bau vollendet, die Gäste konnten kommen. Um seine Einrichtung bekanntzumachen, gab er eine reich bebilderte Werbeschrift heraus, in der es heißt: „Die Pension Alt-Friedstein ist mit 20 gut eingerichteten Zimmern ausgestattet. Im Parterre befinden sich Speisesaal, Lese- und Billardzimmer, im Seitenflügel neu eingerichtete Bäder, im Garten und Park Kegelbahn, Tennis-, Croquet- und Spielplätze. Die Pension Alt-Friedstein eignet sich zur Ausführung der verschiedensten Kuren: da Landwirtschaft betrieben wird zur Milchkur, da Obst und Wein gebaut wird zur Obst- und Traubenkur, und durch die Lage des Grundstücks selbst zu Terrainkuren. Anfragen: An die Pension Alt-Friedstein Poststation Kötzschenbroda erbeten. Telegramm-Adresse: Lamsbach-Kötzschenbroda, Telefon: Kötzschenbroda Nr. 37, Prospekte gratis“. – Wie viele Gäste dieses Angebot nutzten und welche Gründe Herrn Lamsbach zum Verkauf veranlassten, bleibt offen. Als Anfang Mai 1899 das gesamte Grundstück an die Baumeister Schilling und Grabner in Dresden überging, hatten diese die Absicht. das Gelände mehr dem Verkehr anzuschließen, indem sie die Allee direkt mit der Moritzburger Straße verbinden wollten. Zwar konnten sie den Mittelbau mit dem Turm durch eine geschickte architektonische Lösung erhalten, doch der Abriß des westlichen Flügels war zur Durchführung der Straße unvermeidlich. Der Pensionsbetrieb konnte unter diesen Umständen natürlich zunächst nicht weitergeführt werden. Erst nachdem das Hauptgebäude restauriert worden war, konnte der Kötzschenbrodaer Generalanzeiger am 2. Juli 1903 die Neu-Eröffnung der Pension bekanntgeben. Frau verw. Schönstädt hatte die Räume gemietet und erhielt auf ihr Gesuch die Konzession, ihren Pensionären Bier und Wein in Flaschen zu verkaufen. Sie leitete die Pension bis 1913. dann wurde sie von Frau Marie v. Haken übernommen. 2016-06-19-schliesser-93-06

Auch als 1916 Herr v. Kiesewetter Eigentümer des Restgrundstückes mit dem Haus wurde, führte sie die Pension weiter; ob auch in der Inflationszeit, konnte ich nicht feststellen. Vielleicht hat das Haus schon damals einige Jahre keine Gäste mehr beherbergt. Als städtisches Rentnerheim war es, wie die Akten ausweisen, meist voll belegt, d. h. 12 alleinstehende Frauen fanden hier ein Zuhause. Sie hatten jede ein Einzelzimmer, für das sie einschließlich Beköstigung, Heizung und Beleuchtung je nach Lage – Erdgeschoß oder Etage – 60,00 bis 90,00 Mark monatlich zu zahlen hatten. Kriegs- und Nachkriegsjahre erforderten höhere Auslastung. Die längst fällige Renovierung wurde dann 1971 mit finanzieller und materieller Unterstützung von Betrieben durchgeführt, um den Aufenthalt der Insassen zu verbessern. Doch der weitere Verfall ließ sich damit nicht aufhalten. 1987 wurde das Haus geschlossen. – Nun bleibt die Hoffnung, daß bald wieder Gäste einziehen können.

Lieselotte Schließer

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