Über den Bergaltar gestolpert …

Der Name Bergaltar für einen Platz im Weinberg ist mir schon gelegentlich begegnet, Ihnen vielleicht auch ? Bei einem Winterspaziergang im Knollenweg bin ich, als das Tor zum Weinberg Johannisberg offen stand, dann wirklich darüber gestolpert. Spätestens seitdem denke ich über den merkwürdigen, an kirchliche Rituale erinnernden Namen nach und habe mich, wie selten für einen Artikel für die Vorschau, bei vielen Bekannten und Fachleuten befragt – das Ergebnis ist nicht wirklich auf den Punkt zu bringen, mehrere Erklärungen bleiben möglich. Dennoch, meine ich, es lohnt darüber zu berichten.
Der Bergaltar im Johannisberg auf Naundorfer Flur, ein mit Stützmauern befestigtes Plateau von etwa 8 x 8m, befindet sich im unteren Drittel des Steilhanges, ist ruinös und verwildert. Er steht mit Kastanien bewachsen wie eine „Insel“ innerhalb der Weinstöcke; Zweck und Nutzen sind nicht sofort erkennbar. Dennoch hat sich einst jemand die Mühe gemacht, ihn in der Kulturlandschaft der Weinberge anzulegen.
Wie die Anlage früher aussah, zeigt eine Fotografie in den Mitteilungen des Sächsischen Heimatschutzvereins (grüne Hefte) von 1924, wo auch der Name Bergaltar verwendet wurde. Die Natursteinmauern waren auf allen Seiten intakt, ein Geländer ist erkennbar, Tisch und Bänke aus Sandstein standen im Schatten einer großen Kastanie. Die Syenitmauern sind bis auf die vordere nach dem Tal zerbröselt, das Geländer fehlt längst, von Tisch und Bänken liegen nur noch Trümmer im Gelände und die Kastanie hat durch ungehinderte Aussaat für einen kleinen Wald gesorgt, der mit zur Zerstörung der Mauern beigetragen hat.
Zu dieser Zeit gehörte der Besitz „Johannisberg“ mit Villa, Wirtschaftsgebäuden, Park und Weinberg dem Kötitzer Fabrikanten Emil Hermann Nacke (29.10.1843 – 30.05.1933). Sein gepflegter Weinberg soll einer der wenigen in der Lößnitz gewesen sein, der nicht von der Reblaus heimgesucht wurde. Eine, an einem Tag im Frühjahr abgehaltene Tradition, das Bergsingen auf dem Bergaltar, geht auf Nacke zurück. Frau Schließer bestätigte mir, dass Herr Gerhard Huhle, ein heute in Dresden wohnender ehemaliger Radebeuler bis etwa 1955 noch da mit dem Kirchenchor einmal im Jahr gesungen hatte. Das allein scheint aber kein Beweis für einen kirchlich-historischen Hintergrund für den Bergaltar zu sein.
Ins Reich der Phantasie gehört wohl die Vorstellung, der Bergaltar wäre Ort der Segnung der sprießenden Weinstöcke durch einen Priester, vielleicht schon in vorreformatorischer Zeit gewesen; sozusagen das Gegenstück zum Erntedankfest. Freilich gehörten einst viele Weinberge kirchlichen Einrichtungen in Meißen, Dresden oder andernorts, woran Bischofspresse, Bischofsweg oder Spittelweg erinnern. Es ist aber kaum vorstellbar, dass der in Stein aufgesetzte Bergaltar älter sein sollte als die nach „württembergischer Art“ geschaffenen Terrassenmauern in der Lößnitz vom Anfang des 17. Jahrhunderts.
Ebenso wenig belegbar ist, dass der Bergaltar eine Bedeutung in sorbischer Zeit gehabt hätte, eine Kult- oder Opferstätte.
Dann wären aber noch zwei einfachere Erklärungen für den Bergaltar. Es könnte sich, wie häufig bei älteren Orts-, Flur- und Wegebezeichnungen, um eine sprachliche Verschleifung handeln – also das Wort „Altan“ hätte sich zu „Altar“ gewandelt. Altan ist ein früher gebräuchlicher Begriff für Terrasse oder Balkon an einem Haus, d.h., ein erhöhtes Plateau ! Die andere Möglichkeit, die Professor Magirius für die wahrscheinlichste hält, wäre die Verwendung eines im Volke gut bekannten Begriffes in übertragenem Sinne. So findet man als Bezeichnung für Aussichtsstellen in Felsengebirge gelegentlich Wortverbindungen mit Kanzel oder Altar, wie z.B. Georgskanzel.
Zu erwähnen wäre noch, dass es in Naundorfer und Zitzschewiger Flur drei weitere Plätze gibt, die in Lage, Anlage und Bewuchs dem Bergaltar im Johannisberg ähneln, für die der Name Bergaltar aber m.E. nicht gebräuchlich ist. Die größte Ähnlichkeit weist ein Plateau im Weinberg Zechstein auf, auch viereckig angelegt, jedoch mit einer alten Robinie, einem herrlichen Solitär, bewachsen. Eventuell kommt als Vergleichsobjekt auch ein rund gefasstes Plateau zwischen dem Kynast-Park und dem dortigen Weinberg in Betracht. Darauf steht bekanntermaßen Radebeuls älteste Esskastanie. Ganz in der Nähe vom Johannisberg, am westlichen Ende der Weinberge zu Schloß Wackerbarth’s Ruhe ist ein kleineres Plateau mit einer Linde. Dieser Platz ist aber nicht so markant wie die anderen. Merkwürdigerweise fand ich nichts vergleichbares in Radebeul-Ost.
Allen Plätzen gemein ist eine etwas herausgehobene Lage, die sich mit einer sehr reizvollen Aussicht ins Tal und über die Landschaft verbindet. In anderer Richtung gesehen stellen der Bergaltar und die ihm ähnlichen Plätze Landmarken in der Weinlandschaft dar, besonders auch als Silhouette gegen Hang und Horizont.
Über Winzer Oswald Häntsch, den langjährigen Leiter von der Rebenstation, erfuhr ich, dass die Plätze durchaus auch heute noch eine praktische Bedeutung haben, indem sie den Winzern für ihre Pausen bei der harten Arbeit ein schattiges Plätzchen bieten. Dem Wein, der meist genügend Abstand hat, schaden die Bäume mit ihrem Schatten gar nicht; ein kleines Problem ergibt sich aber daraus, dass die Bäume im Weinberg als Sammelplatz und Sitzwarte für hungrige Stare dienen, das beschränkt sich aber auf die Erntezeit.
Was könnte man nun mit dem Johannisberg-Bergaltar machen ? In Abstimmung mit Eigentümern und Nutzern müsste der Wildwuchs an Kastanien zurückgenommen und ein Solitär gehalten werden. Dann wäre die Reparatur der Trockenmauern, von denen etwa ein Dreiviertel der Steine noch vorhanden ist, notwendig. Wünschenswert wäre ferner, eine neue Sitzgelegenheit und vielleicht auf drei Seiten ein einfaches Geländer. Das könnte dann sogar eine Bereicherung unseres Wanderwegenetzes ergeben, ein Ruhe- und Aussichtspunkt am Knollenweg. Erstaunlicherweise ist diese Aussicht aus mittlerer Höhenlage genauso interessant, wie die von den beliebten Höhen- Aussichtspunkten in Radebeul, wie vom Spitzhaus oder der Sternwarte etwa.
Letzeres ist z.Z. weder rechtlich, noch finanziell abgesichert, dazu sind noch einige Gespräche und Vereinbarungen nötig. Es soll ganz einfach eine Anregung sein, wie die Sächsische Weinstraße in der Lößnitz noch bereichert werden könnte.
Ich danke allen, die mit mir zu dem Thema Gedanken ausgetauscht haben, den im Text Genannten ebenso wie den Ungenannten.

Dietrich Lohse

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