Kantor, Lehrer, KMD – ein Leben für die Kirchenmusik

Hans-Bernhard Hoch zum 75. Geburtstag

Bei Hans-Bernhard Hoch ist der Anrufbeantworter mehr als nur ein technisches Gerät zur Aufzeichnung von Nachrichten, denn der Anrufende wird mit einer Melodie begrüßt, irgendein bekanntes Thema aus der weiten Welt der Musik. Ihre akustische Visitenkarte passen Hans-Bernhard Hoch und seine Frau Ilse jahreszeitlich an, zur Zeit meines Besuches im letzten Herbst etwa erklang das Thema aus dem Te Deum von Charpentier, besser bekannt als die Eurovisionshymne von ZDF, ORF und DRS. Die Verbindung von Wort und Musik liegt den Hochs eben. Der kurze Text ist ja schnell aufgesprochen, und die Musik aus dem Hintergrund macht auch keine Mühe. Doch wozu die allermeisten eine CD oder Kassette benötigen würden, erledigt H.-B. Hoch selbst: schließlich ist der Flügel ihm ein guter Freund, und Noten mussten unter ihm auch noch nie Not leiden. Er behandelte sie stets streng und doch zärtlich, entschlossen und doch respektvoll. Das musste er auch, denn sonst wären ihm, der am 30. Januar seinen 75. Geburtstag feiert, nicht die bisher fast fünf Jahrzehnte erfüllten und beglückenden Schaffens im Dienst der Kirchenmusik vergönnt gewesen. Diese umfasst(e) neben der langjährigen Arbeit als Kantor der Radebeuler Friedenskirchgemeinde
z. B. auch die Lehrtätigkeit als Klavierlehrer an der Kirchenmusikschule Dresden von 1954-1994.
Eigentlich wollte Hans-Bernhard Hoch es seinem Vater, der trotz musikalischer Begabung Jurist geworden war, nachmachen und Rechtswissenschaften studieren. Doch nach dem Krieg, dessen letzte furchtbare Monate er als Flak-Helfer ebenso gezwungenermaßen erleben musste wie eine viermonatige amerikanische Gefangenschaft, konnte dieser Wunsch für ein Kind aus bürgerlichem Elternhaus wohl kaum in Erfüllung gehen. Aber weil sich in ihm das väterliche Erbteil schon sichtbar geregt, er seit 1934 Klavierunterricht und ab 1942 Orgelunterricht erhalten hatte, fiel ihm nach dem Abitur am Dresdner Kreuzgymnasium die Wahl nicht schwer: Musik wollte er studieren. Dazu gab es in Dresden auch gute Gelegenheit, denn die Staatliche Akademie für Musik und Theater – Vorgängerin der heutigen Musikhoch-schule – bot ihm im Herbst 1947 einen Studienplatz in der Orgelabteilung an. Der Studenten- ausweis war in jenen Jahren ein begehrtes Papier, sicherte er doch dem Inhaber den Anspruch auf Lebensmittelkarten und bewahrte ihn vor einer unliebsamen Verpflichtung zu Arbeits-einsätzen. Kein Wunder, dass ihn und fünf weitere Studenten, die sich auf Kirchenmusik spezialisieren wollten, die staatlicherseits angeordnete, zwangsweise Auflösung der Orgelabteilung im Juni 1949 wie ein Keulenschlag traf: binnen weniger Tage waren sie exmatrikuliert und fanden sich auf der Straße wieder. Wie sollte es weitergehen? Die sechs Studenten entschlossen sich zu einem kühnen Schritt: sie machten den damaligen evangelischen Landesbischof Hahn auf ihre Lage aufmerksam und baten ihn, die Gründung einer Kirchenmusikschule in Erwägung zu ziehen, um ihre Ausbildung abschließen und kirchenmusikalisch wirken zu können. Und wirklich, innerhalb kürzester Zeit kam die Neugründung zustande, erster Leiter wurde der spätere Kreuzkantor Martin Flämig. So konnte H.-B. Hoch sein Studium zunächst in Dresden fortsetzen, bevor er 1951 in Vorbereitung der hauptberuflichen A-Kirchenmusikerprüfung nach Leipzig wechselte und bis zum Examen 1954 unter so hervorragenden Lehrern wie Prof. Ramin (Orgel) oder Prof. Webersinke (Klavier) an der Musikhochschule studierte.
Doch die Heimat rief ihn zurück, und Hans-Bernhard Hoch folgte dem Ruf. Ab Herbst 1954 sollte die Stelle des Kantors an der Radebeuler Friedenskirche neu besetzt werden, der seit 1919 wirkende KMD (Kirchenmusikdirektor) Johannes Lindner war inzwischen weit über 70 Jahre alt. Tatsächlich trat der frischgebackene Kantor und Ehemann im September 1954 seinen Dienst in Kötzschenbroda an. Wenn Hans Bernhard Hoch über die nachfolgenden Jahre erzählt, spürt man noch jetzt seine Begeisterung und Freude über die immer zahlreicher gewordenen Aufgaben. So gründete er schon im September 1954 die Kurrende, die sich im Laufe der Jahre zu einem nie versiegenden Quell für nachrückende Kantoreimitglieder entwickelte. In all den Jahren durchliefen, wie der genau darüber Buch führende Kantor i.R. zu berichten weiß, mehr als 400 Radebeuler Kinder und Jugendliche die Kurrende und nahmen die Freude am Singen auf ihren Lebensweg mit. Nicht wenigen von ihnen erteilte ihr Kantor zu Hause auch noch Klavierunterricht, was eine willkommene finanzielle Entlastung für die bald mit drei Kindern gesegnete Familie brachte. 1955 initiierte Hans-Bernhard Hoch die dann alljährlich stattfindenden „Sommerlichen Serenaden“, an die noch viele Radebeuler ebenso gern zurückdenken wie an die Konzerte im Luthersaal, wobei besonders die Reihe „Kostbarkeiten aus Literatur und Musik“ durch die Mitwirkung zahlreicher bedeutender Künstler aus Dresden und Umgebung zu einem Erlebnis wurde. Von 1962 bis 1983 leitete er für die Sächsische Landeskirche 11 Singwochen im Erzgebirge, und ab 1981 wurde ihm die verantwortungsvolle Aufgabe übertragen, als Kirchenmusikdirektor für den Kirchenbezirk Dresden-Mitte die kirchenmusikalische Arbeit in etwa 20 Gemeinden in und um Dresden zu betreuen. Diese Funktion brachte es auch mit sich, dass H.-B. Hoch zu wichtigen Anlässen mit seinem Taktstock nach Dresden gebeten wurde: sei es die Gestaltung des Eröffnungsgottesdienstes während der Zentralratstagung des Lutherischen Weltbundes 1983, sei es das erste Konzert des Heinrich-Schütz-Festes 1985 oder, im Zeichen ökumenischer Verbundenheit, anlässlich der Mitwirkung evangelischer Christen bei der Eröffnung des 1. deutschen Katholikentags in der DDR 1987. Doch das Zentrum seines Wirkens blieb von Anfang bis zum Ende Radebeul-West. Als sich die Kurrendearbeit auszuzahlen begann, die Kantorei sich verjüngt, vergrößert und qualitativ verbessert hatte, war ab 1960 endlich auch die Aufführung großer Chorwerke möglich. Wer erinnert sich nicht daran, Die Schöpfung, Das Weihnachtsoratorium oder das Mozart-Requiem in den 60er, 70er oder 80er Jahren in der Friedenskirche und Die Matthäuspassion in der räumlich günstigeren Lutherkirche gehört zu haben? Dass es Hans-Bernhard Hoch gelang, manch hoffnungsvolles Talent und nicht wenige berühmte Sängerinnen und Sänger als Solisten nach Radebeul zu holen (Adele Stolte, Hans-Joachim Rotzsch, Andrea Ihle, Elisabeth Wilke, Andreas Scheibner, Ute Selbig u.v.a.) sei nur am Rande erwähnt.
Mögen manche nach Ende ihres Berufslebens gerne Abschied vom gewohnten Tätigkeitsbereich nehmen – für Hans-Bernhard Hoch gilt das ganz gewiss nicht. Gelegentlich gestaltet er noch die Gottesdienste in der Unterkirche der Dresdner Frauenkirche musikalisch aus und stellt sich als Vertretung von Kantoren in Gemeinden rund um Dresden zur Verfügung. Und nicht zuletzt singen er und seine Frau, die während der annähernd fünfzig gemeinsamen Jahre zur unverzichtbaren Stütze und Begleiterin wurde, mit Freude in der ihnen so vertrauten Kantorei an der Friedenskirche mit. „Vorschau und Rückblick“ gratulieren Hans-Bernhard Hoch ganz herzlich zum Jubiläum und wünschen ihm noch viele frohmachende, heitere Jahre im Zeichen von Dur und moll!
(Freunde und Bekannte von HBH wissen: wenn man ihn anrufen und gratulieren möchte, doch niemand abnimmt, macht der Herr des Hauses möglicherweise eben auch am Geburtstag das, was er am liebsten tut: musizieren. Doch zum Glück gibt es ja noch den Anrufbeantworter…)

Bertram Kazmirowski

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